Deutschland braucht mehr Radwege. Es wäre schön, wenn sich darin alle einig wären. Aber für viele ist Deutschland Autoland und soll es auch bleiben. Dabei haben mehr Rad- und weniger Autoverkehr viele Vorteile – für Mensch und Umwelt.
Die Bundesregierung hat mit ihrem Nationalen Radverkehrsplan 3.0 die Vision „Fahrradland Deutschland 2030“ ausgerufen, mit „mehr, besserem und sicherem Radverkehr“. In dieser Vision steht das Fahrrad für „individuelle, nachhaltige, resiliente, gesundheitsfördernde, zeitlich flexible und kostengünstige Mobilität“. Und ja, all das kann das Rad tatsächlich.
Würde der Radverkehr um 50 Prozent angehoben, könnten gegenüber 2017 drei bis vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Die Treibhausgase und Luftschadstoffe in Städten könnten um 14 Prozent reduziert werden, wenn der Radverkehrsanteil lediglich um zehn Prozentpunkte zulasten des Autoverkehrs steigt. Und dabei haben bereits fast alle Menschen in Deutschland ein Rad.
2020 waren rund 79 Millionen Deutsche im Besitz eines Rades, davon sieben Millionen E-Räder. Ein Jahr zuvor gaben 41 Prozent der Deutschen an, in Zukunft mehr mit dem Rad fahren zu wollen. Was sie davon abhält, ist nicht bloß auf eine Sache zurückzuführen.
Laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr lag 2022 die Zahl der bei Straßenunfällen getöteten Personen bei 2.788 Menschen, darunter 474 Radfahrende. Gegenüber 2019 ist die Zahl der getöteten Radfahrenden um 40 Prozent gesunken, ebenso wie die Anzahl der Straßenverkehrsunfälle insgesamt von 2000 bis 2022. Zwar ist die Zahl derer, die sich im Straßenverkehr mit dem Rad meistens oder immer sicher fühlen gestiegen, trotzdem ist es vielen noch nicht genug. Kein Wunder, denn selbst das Ministerium schreibt in seinem Nationalen Radverkehrsplan, dass lückenlose Radverkehrsnetze eine Ausnahme bleiben und teilweise sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Auch Abstellmöglichkeiten für Räder gibt es nicht genügend und laut Ministerium teils in „sehr unterschiedlicher Qualität“. Und wie so häufig stellt sich die Frage: Woher den Platz nehmen?
Das Ziel der „Vision Zero“ in Berlin
Der Bund will laut seiner Vision Flächen in Deutschland – auch zulasten des Kfz-Verkehrs – neu verteilen. Für den Radverkehr soll durch die Verankerung im Bau- und Planungsrecht ein stabiler Rechtsrahmen geschaffen werden. Bei jedem Neubau sollen Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Co. schon im Vorfeld mitgedacht werden. Das anvisierte geschlossene Radwegenetz glänzt nicht nur mit einem einheitlichen Erscheinungsbild, sondern auch mit mehr Sicherheit: An Hauptverkehrsstraßen soll die Radverkehrsinfrastruktur vom Autoverkehr separiert und barrierefrei sein. Mischverkehr plant der Bund bis 2030 nur noch in Zonen mit niedriger Geschwindigkeit.
Die Länder und Städte arbeiten mit eigenen Programmen daran, den Radverkehr weiter voranzutreiben. So hat Berlin 2018 ein Mobilitätsgesetz (MobG BE) verabschiedet mit einer „Vision Zero“. Diese zielt darauf ab, dass zukünftig keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden mehr in Berlin stattfinden. Subjektive Sicherheit und Zufriedenheit stehen im Mittelpunkt. Dem Radverkehr wird an Knotenpunkten Vorrang gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) eingeräumt.
Auch das Saarland schreibt seit 2011 seinen Radverkehrsplan weiter fort. Ziel ist hier ein flächendeckendes Radwegenetz von rund 1.200 Kilometern. Eine Befragung des saarländischen Verkehrsministeriums hat gezeigt, dass 2021 gegenüber 2017 im Saarland deutlich häufiger mit dem Rad gefahren wurde. Während sich die tägliche Nutzung mit sieben Prozent verdreifacht hat, lag die Zahl von Saarländerinnen und Saarländern, die das Rad mehrmals wöchentlich nutzten bei 30 Prozent – Tendenz steigend. Die meistgenannten Gründe sind die Umwelt, die Gesundheit und dass es Kosten spart. Auch das Sicherheitsgefühl auf saarländischen Straßen ist von 2017 bis 2021 gestiegen. Doch auch das bleibt ausbaufähig.
Auf die Frage, in welchen Bereichen Politik in Bund, Land und Kommune noch mehr für den Radverkehr tun könnten, antworteten 58 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer „mehr Radwege bauen“. Auf Platz zwei der Befragung landete die Forderung, Radverkehr von Autoverkehr zu trennen, auf Platz drei Radfahrende von zu Fuß Gehenden zu trennen. Knapp die Hälfte der Befragten halten die Landes- und Kommunalpolitik für fahrradfreundlich, ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2017. Die Ergebnisse decken sich mit dem bundesweiten Trend.
Bund und Länder haben sich viel vorgenommen, um das „Fahrrad als krisenresistentes Verkehrsmittel“ durchzusetzen und damit den „in der Pandemie hervorgerufenen Mobilitätstrend“ fortzuführen. Spannend bleibt, wer den Kulturkampf auf der Straße gewinnt. Denn Fläche ist nun mal endlich und gewinnen kann die Allgemeinheit nur, wenn Einzelne bereit sind, etwas abzugeben.