Jedes Jahr am 21. März wird der „Welt-Down-Syndrom-Tag“ gefeiert. Was steht dabei im Fokus? Und warum genau an diesem Tag? Eine Übersicht.
Am Ende macht der Junge mit dem Down-Syndrom das Licht aus, und es ist ungewiss, ob seine Mutter noch lebt oder ihren letzten Schlaf antritt – er jedenfalls hat sich liebevoll gekümmert. Die Message des Kurzfilms „Freebird“ ist eine simple, aber in Zeiten, in denen rechtsradikale Parteien in die finsteren Fußstapfen des dunkelsten Kapitels der Geschichte treten möchten, eine umso wichtigere:Menschen mit Down-Syndrom sind genau das, nämlich Menschen. Der Junge in dem animierten Film macht genau das, was Kinder halt so machen: Sie fallen ungeschickt hin, machen Quatsch beim Abwasch, knuddeln ihren Hund und sind nervös, wenn sie ihrer großen Liebe gegenüberstehen. Veröffentlicht wurde der fünfeinhalbminütige „Freebird“, den es bei Youtube frei zu sehen gibt, zum Welt-Down-Syndrom-Tag 2021.
Mit seiner ebenso furiosen wie zu Herzen gehenden Abfolge wichtiger Stationen in Jons Leben – so der Name des Jungen im Film – ist es eigentlich ein Wunder, dass er für den Oscar noch nicht einmal nominiert war. Doch dafür staubte der kanadische Film so ziemlich jeden anderen Filmpreis ab, für den er nominiert war, und erreichte genau das, was unter anderem Sinn und Zweck des Welt-Down-Syndrom-Tags ist: Aufmerksamkeit schaffen für die Chromosomenanomalie. Dabei verschweigen die Macher nicht, dass Jon durch schwere Zeiten gehen wird. Doch der Junge ist gewitzt, und das Symbol seiner Mobber wandelt er einfach zum Symbol seiner Liebe zu einer Klassenkameradin um, die ebenfalls Trisomie 21 hat. Und das Wort „Down“ – in dem Zusammenhang auf Deutsch etwa „geschafft“ – präsentiert er nach seinem Universitätsabschluss stolz auf seinem T-Shirt bei der Abschlussfeier.
Erste Ausrichtung 2006 in Genf
Denn auch das gibt es: Menschen mit Down-Syndrom, die studieren. Wie Pablo Pineda, der 1999 als erster Europäer mit Trisomie 21 einen Universitätsabschluss erlangte. Pineda erfuhr, als er etwa sieben Jahre alt war, durch einen Lehrer, dass er das Down-Syndrom hat. In einem Interview mit der „Welt“ sagte er 2009: „Das war schon heavy. Ich hatte nur zwei Fragen: ‚Bin ich dumm?‘ Er antwortete: ‚Nein.‘ ‚Kann ich weiter in die Schule gehen mit meinen Freunden?‘ Er sagte: ‚Kein Problem.‘ Der Rest, der war mir egal.“ Zur gezielten Förderung von Kindern mit Down-Syndrom hatte Pineda schon 1991 das Projekt „Roma“ ins Leben gerufen, was entsprechend entwickelte Lehrpläne beinhaltet. Unter anderem dafür wurde der spanische Lehrer und Schauspieler Pineda 2010 bei den World Down Syndrome Awards ausgezeichnet, die am Welt-Down-Syndrom-Tag für besonderes ehrenamtliches, berufliches oder wissenschaftliches Engagement verliehen werden.

Aufklären und das Bewusstsein schärfen, zwei Faktoren, für die der Welt-Down-Syndrom-Tag geschaffen wurde. Der Aktionstag wurde erstmals in Genf organisiert, 2006 war das. Bereits im November 2011 wurde der 21. März zum Welt-Down-Syndrom-Tag erklärt. Dabei steht das Datum für das charakteristische Merkmal des Down-Syndroms, nämlich das dreifache Vorhandensein des 21. Chromosoms – 21.3. Jedes Jahr gibt es ein anderes Motto, bei der Premiere 2012 war dies „Unsere Zukunft bauen“. Später waren es Slogans wie „Meine Freunde, meine Community“, „Wir entscheiden“, „Inklusion bedeutet“ oder „Beendet die Stereotype“.
