Im Senegal hat ein neues, riesiges Hotel eröffnet. Mehr vom Land sieht man, wenn man es auch mal verlässt und auf Entdeckungsreise durch die umliegenden Ortschaften und Landstriche geht.

Der Lkw bugsiert mit himmlischem Beistand durch den Verkehr von Mbour, unter der Frontscheibe steht in bunten Buchstaben Alhamdulilah. Er lässt eine Zebuherde passieren, überholt Pferdekarren, ein Quad staubt vorbei, zwei SUVs überholen. Menschen, überall Menschen. Sie stehen vor Läden, die Geld transferieren. Vor Gemüseständen, Plastikkramanbietern, T-Shirt-Shops. Sie eilen beladen voran. Sie hängen im Schatten ab. So sehen die Dörfer im Senegal aus, die an den Fernstraßen liegen.
Und dann gibt es Dörfer wie Dioral oder Pointe Sarène. Eine Sandpiste führt nach Dioral. Rundhütten stehen beisammen, ein Baum spendet Schatten. Kinder drängen sich um uns. Roter Sand legt sich auf alles. Frauen zerstoßen Hirse mit langen Stangen, rhythmisch in hohlen Baumstämmen. Es scheint wenig Gegenstände zu geben. Einige Plastikeeimer, metallene Waschschüsseln, bunte Kleidung, traditionell und modern.
Kleines Fischerdorf ganz in der Nähe

Doch die bäuerliche Welt und die moderne Zeit verzahnen sich im Senegal wie Wasser und Land im Mangrovenwald von Sine-Saloum. Eines ragt ins andere hinein, die Pferdekarren fahren auf Teerstraßen und Smartphones klingeln in der Rundhütte. Eng zusammengerückt sind beide Welten in Pointe Sarène, einem Fischerdorf an der Petite-Côte. Denn keinen Kilometer davon entfernt eröffnete dieses Jahr das „Riu Baobab“, das größte Hotel des Senegals. 500 Zimmer, vier Pools, all-inclusive, 250 Arbeitsplätze.
Die Riu-Hotelkette präsentiert der Presse ihr erstes Hotel in Westafrika. Ich bin nach nebenan gefahren, zu Michel Sarr, Dorfchef von Pointe Sarène. Die Sapco, die Société d’Aménagement et de Promotion des Côtes et zones touristique du Sénégal treibt den Tourismus voran; Arbeitsplätze sind hier rar. Michel Sarr wurde 1984 Dorfchef, wie zuvor sein Vater und sein Großvater. Der Ort trage ihren Namen, sagt er, eben Sarène. Wir treffen uns auf der Terrasse seines Hauses, mit pinken Bougainvilleas an der Balustrade. Sarr, ein freundlicher Mann mit bodenlangem Boubou und goldener Uhr, sagt, das Hotel sei gut für sein Dorf. „Einige haben dort Arbeit gefunden. Die Migration hat deutlich abgenommen.“ Er erhoffe sich vom Nachbarn Unterstützung beim Aufbau einer Klinik und bei der Müllbeseitigung am Strand.
Das Dorf versorgt das Hotel

Das Dorf döst. Vor einer Schneiderei bügelt ein junger Mann einen bunten Boubou. Mit einem kohlegefüllten Bügeleisen. Ein Mädchen holt sich im Laden etwas zum Naschen. Bunte Fischerboote fahren gerade raus. Außer mit Arbeitskräften versorgt das Dorf das Hotel mit Fisch, Gemüse und Eiern. Zulieferer kaufen auf, was der Markt hergibt und bringen es ins Hotel. Einer der neuen Händler ist Sarrs Neffe, und er muss einiges beschaffen: Die Hotel-Bäckerei verbraucht jeden Tag 300 Eier, dazu bis zu 200 Kilo Mehl und 100 Kilo Zucker. In der Großküche werden täglich 160 Kilo Fisch und 120 Kilogramm Meeresfrüchte verarbeitet.
Zum Abendessen im Hotel wird der über 80-jährige Amadeou Loum Diagne eingeladen, er hat Riu das Grundstück verkauft. Wir erwarten einen alten Herrn; vielleicht ein Hirte, der das Land seiner Familie veräußerte? Doch dann tritt ein propperer Mann mit fröhlich-frischem Gesicht an den Tisch: „Guten Abend“, sagt er grinsend auf Deutsch. Loum Diagne hat in den 1970ern in München Germanistik studiert. Sein Vater war ein senegalesischer Beamter in der Kolonialzeit, dass der Sohn in München studierte, hatte mit Stipendien zu tun. Er stieg bald ein ins Finanzwesen und in die Hotellerie. „Ich liebe Gastlichkeit und das Reisen“, sagt er.

