Unter der Herrschaft von Peter dem Großen wurde Russland zu einer der führenden Mächte Europas. Er modernisierte das russische Militär, die Verwaltung und die Wirtschaft, orientierte sich an westlichen Vorbildern und führte gesellschaftliche Veränderungen durch. Er starb am 8. Februar 1725.

Es war ein Spätsommerabend im Jahr 1698. Zar Peter I., heimgekehrt von einer mehrmonatigen Westeuropareise, hatte zum Empfang in den Palast geladen. Auf die zahlreichen Würdenträger wartete nicht nur ein Festmahl, sondern zu ihrer großen Überraschung auch eine Rasur. Der russische Monarch selbst fungierte als Barbier und schnitt nahezu allen hochrangigen Gästen die Bärte ab. In der Folgezeit war bei der Tafel des Zaren immer ein Bediensteter anwesend, um jedem Bartträger noch während des Essens die Haare zu stutzen. Peter I. betrachtete das Rasieren der Bärte als sichtbares Zeichen für Modernisierung und eine Abkehr von traditionellen, konservativen Werten. Wenig später wurde eine Bartsteuer eingeführt, um die russische Gesellschaft an westliche Gepflogenheiten anzupassen.
Die Maßnahme war nur eine von vielen „Petrinischen Reformen“, die ihm – neben seiner Körpergröße von über zwei Metern – den Beinamen „der Große“ eintrugen. Unter seiner Herrschaft wurde das russische Reich zu einer der stärksten Weltmächte. Der ehrgeizige Regent führte nicht nur jahrelang Krieg, um das Imperium immer weiter auszubauen, sondern modernisierte auch Militär, Verwaltung, Wirtschaft und Kirche. Als Vorbilder dienten ihm dazu jene Länder, die er im Rahmen der „Großen Gesandtschaft“ bereiste. Der Zar hatte sich mit der diplomatischen Mission Großes vorgenommen: Er wollte einerseits Bündnisse gegen das Osmanische Reich schmieden, mit dem Russland seit Jahren in Konflikt stand, und andererseits die modernsten Technologien, Wissenschaften und militärischen Errungenschaften Europas erkunden.
Mit einer beeindruckenden Delegation von mehr als 300 Personen, darunter Diplomaten, Adlige, Handwerker und Militärs, begann die Reise im März 1697. Der russische Monarch reiste dabei unter dem Decknamen „Peter Michailow“, als vermeintlich einfacher Offizier, um sich ungestört bewegen und direkt von europäischen Experten lernen zu können. Doch für viele europäische Höfe war es ein offenes Geheimnis, dass der Zar selbst Teil der Reisegruppe war.
Äußerste Härte gegen aufständige Strelitzen

In den Niederlanden, dem damaligen Herzstück des internationalen Handels und der Schiffbaukunst, lernte Peter I. nicht nur die Theorie, sondern packte in der Werft von Zaandam selbst mit an, um die Feinheiten des Schiffbaus zu verstehen. In Königsberg ließ er sich auf ein ungewöhnliches Abenteuer ein: Inkognito als „Pjotr Michailow“ meldete er sich zu einem Artilleriekurs. Mit bemerkenswerter Leidenschaft und Neugier vertiefte er sich in die Geheimnisse von Kanonen, Geschossen und Schießpulver. Am Ende des Kurses überreichte ihm sein Lehrer ein Diplom auf edlem Pergament, das ihn als Meister seines Fachs auszeichnete.
Auch in England, wo er König Wilhelm III. traf, ließ sich Peter I. von den neuesten Technologien und wissenschaftlichen Entwicklungen inspirieren. Der Aufenthalt bei Kaiser Leopold I. in Wien Ende Juli 1689 entpuppte sich als außenpolitisches Fiasko. Nach jahrelangen verlustreichen Kämpfen hatten die Habsburger ihre Konflikte mit den Osmanen beigelegt und waren nicht bereit, diese neu zu entfachen.
In Wien endete die Große Gesandtschaft: Anstatt wie geplant nach Italien weiterzureisen, wurde der Zar nach Russland zurückgerufen, um einen Aufstand der Strelitzen niederzuschlagen. Es war nicht das erste Mal, dass sich die Eliteeinheit in die Politik einmischte, doch es war das letzte Mal: Peter der Große bekämpfte die Aufständischen mit äußerster Härte, löste die Strelitzen auf und ersetzte sie durch eine moderne Armee nach westlichem Vorbild.

