Die Zahlen belegen: Das Reisen gehört nach dem Pandemie-Knick und trotz Kriegsgeschehen und Inflationsangst wieder zu den alljährlichen Aktivitäten in Deutschland – mehr als je zuvor.
Trotz Kriegen, Klimawandel und knapper Kassen: Reisen gehört weiterhin entscheidend zu den Lieblingsaktivitäten der Deutschen. Das Jahr 2024 markierte hierbei einen neuen Höhepunkt: Noch nie zuvor packten so viele Menschen ihre Koffer, um mindestens fünf Tage lang Abstand von Alltag und Arbeit zu nehmen. „Seit 2023 übersteigen die Umsätze die des Jahres 2019 – dem bis dahin besten Jahr für die Branche“, so der Deutsche Reiseverband in seiner Datensammlung für das Jahr 2024. Mit 162,1 Millionen Reisen und einem Rekordumsatz von 127 Milliarden Euro markiert das Jahr einen historischen Höhepunkt der Branche. Inzwischen reisen rund vier Fünftel der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr länger weg – und sie geben dafür mehr aus als je zuvor. Zwar liegt die Zahl der Reisen insgesamt noch knapp unter dem Vor-Corona-Niveau, aber bei Haupturlaubsreisen wurde 2024 wieder ein Allzeithoch erzielt. Besonders auffällig: Die Deutschen gönnen sich zunehmend mehrere Reisen pro Jahr – auch wenn diese nicht immer lang ausfallen.
Kurzreisen boomen daher wie nie: Fast 94 Millionen Kurztrips wurden unternommen, was zeigt, dass das Bedürfnis nach Tapetenwechsel nicht zwingend mit Fernweh einhergeht. Meist geht es dabei nicht um neue Horizonte, sondern um ein kurzes Durchatmen. Oft per Auto, immer öfter aber auch per Bahn – insbesondere bei Städtereisen.
Rein rechnerisch gibt der Durchschnittsdeutsche inzwischen einen nennenswerten Teil seines Einkommens für Reisen aus. Zwar stagniert dieser Anteil zuletzt – bei gleichzeitig steigenden Preisen –, doch Reisen bleibt eines der wichtigsten Konsumziele überhaupt. Lediglich für Lebensmittel wird noch mehr ausgegeben. Die Reisedauer hat sich stabilisiert: Rund zwei Wochen gönnen sich die Deutschen im Schnitt für ihre Haupturlaube. Wer weiter fliegt, bleibt länger – das Mittelmeer lädt etwa zu 14 Tagen, Fernreisen auch mal zu zweieinhalb Wochen ein. Besonders gefragt: Erholungsurlaube, Familienreisen, Strandtage.

Spanien bleibt das Lieblingsziel, dicht gefolgt von Italien und der Türkei. Griechenland legt zu, Kroatien und Österreich behaupten ihre Plätze. Insgesamt spielt das Ausland eine dominierende Rolle – mehr als drei Viertel aller Reisen führen über die Grenzen hinaus. Auch Kurztrips ins Ausland nehmen zu.
Auffällig ist: Die Deutschen buchen zunehmend digital. Zwei von drei Reisen werden inzwischen online organisiert – selbst bei längeren Urlaubsreisen. Klassische Reisebüros verlieren an Boden, obwohl das persönliche Gespräch für viele ältere Reisende noch zählt. Interessant ist die Verschiebung bei der Kommunikation: E-Mail löst das Telefon als Buchungskanal ab. Besonders jüngere Reisende, aber zunehmend auch ältere Generationen (außer den über 70-Jährigen), nutzen digitale Kanäle. Die Online-Buchung ist seit 2018 der dominierende Buchungsweg, und der durchschnittliche online gebuchte Reisepreis stieg von 771 Euro (2019) auf 1.149 Euro (2024).
„Zuwanderung bleibt entscheidend“
Gleichzeitig gewinnt Künstliche Intelligenz an Bedeutung: vom Reiseziel-Algorithmus bis zum Chatbot im Kundenservice. Auch Nachhaltigkeit ist zwar weiterhin ein Thema, Reisende geben oft an, auf umwelt- und sozialverträgliches Reisen achten zu wollen. Doch in der Praxis dominieren Bequemlichkeit und Preis. „Die Bereitschaft, für nachhaltige Angebote mehr zu bezahlen, ist weiterhin gering“, so die ADAC-Tourismusstudie 2025.
Die Tourismusbranche ist zudem ein Jobmotor – ohne Zuwanderung läuft allerdings nichts. Ein erheblicher Teil der Beschäftigten in der Branche stammt aus dem Ausland. Mit 6,2 Millionen Arbeitsplätzen in Deutschland – davon bis zu 40 Prozent mit Migrationshintergrund – zeige die Branche, wie ihr Integration praktisch gelingt, heißt es: durch Förderung von Sprach- und Kulturkenntnissen und Aufstiegsmöglichkeiten. Ohne Zuwanderung wäre die Stärke des deutschen Tourismus nicht denkbar, so der Verband Internet Reisevertrieb (VIR). Daher fordert er auch einen Perspektivwechsel in der Debatte um Migration – von der Problem- zur Chancenbetrachtung. „Zuwanderung bleibt entscheidend für den deutschen Arbeitsmarkt, denn ohne sie könnten bis 2035 rund sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen“, so der Verband.
Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Anzeichen für eine wachsende soziale Spaltung macht den Reiseveranstaltern Sorgen: Während viele Reisende bereit sind, mehr für Qualität und Komfort auszugeben, müssen etwa ein Viertel der Deutschen mit einem geringeren Urlaubsbudget auskommen. Ein Drittel dieser Gruppe plant, 2025 ganz auf eine Reise zu verzichten – doppelt so viele wie noch 2022.