Mithilfe von Zöllen will der künftige US-Präsident europäische Unternehmen in die USA zwingen. Die EU berät über Gegenmaßnahmen. Klar ist: Ein Handelskrieg würde die Wirtschaft Milliarden kosten.
Nach dem Sieg Donald Trumps bei den US-Wahlen blickt Magdeburg sicherlich mit Sorge nach Westen. Ob die geplante Chipfabrik des US-Herstellers Intel unter diesen Umständen nach Sachsen-Anhalt kommt, ist fraglich. Während seines Wahlkampfes polterte der designierte US-Präsident ständig, dass Zölle das richtige Mittel seien, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen– die übrigens dank der Wirtschaftspolitik der Biden-Harris-Regierung derzeit in einer hervorragenden Verfassung ist. Trumps Lügen über die wirtschaftliche Lage brachten ihm den Wahlsieg und stürzen nun die europäischen Staaten in tiefe Sorge. Denn auch in Deutschland gefertigte Chips eines US-Konzerns, die in die USA verkauft werden, würden dadurch teurer. US-Zölle würden die deutsche Wirtschaft, die ohnehin am Rande einer Rezession kippelt, hart treffen. Zölle auf alles – vor allem auf deutsche Autos, damit diese in den USA gebaut werden – forderte Trump immer wieder.
EU will mit Gegenzöllen kontern
Obwohl er unberechenbar und oft auch völlig erratisch reagiert, zeigt dies Trumps wahre Absichten: Zölle machen nicht „Amerika reich“, wie er behauptete, sondern sie könnten Unternehmen zwingen, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Ohnehin ist das Land bereits jetzt der wichtigste Handelspartner der exportorientierten Bundesrepublik. Vor allem jene Unternehmen, für die der US-Markt Kunde oder Lieferant wichtiger Materialien und Produkte ist, könnten eine Abwanderung erwägen, um langfristig einem drohenden Handelskrieg zu entkommen: Maschinenbauer und Autokonzerne, das Zentrum des deutschen wirtschaftlichen Markenkerns.
Als Reaktion auf die Androhung hat die EU im Sommer eine Gegenstrategie entworfen: Erhöht Trump die Importzölle auf zehn Prozent, kontert die EU mit gleichwertigen Zollerhöhungen. Wie sich das auf die deutsche Wirtschaft auswirken würden, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Simulation berechnet. So würde Deutschland über eine weitere vierjährige Amtszeit Trumps ein BIP-Verlust von mehr als 127 Milliarden Euro (in konstanten Preisen des Jahres 2020) drohen. Erhöhen beide Seiten den Importzoll aufgrund eines Handelskrieges gar auf 20 Prozent, würde das die deutsche Wirtschaft 180 Milliarden Euro kosten. Somit würde das deutsche BIP am Ende der Amtszeit des Republikaners 1,5 Prozent niedriger ausfallen. Außerdem würde dies das Handelsdefizit der USA abbauen.
Der wechselseitige Preisaufschlag verteuert im Endeffekt jedoch Produkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Auf dem Gipfel der derzeitigen Brüsseler Ratspräsidentschaft in Budapest berieten die Staatschefs der EU und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun darüber, wie dem drohenden Unheil aus den USA zu begegnen sei. Herausragendes Statement bisher: das des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Er sagte, Europa dürfe kein „Pflanzenfresser“ mehr sein, während drumherum nurmehr „Fleischfresser“ existieren. Gemeint waren die USA und China. Man müsse zu einem „Allesfresser“ werden. Die drastische Sprache, die Macron wählte, illustriert das Dilemma des EU-Blocks. Dieser droht in den kommenden wirtschaftlichen Konflikten zerrieben zu werden. Grundsätzlich will die EU einen Wirtschaftskrieg mit den USA vermeiden. Den mit China um subventionierte E-Autos kann sie eingehen, weil das Risiko eines harten Rückschlages seitens Peking wegen der noch andauernden wirtschaftlichen Schwäche des Landes bislang gering ist. Außerdem gehen die Gespräche zwischen China und der EU über einen möglichen Kompromiss, etwa Mindestpreise, derzeit noch weiter. Die USA aber stützen sich auf eine robust aufgestellte Wirtschaft – unter anderem wegen des Inflation Reduction Act und des Chips Act Joe Bidens. Das Wachstum der US-Wirtschaft lag 2023 bei 2,5 Prozent und wird 2024 voraussichtlich höher ausfallen. Das EU-Wachstum liegt in diesem Jahr wahrscheinlich bei knapp einem Prozent, während die stärkste Volkswirtschaft der EU, Deutschland, knapp einer technischen Rezession entkommt.
Einige Pläne, wie der Lage zu begegnen sei, liegen auf dem Tisch, darunter gemeinsame Schulden. Diese hatte die EU zunächst im Zuge der Corona-Pandemiebewältigung erstmals aufgenommen. Deutschland ist im Augenblick gegen neue gemeinsame Schulden, wählt aber in absehbarer Zeit eine neue Regierung. Am Anti-Schuldenkurs dürfte sich aber selbst dann nicht viel ändern. Ein weiterer Baustein könnte eine stärker integrierte Kapitalmarktunion sein. Diese soll zwischenstaatliche Finanzhürden abbauen, um der privaten Wirtschaft mehr Möglichkeiten zur Geldbeschaffung zu sichern. Als zusätzliche Möglichkeit ist eine Steuer auf Kryptowährungen im Gespräch. Diese Maßnahme könnte angesichts einer zunehmend kryptofreundlichen US-Regierung jedoch ebenso zum Wettbewerbsnachteil werden.
Stärkere Kapitalmarktunion
Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, sagte, es bestehe kein Zweifel daran, dass die Trump-Präsidentschaft die Beziehungen zwischen den USA und Europa stark verändern werde. Draghi hatte im Sommer eine Analyse zur Wettbewerbsfähigkeit Europas vorgelegt und sowohl Schwächen als auch Handlungsoptionen für die Staatengemeinschaft aufgezeigt. Europa könne Entscheidungen nicht länger aufschieben. Draghi sagte bei der Vorstellung des Papiers im Europäischen Parlament, dass sich die EU auf drei entscheidende Themen konzentrieren müsse: die Innovationslücke zu den USA und China schließen, einen gemeinsamen Plan entwickeln, um das Ziel der Dekarbonisierung mit einer höheren Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden, und die Sicherheit Europas stärken und seine Abhängigkeit von ausländischen Wirtschaftsmächten verringern. Eine angemessene Agenda zur Wettbewerbsfähigkeit würde eine jährliche Finanzierung von 750 bis 800 Milliarden Euro für Projekte erfordern, deren Ziele bereits von der EU vereinbart wurden. Ein Teil dieses Geldes könnte aus privaten Quellen stammen, ein anderer Teil müsste jedoch durch öffentliche Investitionen gesichert werden, unter anderem durch die Ausgabe neuer gemeinsamer Schuldtitel, speziell zur Finanzierung wichtiger gemeinsamer Projekte, so Draghi. Bis dahin dürfte der Weg jedoch noch weit sein. Aber die Zeit drängt. Die Frist endet, wenn Donald Trump das Weiße Haus betritt: am 20. Januar 2025.