Unter dem Motto „Improve Our Support Systems “ steht 2025 Folgendes im Fokus: Unterstützung und Unterstützungs-Systeme für Menschen mit Trisomie 21. Denn, so heißt es in einer Pressemitteilung des Deutschen Down-Syndrom Info-Centers: „Jeder Mensch braucht mal Hilfe – und das ist völlig normal!“ Das Deutsche Down-Syndrom Info-Center ist nach eigenen Angaben ein seit Jahrzehnten anerkanntes Kompetenz- und Beratungszentrum für Menschen mit Down-Syndrom, ihre Angehörigen, Fachkräfte und alle Interessierten. Das Info-Center recherchiert und bündelt Wissen und Erfahrungen in der Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“.
Kurz: Das Info-Center ist eine von zahlreichen Initiativen, die am Welt-Down-Syndrom-Tag Bewusstsein wecken möchte. In diesem Jahr gehören zu den Einfällen Aktionskarten, die käuflich zu erwerben sind. Einige Tage vor dem 21. März wurde ein Aktionstag mit der Stadtbibliothek Nürnberg durchgeführt, bei dem Fotoshootings für Familien möglich waren oder die Veeh-Harfe ausprobiert werden konnte, ein simpel zu lernendes Instrument, das auch in der Musiktherapie Anwendung findet.
Weltweite Aktion #LotsOfSocks
Weltweit bekannt ist die Aktion „#LotsOfSocks“. Dabei werden Menschen rund um den Globus aufgerufen, verschiedenfarbige oder gemusterte Socken zu tragen, um auf die Vielfalt und Einzigartigkeit von Menschen mit Down-Syndrom aufmerksam zu machen. Wie es der Zufall möchte, ähnelt das Aussehen einer Socke dem eines Chromosoms. Und Socken bringen Menschen dazu, miteinander zu reden – so sieht es jedenfalls das globale Netzwerk „Down Syndrome International“.
Dort heißt es: „Es können unpassende Socken oder Ihre kühnsten und farbenfrohsten Socken sein, was auch immer Ihnen gefällt! Die Idee ist, ein Gespräch zu beginnen, damit Sie, wenn Leute Sie nach Ihren Socken fragen, ihnen sagen können: ‚Ich trage sie, um das Bewusstsein für das Down-Syndrom zu schärfen‘. Dann können Sie ihnen alles erzählen, was sie über das Down-Syndrom wissen sollen.“ Das Netzwerk veranstaltet sogar einen „Beste-Socken“-Wettbewerb, nachzulesen unter www.worlddownsyndromeday.org/lots-of-socks-campaign.
Die Privatinitiative „trisomie21.net“ wiederum lädt dazu ein, ein eigenes Poster zu gestalten, das gerne auf Social Media geteilt werden darf und das in diesem Jahr unter dem Motto „Behindern ist heilbar!“ steht. Dabei geht es um die Barrieren, die die Gesellschaft aufbaut – durch mangelnde Barrierefreiheit, Vorurteile oder unzureichende Unterstützung. Thorsten Klein aus Hamm, der Betreiber der zugehörigen Webseite, verschweigt nicht, dass ihn bei seiner Tochter die Diagnose „Down-Syndrom“ seinerzeit „völlig schockiert“ habe. Er schreibt: „Ich informierte mich in Internetforen, schaute mir Hunderte wunderhübsche Kinderbilder an und las zahlreiche Erfahrungsberichte. Danach war ich von dem Schrecken geheilt.“
Es geht ihm also offenbar wie dem Vater von Jon aus dem Kurzfilm „Freebird“. Der plädierte anfangs gar für eine Abtreibung, trennte sich von seiner Frau, erkannte auf der Uni-Abschlussfeier, in der sein Sohn für seine Individualität gefeiert wurde, jedoch seinen Fehler und schrieb seiner alleinerziehenden Frau: „Du hattest Recht – er ist perfekt.“