Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in der Nacht des 8. Mai 1945 bedeutete das Ende des Zweiten Weltkriegs auf europäischem Boden. Die finale Niederlage Nazi-Deutschlands wurde in der Bundesrepublik allerdings nicht wie vielerorts mit der Etablierung eines nationalen Feiertags gewürdigt.

Als Generaloberst Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtsführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht (OKW), mit seiner kleinen militärischen Entourage um Marine-Generaladmiral Hans-Georg von Friedeburg und Luftwaffen-General Wilhelm Oxenius am 6. Mai 1945 gegen 17 Uhr auf dem Luftwaffenstützpunkt Reims landete, dürfte er sich kaum Illusionen über etwaige Erfolgschancen seines Himmelfahrtkommandos gemacht haben. Allein schon die Tatsache, dass US-General Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten Expeditionskräfte in Europa, überhaupt dazu bereit war, die Gesandten der weitgehend machtlosen neuen NS-Scheinregierung unter Großadmiral Karl Dönitz zu empfangen, war ziemlich überraschend.

Offensichtlich wollten auch die Alliierten alle Möglichkeiten zu einer schnellen Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen ausschöpfen. Von daher waren sie bereit, Gespräche aufzunehmen mit Vertretern der seit dem 2. Mai 1945 amtierenden geschäftsführenden Reichsregierung unter Dönitz, den Adolf Hitler vor seinem Suizid testamentarisch zu seinem Nachfolger als Reichspräsident und Oberbefehlshaber der Wehrmacht ernannt hatte. Dönitz verfolgte die Strategie, möglichst große Teile Deutschlands in die Oberherrschaft der Westalliierten zu überführen. Ein separater Waffenstillstand kam dafür ebenso infrage wie eine Teilkapitulation gegenüber den Westalliierten, um gegebenenfalls den Kampf gegen die Sowjets, die am 2. Mai 1945 Berlin eingenommen hatten, fortsetzen zu können. Regionale Teilkapitulationen waren ihm schon am 4. Mai 1945 für in Norddeutschland agierende und am 5. Mai 1945 für nahe bei München stationierte Verbände gelungen. Von weiteren Teilkapitulationen erhoffte sich Dönitz zumindest den nötigen Zeitgewinn, um möglichst viele deutsche Militäreinheiten und auch Zivilisten dem Zugriff durch die unaufhaltsam vorrückenden sowjetischen Truppen entziehen zu können.
Kapitulation oder weitere Bombardements

Weisungsgemäß bot Generaloberst Jodl seinem ranghöheren Gesprächspartner General Eisenhower am 6. Mai 1945 im Reimser Hauptquartier der Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces (SHAEF) zunächst nur die Teilkapitulation der Wehrmacht gegenüber den westlichen Alliierten an. Diesen Vorschlag wies Eisenhower als inakzeptabel zurück und bestand stattdessen auf einer bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht an allen Fronten. Ansonsten drohte er mit weiteren schweren Bombardements des Reichsgebietes. Für die Zustimmung zu Eisenhowers Ultimatum benötigte Jodl die offizielle Rückendeckung durch Dönitz, die schließlich per Funk am 7. Mai 1945 um 0.40 Uhr kam.
Nun galt es, einen Text für die geforderte bedingungslose Kapitulationsurkunde auszuarbeiten. Zwar hatte es schon verschiedene Entwürfe dafür gegeben, in denen vor allem auch über die politische Zukunft Deutschlands spekuliert wurde, von denen aber keiner verbindlich verabschiedet worden war. In Reims wurde daher die Entscheidung getroffen, sich bei dem sechs Punkte umfassenden und in englischer, russischer und deutscher Sprache verfassten Vertragstext auf die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu beschränken. Die staatlich-politische Kapitulation sollte erst mit der sogenannten Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 und der darin bekundeten Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland durch die Alliierten vollzogen werden. Wobei es sich bei der „bedingungslosen Kapitulation“ um ein Konstrukt handelte, das noch keinen Eingang ins Völkerrecht gefunden hatte.
Stalin wollte Neuauflage der Zeremonie

Nur in der US-Geschichte hatte es im Zuge des amerikanischen Bürgerkrieges Präzedenzfälle einer sogenannten Unconditional Surrender unter entscheidender Mitwirkung des Unions-Generals Ulysses S. Grant gegeben. Daran anknüpfend hatten US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill auf der Konferenz von Casablanca im Februar 1943 die bedingungslose Kapitulation aller Alliierten-Gegner als verbindliches Kriegsziel formuliert. In Richtung Sowjetunion sandten sie damit auch das klare diplomatische Signal aus, dass sie keinesfalls einseitige Waffenstillstandsverhandlungen oder Teilkapitulationen mit einer der Feindmächte abschließen wollten.

