AC/DC – eine Rocklegende wird 50. Ihr 1980 verstorbener Sänger Bon Scott gilt als einer der größten Frontmänner aller Zeiten. FORUM blickt zurück auf die Zeit, als die Band mit ihrem markanten Sound den Hardrock revolutionierte.

Das Jahr 1973 ist ein Meilenstein in der Geschichte der Rockmusik: Die schottischen Brüder Malcolm und Angus Young gründen in Sydney AC/DC – zusammen mit dem amerikanischen Bassisten Larry Van Kriedt, dem walisischen Sänger Dave Evans und dem australischen Schlagzeuger Colin Burgess. Schon bei ihrem ersten Gig am Silvesterabend hat der minderjährige Angus sein charakteristisches Bühnenoutfit angelegt – eine Schuluniform. Die Idee dazu stammt von seiner Schwester Margaret. Ein Glück, dass sich Youngs ursprüngliche Kostümideen nicht durchgesetzt haben: Spider-Man, Zorro, ein Gorilla und eine Parodie auf Superman namens Super-Ang.
Die Brüder entdeckten die Abkürzung AC/DC auf Margarets Nähmaschine. Im Englischen steht sie für Gleichstrom/Wechselstrom, sie ist aber auch ein Slang-Begriff für „so rum/anders rum“. Bereits im Sommer 1974 macht die Nachwuchsband das Auswanderer-Paradies Sydney unsicher. Dem amtierenden Sänger David Evans fehlt aber das gewisse Etwas.
Name stammt von einer Nähmaschine
Bei einem Spontanauftritt in Adelaide zeigt der quirlige Schotte Ronald Belford Scott alias Bon Scott (schönes, prächtiges Schottland) den Bandchefs, dass er einfach der bessere Frontmann ist. Dank einer Stimme, die wie ein kratziger heiserer Schrei kurz vor einem Hustenanfall und dennoch warm klingt. Mit seinem Charisma gibt er jedem einzelnen Fan in der Menge das Gefühl, er stehe einzig und allein für ihn auf der Bühne. Der 1,73 Meter große Schulabbrecher kann einen Pub in eine Arena verwandeln. Und er liebt das Leben. Diesen Frohsinn will Bon Scott an andere weitergeben.
Die knackige und melodiöse Musik der fünf Pubertierenden mit ihren hintersinnigen Texten über die Freuden des Lebens ist neu, laut und enthusiastisch. Die Bengels von AC/DC wollen aus dem Rock’n’Roll keine Wissenschaft machen, ihnen reicht ein einziges Riff. Aber: Es muss genial sein.

Als Malcolm und Angus ihrem älteren Bruder und Produzenten George Young davon berichten, dass sie mit Bon Scott ihren idealen Shouter gefunden haben, hält er die beiden zuerst für verrückt: „Bon hatte einen Ohrring, an dem ein Haigebiss hing, hatte einige Zähne bei Kneipenschlägereien verloren, war von oben bis unten tätowiert und sah aus, als hätte er schon so einiges erlebt.“ Doch dem Profi George Young (The Easybeats) wird schnell bewusst, dass Scott genau die richtige Wahl ist. Mit ihm sind AC/DC endlich eine Rock’n’Roll-Band. Für die Gigs, zu denen immer viele Teenies kommen, muss Scott sich anfangs seine Tattoos übermalen.
Sprüche wie: „Väter, sperrt eure jungfräulichen Töchter weg, wenn wir in der Stadt sind“, kommen im konservativen Australien der 70er-Jahre nicht gut an. So muss sich die rauflustige Truppe immer wieder mit Auftrittsverboten herumplagen oder zusehen, dass sie irgendwo im Vorprogramm spielen kann. Doch zu Gentlemen wollen sich die Halbwüchsigen, die ihrem Publikum auch schon mal das blanke Hinterteil zeigen, einfach nicht erziehen lassen. Legendär ist die Prügelei, die sich die AC/DC-Gang 1975 beim Sunbury Festival in Melbourne mit den Deep-Purple-Roadies liefert und bei der 20.000 Rockfans begeistert zusehen.

Bon Scott, der Interpret nicht gerade subtiler Hardrock-Hymnen wie „Whole Lotta Rosie“ oder „Problem Child“, ist ein Meister des Exzesses. Er krächzt seine Macho-Sprüchlein wie ein Kolkrabe: „Rock’n’Roll hält dich fit! Alkohol, wilde Groupies, Schweiß auf der Bühne, schlechtes Essen, das alles bringt einen unheimlich nach vorne!“ Von diesem zweifelhaften Lebensstil ist der Sänger felsenfest überzeugt.
Schnoddrig, herb und einfach sympathisch
In Europa werden AC/DC anfangs gründlich missverstanden und der aufkeimenden Punkbewegung zugerechnet. Einmal spielen sie in einem kleinen Pub in Nordengland. Der geradlinige Hardrock kommt bei den anwesenden Punks nicht gut an. Die ersten wollen schon gehen, als Angus Young über sein Gitarrenkabel stolpert und alle Viere von sich streckt. Nach kurzem Stutzen lässt er unter wilden Zuckungen seine Gitarre jaulen und sägen. Das Publikum ist aus dem Häuschen. Young beendet den Abend auf einem Tisch – mit einem 45-minütigen Solo auf zwei Saiten.

