Kulisse für Märchen und Sagen, Tummelplatz für Elfen und Schrate, Motiv für ganze Dichtergenerationen. Der Wald und die Deutschen – eine Beziehung der ganz besonderen Art. Verklärt vom deutschen Idealismus, politisch instrumentalisiert von rechts.
Die besondere Beziehung der Deutschen zu ihrem Wald ist tief verwurzelt und in dieser Form ziemlich außergewöhnlich. Die damit verbundene hohe Emotionalität hat im deutschen Idealismus große Dichter und Denker geradezu beflügelt und angetrieben, und gleichzeitig war damit der Weg geebnet, die emotional aufgeladene Wald-Symbolik zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren, insbesondere am rechten Rand der Politik. Für Philosophen und Schriftsteller spielt das Wald-Thema heute keine zentrale Rolle mehr. Ganz anders bei insbesondere rechten politischen Ideologien, nicht selten auch in Verbindungen mit esoterischen Aspekten. Dass Umwelt- und Naturschutz und damit auch das Thema Wald ein grünes Projekt sind, ist ein eher junges Phänomen, das sich erst den letzten fünf Jahrzehnten entwickelt hat. Die Verbindung von deutschem Wald, einer Art von Naturverklärung und Nationalromantik ist dagegen schon im 18. Jahrhundert weit verbreitet. Der deutsche Wald und die große Symbolik der starken deutschen Eiche, verbunden mit einem ausgeprägten Germanenkult, waren eine tragende Säule nationalsozialistischer Ideologie. In der Neuen Rechten gibt es starke Bestrebungen, daran anzuknüpfen, sich das Thema Wald „zurückzuholen“.
„Mythos Wald“ immer wieder missbraucht
Die Belange des Naturschutzes wurden in Deutschland rechtlich erstmals 1935 geregelt, im Reichsnaturschutzgesetz. Treibende Kraft dabei war der damalige Reichsforstmeister und Reichsjägermeister Hermann Göring, der später als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Das Gesetz regelte tatsächlich etliche Fragen des Naturschutzes, auch der Jagd, diente aber vor allem Propagandazwecken für die „Blut und Boden“-Ideologie und den „arischen Lebensraum“. Das Gesetz sei ein „Anwendungsfall der nationalsozialistischen Grundideen“, hieß es in einem zeitgenössischen juristischen Kommentar. Die Neue Rechte knüpft an dieses Gedankengut an und verbindet es gleichzeitig mit strategischen Zielen. Der Wald soll als Symbol nationaler Identität herhalten. Zugleich sucht man mit dem Thema Naturschutz eine gewisse Anschlussfähigkeit an eher bürgerliche Milieus. „Umweltschutz ist extrem eng und ganz klar mit Heimatliebe verknüpft. Umweltschutz hat nichts, aber auch gar nichts, mit Multikulti, Einwanderung und Globalisierung zu tun“, sagt beispielsweise Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung.
Das Zitat ist einer Abhandlung über „Rechtsextreme Ideologien im Natur- und Umweltschutz“ aufgenommen, herausgegeben von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz, kurz FARN. Dabei handelt es sich keineswegs um eine neue Analyse. Die Veröffentlichung stammt von 2018 und zeigt damit, dass es sich um eine langfristig angelegte Strategie rechter Bestrebungen handelt.
Die Naturfreunde Deutschlands und die Naturfreundejugend haben auf diese Entwicklung mit der Gründung von FARN (2017) reagiert, um „historische und aktuelle Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen“ zu untersuchen und „biologistische und rassistische Kontinuitäten sichtbar“ zu machen. Ein Demokratieförderprojekt, das aktuell beispielsweise Aufklärungsseminare zum Thema „Die extreme Rechte und Menschenfeindlichkeit in der Umweltbildung“ anbietet. Der Rechtsextremismusforscher Alexander Winkler (Wiener Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit, kurz FIPU) zeigt in einer Untersuchung über „Umweltschutz von rechts“, wie Neue Rechte und Identitäre das Naturschutzthema als Transportmittel ihrer Ideologie verstehen, wenn etwa Formulierungen gebraucht werden wie: „Der Mensch ist mit dem Boden und der Umwelt verwoben, immer, egal wo er wandelt. Daher gehören Umweltschutz und der Schutz von Kulturen und Völkern untrennbar zusammen“, und vielleicht noch klarer: „Vom Marienkäfer bis zum Buntspecht, vom Luchs bis zum Narwal – jedes Lebewesen liebt sein Revier und verteidigt es mit seinen Artgenossen gegen fremde Übergriffe.“
Yannick Passeick, Politikwissenschaftler und Referent bei FARN, verweist darauf, dass es immer wieder Versuche zu „gezielten Unterwanderungen“ von Bürgerinitiativen oder Protestaktionen gibt, „sei es in Naturschutzverbänden oder Bürgerinitiativen gegen Atomkraftwerke oder Braunkohle oder ähnliches“. Auch bei den Protesten gegen Tesla in Grünheide hätten rechte Gruppierungen versucht, sich anzuschließen. So auch bei Protestaktionen gegen geplante Windräder im Reinhardswald, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet in Hessen, bekannt als „Grimms Märchenwald“. Die Gebrüder Grimm, die jahrelang in Kassel lebten und arbeiteten, könnten diesen Wald vor Augen gehabt haben, als sie ihre Märchen mit Rotkäppchen, dem Wolf und den sieben Zwergen fabulierten, so wird gerne erzählt. Ideale Zutaten also für ein entsprechendes Narrativ der Rechten.
Naturschutz instrumentalisiert
An einer „ökologischen Aktion“ gegen den geplanten Windradbau war auch Jonas Schick beteiligt, der anschließend darüber bei der Jungen Alternative referierte, der als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften AfD-Nachwuchsorganisation. Schick ist zugleich Chefredakteur der Zeitschrift „Die Kehre“, eines rechten Öko-Magazins, in dem Vertreter der Neuen Rechten Beiträge liefern. Schick selbst, der der Identitären Bewegung zugerechnet wird, tritt wiederum als Autor bei „Sezession“ auf, das vom Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, herausgegeben wird. Ein Andockpunkt sind Proteste gegen Windkraft- oder Solaranlagen, wobei Naturschutz als Begründung genannt wird. Die AfD hat das schon früh auch programmatisch festgehalten. In der sogenannten „Dresdner Erklärung“ anlässlich einer Umweltkonferenz (2019) wird klar ein „konsequenter Ausbaustopp von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in unseren heimischen Wäldern und auf landwirtschaftlichen Flächen“ gefordert.
Dort findet sich auch ein Punkt, der nach Beobachtung von FARN immer wieder als Einfallstor für rechtsextreme Ideologie bei Gesprächen über Naturschutzfragen zu nutzen versucht wird. Es geht um invasive Arten, also gebietsfremde Arten. „Invasive Arten, die heimische Pflanzen und Tiere verdrängen oder schädlich für die Gesundheit sind, stellen ein Problem für unsere Ökosysteme und unsere Wirtschaft dar“, heißt es in der „Dresdner Erklärung“. Das klingt noch unverfänglich, unter anderem Yannick Passeick verweist aber darauf, dass die Diskussion darüber sozusagen als Vehikel für die Ideologie fungiert, in dem Sinne: „Alles, was heimisch ist, gehört hierher, alles andere nicht.“ Und dann ist man ganz schnell bei anderen Themen wie etwa Migration.