Hondas erstes E-Auto, der Kleinwagen „e“, war ein Flop. Jetzt legt der japanische Hersteller mit dem SUV „e:Ny1“ nach. Doch nicht nur der Name sorgt für Stirnrunzeln.
Autotester können gnadenlos sein. „Reisen im Schnitzeljagd-Modus“ und „Rätsel auf Rädern“ sind noch die milderen Urteile, die die Zunft über den Honda e:Ny1 fällt. Manche fragen: „Was habt ihr euch dabei gedacht, Honda?“ oder stellen „1.000 Kilometer im derzeit schlechtesten E-Auto“ in Aussicht. Der Kollege der „Süddeutschen Zeitung“ spricht von einem „Leidensbericht nach 1.500 Kilometern Testfahrt“. So viel Häme weckt meine Neugier. Kann ein fabrikneues Fahrzeug wirklich so schlimm sein? Oder schießt sich die Meute hier reflexartig auf Stromer-Neuling Honda ein? Immerhin ist der e:Ny1 erst das zweite Elektroauto der Marke. Das erste, der Kleinwagen „e“, verkaufte sich so schlecht, dass es in Deutschland nicht mehr angeboten wird.

Wie gut oder schlecht ist der e:Ny1 also wirklich? Optisch muss er sich nicht vor der Konkurrenz verstecken. Mit seiner schlichten Front, den schmalen Scheinwerfern und einer durchgehenden Heck-Lichtleiste sieht er sportlich aus, ohne prollig zu wirken. Die wuchtigen 18-Zoll-Räder stehen ihm gut. Ganz anders der Name. Japanische Hersteller haben neuerdings ein Faible für das Unaussprechliche, siehe Toyota bZ4X. Bei Honda wiederum steht e:Ny1 für die englischen Begriffe „energize“ (aufladen, in Schwung bringen), „new“ (neu) und „yourself, your life and your dream“ (dich, dein Leben und deine Träume). Die 1 drückt laut Honda aus, dass es sich um das erste E-Auto im B-Segment handelt. Puh! Immerhin, es geht noch schlimmer. Dass selbst Weltkonzerne mitunter vergessen, ein Wörterbuch zu konsultieren, zeigen etwa der Hyundai Kona (Geschlechtsorgan im Portugiesischen) oder der Mitsubishi Pajero (Vulgärausdruck in Südamerika). Viel wichtiger als ein Titel ist aber ohnehin, was ein Auto kann – und da bringt mich der e:Ny1 direkt nach dem Einsteigen ins Grübeln.
Zwar sind die Kunstledersitze bequem und die Bedienelemente verständlich. Als ich mein Smartphone jedoch in die induktive Ladestation lege und es mit dem Auto verbinden möchte, erscheint prompt eine Fehlermeldung: „Gerät nicht kompatibel.“ Das ist ein Novum. In all meinen Autotests konnte ich bisher immer das Handy mit dem Auto koppeln, um Podcasts zu hören und freihändig – und damit legal – zu telefonieren. Kurz darauf die Kehrtwende: Als mein Handy klingelt, erscheint auf dem Hauptdisplay die Nummer meiner Eltern. Anscheinend hat sich das Gerät trotz gegenteiliger Anzeige mit dem Auto verbunden. Auch die Musikwiedergabe läuft reibungslos. Ein Mysterium.

Der 15 Zoll große Hauptbildschirm ist fest in drei Elemente unterteilt. Oben befindet sich das Navi, darunter ein Feld, das wahlweise die Musik-, Telefon- oder Fahrzeugeinstellungen anzeigt. Das untere Drittel ist der Klimatisierung vorbehalten. Mir gefällt diese Dreiteilung, weil dadurch ein umständliches Hin- und Herwischen auf dem Touchscreen entfällt. Zwar ist die Landkarte dadurch kleiner als bei der Konkurrenz, die bessere Bedienbarkeit wiegt dieses Manko aber auf.
Mein erster Fahrabschnitt führt mich gen Süden. „Navigiere von Bonn nach Karlsruhe“, instruiere ich das Navi per Sprachbefehl. Ein paar Sekunden später bestätigt eine freundliche Stimme die Eingabe, merkt aber zugleich an: „Aktuelles Ziel kann nicht ohne das Aufladen des Fahrzeugs erreicht werden.“ Ganz verwunderlich ist das nicht, denn der e:Ny1 kommt zwar auf dem Papier 412 Kilometer weit mit einer Akkuladung. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass man in der Realität etwa ein Drittel von den Hersteller-Versprechungen abziehen muss. Die 280-Kilometer-Strecke bis Karlsruhe liegt folglich ziemlich genau am Reichweitenlimit.
Übereifriger Notbremsassistent