Das heutige Riu-Grundstück habe er gekauft, weil es einen fantastischen Strand habe. Außerdem kaufte er noch den ehemaligen „Club Med“ in Dakar, am westlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents gelegen, in Almadies. Dort wird er ein Sheraton mit 250 Zimmern bauen lassen. Es soll zur Jugend-Olympiade 2026 fertig werden. Bis dahin würden auch die Öl- und Gasvorkommen vor der Küste gefördert, ist er sich sicher. Amadeou Loum Diagne schaut zuversichtlich auf sein Land, das bekannt ist für eine stabile Demokratie: „Die Zukunft Senegals leuchtet strahlend.“
Wochenende im Riu Baobab: Jetzt sind die Weißen aus Europa in der Minderheit. Die Oberschicht aus Dakar ist angereist, der Parkplatz ist rappelvoll mit SUVs und Luxusautos. Das Doppelzimmer kostet für zwei Nächte für zwei Personen 400 Euro.
Wieviel die Riu-Mitarbeiter verdienen, will Hoteldirektor Mohamed Naoui nicht beziffern. Senegals Mindestlohn beträgt in der Landwirtschaft 2,40 Euro – an einem Acht-Stunden-Tag. Ein Lehrer kann mit etwa 350 Euro im Monat rechnen. Naoui sagt, Riu bezahle immer mehr, als die Regierungen des jeweiligen Landes vorschreiben. „Wir lernen die Leute an, und wir wollen, dass sie bleiben.“
Ausflug in die Sklavengeschichte

Das Müllproblem im Senegal belastet auch das Hotel. Mancherorts breitet sich ein Plastik- und Schmodder-Teppich aus. Das Riu reinigt seinen Strand viermal täglich. Der hauseigene Müll wird von Sapco zur Müllverbrennungsanlage gekarrt. Und woher kommt das Wasser in diesem monatelang dürren Land? „Wieso soll die Wasserversorgung ein Problem sein?“ sagt der technische Leiter schnippisch. „Wir bekommen es von der Sapco, das klappt prima, da gibt es überhaupt kein Problem.“ Das ist aber nicht überall im Land so, wie ein Ausflug zur Muschelinsel Fadiouth zeigt, auf der Christen und Muslime zusammenleben. Dorthin rumpelt über die Holzbrücke vom Festland ein Eselskarren, die Ladefläche beladen mit gut zwanzig gelben 25-Liter-Kanistern. Es gibt zwar Brunnen und in einigen Häusern fließendes Wasser. Aber gegen Ende der Trockenzeit reicht das Wasser nicht mehr. Ein Kanister mit Wasser kostet 100 CFA, etwa 1,50 Euro.
Fragt man die Führungskräfte im Hotel, was sie vom Senegal kennen, hört man von ihnen nichts. Sie kennen das Land nicht. Direktor Naoui war „mal in Dakar, Verträge unterschreiben“. Dabei würde es sich natürlich lohnen, um sich ein Bild zu machen vom Gastgeberland. Mal in ein Dorf zu fahren, in das nur Schotterpisten führen. Oder zumindest ein Ausflug auf die Insel Gorée, ein Symbol für die Verschleppung von Sklaven. Die 20-minütige Überfahrt auf der übervollen Fähre gleicht einer heiteren Sonntagstour. Selfie-Time! Doch die Guides erzählen die düstere Geschichte: An der Küste wurden die Sklaven gefangen gehalten. Wenn sie dann verschifft werden sollten, ging es durch eine aufs Meer führende „Tür ohne Wiederkehr“. Eines der schlimmsten Menschheitsverbrechen fand hier an den Küsten statt.
Ein Guide sagt: „Bestimmt hatte ich hier Vorfahren. Wir vergeben, aber wir vergessen nicht.“ Als 1977 die Fernseh-Serie „Roots“ ausgestrahlt wurde, habe das einen Boom ausgelöst, Afroamerikaner kamen auf der Suche nach ihren Wurzeln. Seit dem 11. September 2001 komme fast niemand mehr, der Senegal ist ein säkulärer Staat, aber ein muslimisch geprägtes Land. An der Hotel-Rezeption liegt eine Liste mit Ausflügen. Man muss sich nicht fürchten: Bei diesen Touren schaut man aus den klimatisierten Autos auf die Lebenswirklichkeit des Senegals. Steigt man aus, kommt man nur kurz ins Schwitzen. Afrika für Einsteiger.