Momente, wenn die Bewohner, die zuvor noch im Rollstuhl saßen und mithilfe von Prophylaxen wieder laufen können, gehen Lisa Weis auch nach jahrelanger Erfahrung im Pflegebereich unter die Haut. Im Interview spricht die examinierte Altenpflegerin über die Vorteile und die Herausforderungen ihres Berufs.
Frau Weis, Sie arbeiten nun schon seit fünf Jahren als examinierte Altenpflegerin. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Da ich sehr viel Freude an der Arbeit mit Menschen habe und es ein wahnsinnig toller, interessanter und abwechslungsreicher Beruf ist, in dem man sich immer weiterbilden kann und praktisch auch nie stillsteht. Das ist auch vom Alter unabhängig. Egal wie alt man ist, man kann sich immer weiterbilden.
Wie haben Sie sich den Beruf vorgestellt, als Sie noch nicht in die Altenpflege eingestiegen waren?
Bei der Alltagsbewältigung die Bewohner und Klienten unterstützen, so gut es geht. Die Lebensqualität dieser Menschen noch mal zu ermöglichen, aufrechtzuerhalten und Lebensfreude zu schenken.
Was hat sich davon bewahrheitet?
Im Grunde hat sich alles bewahrheitet, außer dass es vielleicht ab und zu einfach aufgrund der vielfältigen Aufgaben, die ich zu erfüllen habe, an Zeit fehlt, den Menschen die vielleicht keine Angehörigen haben, etwas mehr Zuneigung zu schenken. An manchen Tagen funktioniert das sehr gut, aber an anderen Tagen, je nach Auslastung, ist das etwas schwieriger.
Mittlerweile wurde die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin zur generalistischen Pflegeausbildung weiterentwickelt. Es sind neue Aspekte hinzugekommen, aber viele Lehrinhalte wurden auch übernommen. Wenn Sie Ihre Ausbildung Revue passieren lassen, was stand auf Ihrem Lehrplan?
Ich hatte eine dreijährige Ausbildung absolviert. Im ersten Lehrjahr stand die Grundpflege mit solchen Schwerpunkten wie Ernährung, Mobilität und Hygiene auf dem Lehrplan. Ein weiterer wichtiger Aspekt waren die unterschiedlichen Prophylaxe-Maßnahmen wie etwa eine Dekubitusprophylaxe (Vorbeugung gegen Wundliegen), Pneumonieprophylaxe (Vorbeugung gegen Lungenentzündung), Kontrakturenprophylaxe (Vorbeugung gegen Muskelverkürzung) und Exsikkoseprophylaxe (Vermeidung von Flüssigkeitsmangel) um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dabei mussten wir auch eine Prüfung ablegen.
Anschließend habe ich zwei Jahre weitergemacht um die Prüfung zur examinierten Altenpflegerin ablegen zu können. Die Ausbildung ist ziemlich gut verlaufen. Vor allem, weil ich vom Team, den Praxisanleitern, der Wohnbereichsleitung und der Pflegedienstleitung, wie auch von unserer Heimleitung sehr viel unterstützt wurde. Man wurde gefordert und gefördert.
Die Grundpflege umfasst solche Bereiche wie Ernährung, Mobilität, Hygiene und Körperpflege
Als examiniertes Altenpflegepersonal sind wir für sehr viele unterschiedliche Bereiche verantwortlich. Zunächst einmal brauchen wir eine besonders gute Beobachtungsgabe: Haben unsere Klienten und Bewohner vielleicht Schmerzen? Und wenn ja, was sind das für Schmerzen und wo sind die Schmerzpunkte? Geht es ihnen gut oder haben sie vielleicht Wünsche, welche sie je nach ihrem Zustand nicht äußern können? Hat sich der gesundheitliche Zustand zum Vortag verändert?
Deshalb ist die Kommunikation im Team untereinander so extrem wichtig. Man ist ja nicht jeden Tag bei jedem Bewohner in der Grundpflege. Deshalb hört man sich auch immer um, ob die Kollegen vielleicht etwas mitbekommen haben.
Dazu kommen medizinische Komponenten. Wir überprüfen beispielsweise die Vitalwerte und messen dabei unter anderem den Blutdruck, den Puls und die Temperatur unserer Klienten. Wir sind auch für die Blutzuckerkontrolle zuständig und kontrollieren das Gewicht.
Darüber hinaus erhalten wir die Kommunikation zwischen dem Arzt und den Angehörigen aufrecht, machen Termine aus und führen Angehörigengespräche.
Nach der Ausbildung standen Ihnen alle Wege offen: Warum haben Sie sich gerade für diese Seniorenresidenz entschieden?
Das lag daran, dass ich mich rundum wohlgefühlt habe. Die Fürsorge von der Pflegedienstleitung, der Heimleitung und den Mitarbeitern, die ich bereits während meiner Ausbildung erfahren habe. Ich habe mich so wohlgefühlt, dass ich überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe, in einen anderen Bereich reinschauen zu wollen.
Das ist tatsächlich eher eine Seltenheit, weil es öfter heißt: einmal Auszubildende, immer Auszubildende. Aber hier war das überhaupt nicht der Fall.
Gibt es Möglichkeiten zu einer beruflichen Weiterentwicklung?