So weit, so gewöhnlich. Die wirklich wichtige Info, wo man denn unterwegs laden soll, liefert das Navi allerdings nicht. Wie sich herausstellt, kann es zwar Ladesäulen in unmittelbarer Umgebung anzeigen. Eine echte Routenplanung mit Ladestopps aber fehlt – enttäuschend für ein Elektroauto im Jahr 2025. Dass diverse Konkurrenten, beispielsweise aus dem Stellantis-Konzern, eine solche Funktion ebenfalls vermissen lassen, macht es nicht besser. Für die Wettbewerber aus China und Südkorea sind solche Funktionen längst Standard, und das sollten sie auch sein.
Also doch wieder anhalten und zum Handy greifen. Was direkt zum nächsten Manko führt: der Rückfahrkamera. Vorbildlich, dass Honda ein solches Helferlein serienmäßig anbietet. Die Auflösung wirkt jedoch unscharf und körnig, wie die Bilder einer Digitalkamera um die Jahrtausendwende. Hier spart der Hersteller definitiv am falschen Ende.
Apropos Ausstattung: Für den e:Ny1 gibt es genau zwei Varianten. Die erste kostet 38.990 Euro. Sie umfasst das Navi, die Einparkhilfen, eine Sitzheizung sowie 18-Zoll-Leichtmetallfelgen. Auch eine sogenannte Ambientebeleuchtung – blaue Lichtleisten in den Türverkleidungen und im Armaturenbrett – ist immer an Bord. Das Advance-Paket für 41.990 Euro enthält zusätzlich eine 360-Grad-Kamera, eine elektrische Heckklappe, ein Panorama-Glasdach, ein beheizbares Lenkrad und ein automatisches Parksystem. Sonderlackierungen wie bei meinem Testwagen kosten extra. Für diesen Preis bietet der Honda einen geräumigen Innenraum, klassenüblichen Platz im Kofferraum und Rücksitze, auf denen Menschen bis 1,85 Meter bequem reisen. Einen weiteren Stauraum unter der Motorhaube, den sogenannten Frunk, gibt es nicht.
Kein Stromfresser, kein Sparweltmeister
Die nächste Überraschung folgt ein paar Kilometer weiter. Als ein junger Mann an einer Bushaltestelle vorbeigeht, identifiziert der e:Ny1 diesen offenbar als Gefahr. Obwohl der Fußgänger klar neben der Straße läuft, legt der Wagen eine Vollbremsung hin! Ein solcher Notbremsassistent soll Menschen, die vors Auto laufen, schützen – in diesem Fall verursacht er aber grundlos fast einen Auffahrunfall. Zum Glück reagieren die Autos hinter mir schnell, und der Bremsvorgang lässt sich durch Betätigung des Strompedals unterbrechen. Trotzdem jagt mir die Aktion einen gehörigen Schrecken ein. Solche „Phantombremsungen“ kannte ich bisher nur von Tesla, wenngleich sie mir dort eher auf der Autobahn passiert sind, wenn der Wagen einen Schatten für ein Hindernis hielt.
Andere Assistenzsysteme wie der Spurhalter oder die Verkehrszeichenerkennung funktionieren einwandfrei. Auch Staus werden auf der Autobahn zuverlässig angezeigt. Während ich im Öko-Modus unterwegs bin, pendelt sich der Verbrauch bei Werten um die 20 Kilowattstunden ein. Ein Stromfresser ist der Honda nicht, ein Sparweltmeister aber genauso wenig. Hinzu kommt, dass er weder über eine Wärmepumpe noch über eine Vorkonditionierung der Batterie verfügt. Darunter versteht man, dass der Akku kurz vorm Erreichen einer Ladestation vorgewärmt wird, wodurch der Ladevorgang schneller abläuft. Doch selbst wenn der e:Ny1 eine solche Batterieheizung hätte: Da das Navi keine Ladestopps einplant, wäre sie ohnehin nutzlos.

Am Schnelllader angekommen, lässt es der e:Ny1 gemütlich angehen. Eine Dreiviertelstunde braucht er, um seinen Akku von fünf auf 80 Prozent aufzufüllen. Das ist kein Weltuntergang, aber weit vom branchenüblichen 30-Minuten-Standard entfernt. Konkurrenten wie beispielsweise der Volvo EX30 oder auch der BYD Atto 3 sind an der Ladestation schneller.
So ist es auch mit dem Gesamteindruck: Hätte der e:Ny1 einen Verbrennungsmotor, könnte man wenig an ihm aussetzen. Platz- und Preisverhältnisse gehen in Ordnung, ebenso Bedienung und Komfort. Aber er schwächelt eben genau bei den Dingen, die für einen Stromer wichtig sind – schade, Honda!