Mit dem dritten Album „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ wendet sich das Blatt 1977 schlagartig. AC/DC machen nun mit ihrem für damalige Zeiten revolutionären Hardrock-Sound Furore. Der schnoddrige, manchmal recht herbe, aber irgendwie auch hochsympathische Straßenjunge Bon Scott ist zum Idol einer Generation grölender und feierwütiger Kids geworden. Jedoch geht der Aufstieg der Band einher mit dem Abstieg ihres Frontmanns. Aus dem hoffnungsvollen Entertainer, der auch schon mal im Tarzan-Look an einem Seil über die verdutzten Köpfe des Publikums hinweg schwingt, ist Ende der 1970er ein tragischer Rock-Clown, ein schwerer Alkoholiker geworden, mit bleicher Haut, zusammengefallenen Gesichtszügen und rostig-rauchiger Stimme. Erschöpft von den aufreibenden Tourneen, die kein Ende nehmen wollen, fällt er immer tiefer in Depressionen.

„Ich fange an, mich ein bisschen ausgezehrt zu fühlen und so auszusehen“, schreibt er 1978 an seine Schwester Valerie. „Ich würde gern eine Kur machen, aber nach dieser Tour geht es direkt nach Europa und England für einen Monat. Und dann kommen wir wieder hierher zurück für die Winter-Tour. Das nächste Mal, dass du mich siehst, könnte auf einer geriatrischen Station sein.“
Notarzt stellte nur noch den Tod fest
„Highway to Hell“ von 1979 ist das erste Album, bei dem Bon Scott nicht einfach nur drauflos schreit. Die „Autobahn zur Hölle“ wird zu seinem größten künstlerischen Triumph – und seinem Schwanengesang. Am 16. Januar 1980 spielen AC/DC im französischen Poitiers. Anschließend sollen in London die Vorbereitungen für das nächste Album „Back in Black“ beginnen. Wie es die Tradition verlangt, veranstaltet Scott am 19. Februar wieder eine seiner legendären nächtlichen Sauftouren durch Londoner Pubs und Clubs.

Im Schlepptau ist sein Kumpel und Mitbewohner Alistair Kinnear. Bereits nach zwei Stunden ist Scott sturzbetrunken. Kinnear gelingt es, den bewusstlosen Rockstar ins Auto zu zerren. Er parkt den R5 vor der gemeinsamen Wohnung in South London und lässt Scott in seinem deliranten Zustand auf dem Rücksitz weiterschlafen. Als der sich am darauffolgenden Nachmittag noch immer nicht gemeldet hat, bekommt Kinnear es mit der Angst zu tun und sieht nach dem Rechten.
Bon Scotts Kopf ist über die Lehne gebeugt. Überall Erbrochenes. Der Notarzt kann nur noch den Tod feststellen. Scott ist erstickt, er wurde nur 33 Jahre alt. Nach der Obduktion im King’s College Hospital erfahren seine Eltern und seine Kollegen von AC/DC, wie es wirklich um ihn bestellt war: Die Leber vom Alkohol zerfressen, hatte ihm sein Arzt ohnehin nur noch kurze Zeit gegeben. Noch im selben Monat bringt man seine Leiche nach Australien, wo sie am 1. März 1980 auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Fremantle beigesetzt wird.

Johnson riskierte totalen Hörverlust
Zwar hat die Band seinem Nachfolger Brian Johnson ihre größten kommerziellen Erfolge zu verdanken, aber dieser muss sich künstlerisch immer noch an Scott messen lassen. Dem Mann, der vom „Classic Rock Magazine“ posthum auf Platz eins einer Liste der „100 Greatest Frontmen of All Time“ eingestuft wurde. Scott selbst würde sich darüber wahrscheinlich schieflachen.
Der heute 75-jährige Brian Johnson hat den Rock’n’Roll-Zirkus zwar überlebt. Doch im April 2016, während der „Rock or Bust World Tour“, gab AC/DC seinen Ausstieg bekannt und begründete dies mit Hörproblemen: Johnson riskiere einen totalen Hörverlust, wenn er weiterrocke. „Ich konnte es kaum glauben. Das Gehör kam zurück“, sagt der Sänger heute. Am 7. Oktober dieses Jahres spielte AC/DC beim „Power Trip“-Festival im kalifornischen Indio ihre Comeback-Show – mit einem offensichtlich genesenen Brian Johnson.