Hinter den Kulissen hat Horst Heldt längst den Kurs vorgegeben, nun darf der neue Geschäftsführer bei Union Berlin offiziell starten. Die ersten Neuzugänge sind bereits getätigt.
Am Montag, 1. Juli, darf Horst Heldt endlich auch offiziell als neuer Geschäftsführer bei Union Berlin arbeiten. Alles, was er bislang für den Fußball-Bundesligisten angestoßen oder entschieden hat, passierte hinter den Kulissen. Öffentlich trat Heldt trotzdem auf, für den Pay-TV-Sender Sky ist der Ex-Nationalspieler als Experte tätig. Und als solcher hat er sich zuletzt zu allerhand Themen geäußert. Über das Aus von Trainer Edin Terzić bei Borussia Dortmund („Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt“), dessen Nachfolger Nuri Şahin („Vielleicht wäre ein Neuanfang mit einer Nicht-BVB-Vergangenheit sinnvoller gewesen“) oder den unrühmlichen Abgang von Mats Hummels in Dortmund („Da gibt es keine Gewinner“). Klar ist, dass sich der Manager ab dem 1. Juli mit solchen Aussagen verstärkt zurückhalten wird müssen. In der Branche wird es nicht gern gesehen, wenn ein Club-Verantwortlicher sich derart kritisch über die Vorgänge in einem anderen Verein äußert. Außerdem wird Heldt dann auch genug eigene Hausaufgaben zu erledigen haben. Denn nach der enttäuschenden Vorsaison mit dem Beinahe-Abstieg muss er zusammen mit dem neuen Trainer Bo Svensson und dem freiwillig zum Chefscout abgestiegenen Oliver Ruhnert kräftig am Kader werkeln.
Der Umbruch nach der Chaos-Saison
Wie genau Heldt das bewerkstelligen will, welche Transferstrategie er verfolgt und welchen Führungsstil er bei Union pflegen will – all das wird er erst nach seinem Dienstantritt erklären können. Dass der 54-Jährige erfolgreich als Bundesliga-Manager arbeiten kann, hat er vor allem in seiner Zeit beim FC Schalke 04 von 2010 bis 2016 bewiesen. Unter seiner Regie landeten die Knappen, die in der Vorsaison gerade so den Absturz in die Drittklassigkeit vermieden hatten, in sechs Jahren fünfmal im Europapokal. Auch der Gewinn des DFB-Pokals 2011 und der Einzug ins Champions-League-Halbfinale fallen in diese Zeit. Außerdem arbeitete er auf Schalke erfolgreich mit einem gewissen Oliver Ruhnert zusammen, der damals die Nachwuchs-Akademie leitete. Als Schalke-Manager verhandelte Heldt auch mit Topstars wie Raúl oder Klaas-Jan Huntelaar. „Da gibt es keine großen Unterschiede zu den Gesprächen mit anderen Spielern, selbst wenn sie gerade erst aus der A-Jugend zu den Profis stoßen“, sagte Heldt einmal: „Nur die Inhalte, sprich die Gehälter, bewegen sich eben in anderen Dimensionen.“
Auch wenn er erst ab dem 1. Juli offiziell bei Union seine Arbeit beginnt, hat Heldt natürlich auch die bisherigen Transfers abgesegnet. So wie die Neuverpflichtung von Leopold Querfeld, der als österreichischer Nationalspieler immerhin EM-Teilnehmer ist. Der 20-Jährige ist als Innenverteidiger eingeplant und wird die Kaderstelle von Robin Knoche übernehmen. Der langjährige Abwehrchef, der einst als unumstrittener Leistungsspieler mitverantwortlich für Unions Höhenflug gewesen war, verlängerte seinen auslaufenden Vertrag nicht. Knoche hatte schon in der Rückrunde der Vorsaison seinen Stammplatz an Winter-Neuzugang Kevin Vogt verloren, außerdem ist er zwölf Jahre älter als sein Nachfolger Querfeld. Der Österreicher wurde in der Jugendabteilung des SK Rapid Wien ausgebildet, dort stieg er auch zum Profi und in der Vorsaison zum Kapitän auf. 125 Profieinsätze sind in seinem Alter eine beachtliche Anzahl. Im Frühjahr wurde das große Abwehr-Talent von Trainer Ralf Rangnick erstmals für die Nationalmannschaft nominiert, anschließend bekam er als jüngster ÖFB-Spieler das EM-Ticket.