Im Kartensaal der vormaligen technischen Mittelschule in Reims wurde am 7. Mai 1945 um 2.41 Uhr die Kapitulationsurkunde durch Generaloberst Jodl im Namen der Streitkräfte des Dritten Reiches unterzeichnet. Für die Westalliierten wurde das Papier von Eisenhowers Stabschef General Walter Bedell Smith ratifiziert, für die Sowjetunion im Namen der Roten Armee durch General Ivan Sousloparov. Für das Inkrafttreten der militärischen Kapitulation wurde der späte Abend des 8. Mai 1945 um genau 23.01 Uhr fixiert. Da abzusehen war, dass sich Stalin mit diesem fernab des sowjetischen Einflussbereichs abgeschlossenen Vertrages über das glorreiche Ende seines „Großen Vaterländischen Krieges“ nicht zufrieden geben würde, musste Jodl zusätzlich ein Dokument unterschreiben, dass die etwaige spätere Wiederholung des (auch so schon rechtsverbindlichen) Aktes an einem noch zu benennenden Ort vorsah. Erwartungsgemäß setzte Stalin daher die Neuauflage der Zeremonie für den 8. Mai 1945 am Sitz des sowjetischen Oberkommandos in Berlin-Karlsdorf durch. Zur Vermeidung einer zweiten Dolchstoß-Legende wurde höchsten Wert darauf gelegt, dass im Unterschied zu Reims, wo mit Jodl für das deutsche Militär nur der Chef des Generalstabs ohne echte Kommandogewalt unterzeichnet hatte, diesmal tatsächlich auch die drei Inhaber der faktischen Kommandogewalt ihre Unterschrift unter die inhaltsgleiche Kapitulationsurkunde setzen sollten: Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel für das Oberkommando der Wehrmacht (OKW), Generaladmiral Hans-Georg von Friedeburg für die Marine und Generaloberst Hans-Jürgen Stumpff für die Luftwaffe.
Wendepunkt durch von Weizsäckers Rede

Die deutsche Delegation hatten die Briten am Morgen des 8. Mai 1945 von Flensburg aus auf den Berliner Flughafen Tempelhof transportieren lassen. Dort war zuvor bereits eine Maschine mit Repräsentanten der Westalliierten gelandet, wobei Eisenhower und sein britischer Kollege Generalfeldmarschall Bernard Montgomery lediglich Stellvertreter entsandt hatten: den US-General Carl Spaatz und den britischen Luftmarschall Sir Arthur Tedder. Da es bei der Übermittlung des Vertragstextes aus Reims zu Pannen gekommen war, musste die eigentlich für den Nachmittag vorgesehene Ratifizierung immer wieder hinausgeschoben werden. Das hatte zur Folge, dass das auf den 8. Mai 1945 datierte Dokument erst nach Mitternacht, also bereits am 9. Mai 1945, unterzeichnet werden konnte.

In zahlreichen Ländern wurde das mit der Ratifizierung des Kapitulationsvertrages verbundene Ende des Zweiten Weltkrieges und der finale Sieg über die NS-Herrschaft gefeiert. In einigen Staaten – beispielsweise in der DDR von 1950 bis 1967 und nochmals 1985 – wurde der 8. Mai zum offiziellen Feiertag erhoben. In der Sowjetunion ist es der 9. Mai. Die westdeutsche Öffentlichkeit tat sich im Umgang mit diesem zeithistorisch bedeutsamen Datum hingegen äußerst schwer. Die Erleichterung über das Verschwinden der Schrecken des Krieges wurde bald schon durch den kaum zu bewältigenden Alltag mit Nahrungs- und Wohnraumknappheit überlagert. Zudem setzte schnell ein breiter Verdrängungsmechanismus der NS-Gräueltaten ein. Niemand wollte ernsthaft an eine Mittäterschaft erinnert werden, wie es die Einführung eines Feiertags am 8. Mai fast zwangsläufig mit sich gebracht hätte, der noch dazu in großen Teilen der Bevölkerung als Datum einer verheerenden deutschen Niederlage empfunden wurde.
Allerdings wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik bewusst am 8. Mai 1949 im Parlamentarischen Rat verabschiedet. Wobei der spätere Bundespräsident Theodor Heuss auf die Problematik dieses symbolträchtigen Tages aufmerksam gemacht hatte, weil „wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind“. Ein erinnerungspolitischer Wendepunkt wurde erst durch Bundespräsident Richard von Weizsäckers legendäre Rede vor dem Bundestag am 8. Mai 1985 eingeleitet: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, sagte Weizsäcker damals – auch wenn sich sogleich der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß über die „ewige Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftliche Dauerbüßeraufgabe“ echauffiert hatte. Doch ganz im Sinne von Richard von Weizsäcker hat das Bundesland Berlin in diesem Jahr den 8. Mai einmalig zum gesetzlichen Feiertag deklariert.