Obwohl das zentrale Ziel – ein Bündnis gegen das Osmanische Reich – nicht erreicht wurde, war die Große Gesandtschaft ein entscheidender Wendepunkt für Russland. Peter I. brachte bahnbrechendes Wissen mit, das er nach seiner Rückkehr entschlossen in Reformen umsetzte. Er gründete eine moderne Marine, führte westliche Technologien ein und überarbeitete die Verwaltung und das Militär grundlegend. Die Folgen waren tiefgreifend: Russland begann, sich in eine europäisch orientierte Macht zu verwandeln.
Die Reise löste auch einen kulturellen Wandel aus: Der Zar führte westliche Kleidung, Bildung und Architektur ein und machte sie zur Pflicht für den Adel. Alte Traditionen sollten weichen, die Bärte ebenso.
Wer hätte gedacht, dass aus dem 14. Kind von Alexei I., Zar und Großfürst von Russland, ein großer Reformator werden würde? Peter erblickte am 9. Juni 1672 im Moskauer Kreml das Licht der Welt. Als sein Vater starb, kam zunächst Peters Halbbruder Fjodor III. auf den Thron. Dieser war jedoch gesundheitlich stark geschwächt und regierte nur wenige Jahre, bevor er im Alter von 20 Jahren starb. Ein Streit um die Thronfolge zwischen zwei konkurrierenden Familien innerhalb des Hofes führte dazu, dass Iwan, ein Epileptiker, außerdem augenleidend und geistesschwach, und Peter zu Zaren ernannt wurden. Da die beiden noch Kinder waren, übernahm zunächst Iwans Schwester und Peters Halbschwester Sophia die Regierungsgeschäfte. Um ihre eigene Macht zu sichern, schmiedete sie mithilfe der Strelitzen einen Mordkomplott gegen Peter. Der Plan scheiterte jedoch. Sophia wurde entmachtet und ins Kloster verbannt.
Eigener Sohn wegen Hochverrats angeklagt

Somit gilt 1689 als Antrittsjahr von Peter dem Großen. Iwan nahm kaum Einfluss auf die Politik und starb bereits 1696. Eine wichtige Rolle spielte hingegen Natalja, Peters Mutter. Die beiden waren nach der Machtübernahme von Fjodor III. in ein abgelegenes Dorf geschickt worden, um sie vom politischen Geschehen am Zarenhof fernzuhalten. Die konservative Natalja unterstützte Peter bei der Machtübernahme und arrangierte auch dessen erste Ehe. Die Beziehung von Peter mit der drei Jahre älteren Jewdokija Lopuchina, die aus einer vornehmen, dem niederen Adel angehörenden Familie stammte, stand unter keinem guten Stern: 1690 kam Sohn Alexei zur Welt, ein weiteres Kind starb nach wenigen Monaten. Nach wenigen Jahren war die Ehe zerrüttet und der Zar schickte seine Ehefrau ins Kloster.
Sein Erstgeborener kam 1718 unter ungeklärten Umständen zu Tode. Alexei war wegen Hochverrats angeklagt worden, nachdem er sich Peters Reformen widersetzt und ins Ausland geflohen war. Der Vater ließ seinen Sohn zurück nach Russland holen und zwang ihn, auf seine Thronansprüche zu verzichten. Während der folgenden Ermittlungen wurde Alexei brutal verhört, um mögliche Verschwörungen aufzudecken. Obwohl die offizielle Todesursache nicht eindeutig ist, wird allgemein angenommen, dass er an den Folgen der Folter oder einer absichtlich herbeigeführten Vergiftung starb.
St. Petersburg als „Fenster nach Europa“

Zwölf weitere Kinder zeugte Peter der Große mit seiner zweiten Ehefrau Martha Skawronskaja, später Katharina I. Sie war lange Zeit die Geliebte des Zaren, bevor er sie 1712 heiratete. Das Schicksal blieb hart: Nur zwei Töchter aus dieser Beziehung erreichten das Erwachsenenalter. Nachdem Peter dem Großen 1721 der Kaisertitel verliehen worden war, wurde wenig später Katharina zur Kaiserin gekrönt. Diesen Titel trug sie auch, nachdem sie – mangels eines männlichen Thronfolgers und nach einigen Ränkeleien – nach dem Tod ihres Gemahls den Thron bestieg.
Einige Monate zuvor war der gesundheitlich angeschlagene Kaiser bei der Rettung schiffbrüchiger Matrosen durch eiskaltes Wasser gewatet, was zu einem schweren Blasen- und Nierenleiden führte, an dem er am 8. Februar 1825 starb.
St. Petersburg erinnert heute an die visionären Bestrebungen von Peter dem Großen. 1703 gründete er die Stadt an der Mündung der Newa, um Russland Zugang zu wichtigen Handelsrouten zu verschaffen. Die neue Hauptstadt sollte ein „Fenster nach Europa“ sein sowie ein Symbol für die Petrinischen Reformen. Der Bau auf sumpfigem Boden war mit enormen Schwierigkeiten verbunden, und tausende Arbeiter starben unter extremen Bedingungen. Der Zar holte europäische Architekten, um die Stadt, die bis 1918 die Hauptstadt Russlands blieb, im Barockstil zu gestalten. Heute sind seine Spuren unter anderem in der Peter-und-Paul-Festung, der Eremitage und der Auferstehungskathedrale sichtbar. Sie spiegeln die kulturellen und spirituellen Umbrüche seiner Herrschaft bis heute eindrucksvoll wider.