„Leo gehört ohne Zweifel zu den begehrtesten Innenverteidigern seines Jahrgangs und hat nicht zuletzt mit seiner finalen Berufung in den EM-Kader Österreichs gezeigt, wie stark seine Leistungsentwicklung ist“, sagte Ruhnert. Er bezeichnete Querfeld als „einen physisch starken und mutigen jungen Spieler“, der nicht nur in der Defensive seine Stärken habe. Zudem erhoffen sich die Verantwortlichen von Querfeld einen weiteren Leistungssprung in der Bundesliga, denn sein Potenzial scheint groß. Für dieses Gesamtpaket war Union bereit, tief in die Tasche zu greifen. Immerhin drei Millionen Euro überwiesen die Köpenicker nach Rapid Wien. Auch andere internationale Clubs hatten sich für ihn interessiert, aber der Youngster wollte unbedingt zu Union. „Bei Union und in der Bundesliga sehe ich dafür sehr gute Voraussetzungen und bin bereit für die kommenden Aufgaben. Ich freue mich insbesondere auf die Stimmung bei den Heimspielen und kann es kaum erwarten, vor den Fans zu spielen“, sagte der gebürtige Wiener. Auch künstlerisch dürfte sich Querfeld, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gern zeichnet sowie Sneakers und Hoodies designt, in Berlin wohl fühlen.
Auch offensiv schlugen die Eisernen in dieser Transferperiode schon zu: Vom SV Wehen Wiesbaden kommt Angreifer Ivan Prtajin. Der 28 Jahre alte Kroate gilt als klassischer Mittelstürmer – ein Spielertyp, der dem Team seit dem Abgang von Kevin Behrens zum VfL Wolfsburg gefehlt hat. Prtajin hat bereits für zahlreiche Vereine in seiner Karriere gespielt, der große Durchbruch ist ihm aber noch nicht gelungen. Bei Zweitliga-Absteiger Wehen-Wiesbaden fiel er jedoch durch seinen ausgeprägten Torriecher und seine Qualitäten als stets anspielbarerer und durchsetzungsstarker Wandstürmer auf. Auch Zweitligist FC Schalke 04 hatte ein Auge auf Prtajin geworfen, der sich jedoch lieber in Rot-Weiß als in Königsblau sah. „Schon bei den ersten Gesprächen mit den Verantwortlichen von Union habe ich mich sehr wohlgefühlt und gemerkt, dass dieser Wechsel der richtige Weg für mich ist“, sagte der Angreifer: „Ich glaube daran, dass ich mit meiner Erfahrung und meinem Spielstil als Stürmer dem Club weiterhelfen kann.“
Offensivprobleme in der vergangenen Saison
Die Verantwortlichen hoffen, dass Prtajin das große Offensivproblem der Vorsaison lösen kann. 33 Tore in 34 Ligaspielen waren ein Armutszeugnis. „Mit Ivan bekommen wir einen sehr umworbenen, kopfballstarken, robusten und laufstarken Stürmer zu uns. Er will und wird sich in der Bundesliga beweisen und unserer Torgefährlichkeit und Flexibilität im Sturm guttun“, meinte Ruhnert. Für den Transfer dürfte auch gesprochen haben, dass der Kroate einst mit Benedict Hollerbach in Wiesbaden zusammengespielt hat. Das Duo harmonierte in der Saison 2022/23 prächtig und sorgte für den Aufstieg des SVWW. Wehen-Wiesbadens Manager Nico Schäfer glaubt, dass das Duo Prtajin/Hollerbach auch bei den Eisernen zünden kann: „Benedict ist ein Juwel. Ivan ist ein deutlich gestandener Spieler. Für ihn war es wichtig, mal längere Zeit in einem Club zu verbringen. Er macht fast jeden Kopfball rein.“ Nachdem Prtajin seinen Dreijahresvertrag bei Union unterschrieben hatte, setzte er auch unter einem anderen wichtigen Dokument seine Unterschrift: Er heiratete in seiner Heimatstadt Zadar seine langjährige Freundin Viktorija. Nun will er in Berlin sein sportliches Glück finden.
Bei diesen zwei Neuzugängen wird es jedoch nicht bleiben, auch weitere Abgänge sind intern eingeplant. Heldt wird nach seinem Dienstantritt den Kader zwar nicht grundlegend neu gestalten müssen, aber hier und da Anpassungen vornehmen. Dass er bei seinen jüngsten Stationen beim 1. FC Köln und Hannover 96 zuletzt nicht so erfolgreich war, hat einige Fans abgeschreckt. Über die sieben Millionen Euro, die er als FC-Manager 2020 an Union für den verletzungsanfälligen Stürmer Sebastian Andersson überwiesen hatte, wundern sich die Kölner Fans noch heute. Nun kann, soll und muss er es besser machen – ansonsten kritisieren andere in der Branche vielleicht bald auch seine Arbeit.