Ganz viele. Zunächst einmal könnte man eine Weiterbildung zur Praxisanleiterin machen. Das heißt, die Auszubildenden unterstützen, anzuleiten, beizubringen was wichtig ist und worauf man achten muss. Dann kann man eine Weiterbildung zur Wohnbereichsleitung und Pflegedienstleitung anstreben. Das geht dann weiter bis zur Heimleitung. Man kann auch ein Studium dranhängen.
„Wir prüfen die Vitalwerte und führen verschiedene Therapien durch“
Oder man taucht in einen bestimmten Fachbereich wie beispielsweise Wundversorgung oder Palliativpflege, eine umfassende Versorgung von schwerstkranken Menschen ein und wird auf diesem Gebiet zu einem Experten. Wie man also sieht, stehen einem in der Pflege sehr viele Wege offen.
Streben Sie eine Weiterbildung an?
Im Moment genieße ich noch die Ruhe, aber schließe diesen Weg nicht aus.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Das Erste, was wir morgens angehen, ist die Durchführung der Grundpflege. Diese richtet sich nach dem Hilfebedarf unserer Klienten. Der eine benötigt Unterstützung beim Rückenwaschen, der andere braucht Hilfe beim Anziehen seiner Kompressionsstrümpfe oder vielleicht nur ein wenig Unterstützung beim Kleidungswechsel. Bei einem anderen muss dagegen die Körperpflege komplett übernommen werden.
Dann folgt die Behandlungspflege wie etwa mit Toilettentraining oder Mobilisation. Auch das Anlegen von Kompressionsverbänden oder die Wundversorgung gehören zur täglichen Routine. Dazu kommen die unterschiedlichen Prophylaxen. Zudem bereiten wir Mahlzeiten vor und reichen sie an, kümmern uns um das Richten, Prüfen und Verabreichen von Medikation. Wir prüfen die Vitalwerte und führen verschiedene Therapien durch, wie zum Beispiel die Lagerungstherapie, damit sich die Klienten nicht wundliegen.
Auch Arztvisiten gehören zu unserem Alltag. Dann gehen wir mit dem Arzt mit und erklären, ob und wie sich der gesundheitliche Zustand unserer Bewohner in letzter Zeit verändert hat. Deshalb ist die Dokumentation unserer Tätigkeit und unsere Beobachtung auch so wichtig. Wir planen Arzttermine und kümmern uns um die Visiten externer Experten, führen Angehörigengespräche und verantworten die Ein- und die Ausfuhrkontrolle.
Das ist schon eine ganze Menge. Welche Aufgabe bereitet Ihnen dabei die größte Freude?
Der ganze Umgang mit den Menschen, die Dankbarkeit und auch das Vertrauen, welches man bekommt, sei es nun von den Angehörigen oder den Bewohnern.
Oder, wenn sich die Bewohner in ihrer Mobilität steigern. Wenn sie sich vorher nur mit dem Rollstuhl fortbewegen konnten und nach kurzer Zeit durch die Krankengymnastik, unsere Prophylaxen und unsere Arbeit wieder laufen können. Das sind schon sehr bewegende Momente, die einem in Erinnerung bleiben.
Und wo liegen die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist die Verantwortung, welche man als Pflegefachkraft trägt und das Zeitmanagement, alle Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Dass man allem und jedem gerecht wird und auf die Bedürfnisse der Bewohner adäquat eingehen kann.
Wie könnte man dem Mangel an Pflegekräften in Deutschland aus Ihrer Sicht entgegenwirken?
Als Erstes müsste man die Wertschätzung steigern, weil sie leider immer noch oft fehlt. Dann müsste sich eine einheitliche Regelung bilden, damit sich beispielsweise die Wochenstunden auf eine 35-Stunden-Woche reduzieren. Aufgrund der physischen und psychischen Belastung schaffen es viele leider nicht, hundert Prozent zu arbeiten, obwohl sie das gerne machen würden. Mit einer reduzierten Arbeitswoche und mehr Personal würde sich diese Situation etwas besser ausgleichen.
„Es ist schon Bewegung drin, aber es muss noch viel passieren“
Was sicherlich auch ein Anreiz für viele wäre, wären Weihnachts- und Urlaubsgeld. Das gilt meiner Meinung nach auch für die steuerfreien Zuschläge und das Renteneintrittsalter. Mit einer etwas besseren Vergütung, Wertschätzung und Anerkennung würden vielleicht auch viele, die den Beruf verlassen haben, wieder zurückkommen.
Was würden Sie angehenden Pflegefachkräften mit auf den Weg geben?
Dass es ein wunderschöner Beruf ist, welchen sie auf jeden Fall machen sollten, und dass die Zeit auch kommen wird, in der sich etwas verändert. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben.
Mit dem Ausbruch der Pandemie wurden viele Probleme sichtbar. Hat sich seitdem etwas verändert?
Ja, es ist schon Bewegung drin. Aber es muss noch viel passieren. Jeder, der geht, ist einer zu viel.
Ist ein Beruf in der Pflege zukunftsträchtig?
Auf jeden Fall! Heute wie Morgen, wird er immer zukunftsträchtig sein. Die Leute werden immer älter und somit werden wir auch immer gebraucht werden.