Erstmals hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eine aktuelle Liste der 17 gefährlichsten Krankheitserreger vorgelegt. Gegen diese 17 sind bislang noch keine wirksamen Impfstoffe vorhanden.
Corona hatte mit global 700 Millionen Infektionsfällen und mehr als sieben Millionen Toten die Verwundbarkeit der Menschheit durch bislang unbekannte Krankheitserreger eindringlich unter Beweis gestellt. Wobei in der Wissenschaft Einigkeit darüber besteht, dass Corona nicht die erste weltweite Pandemie war und auch nicht die letzte sein wird. Daher laufen in der Forschung längst Vorbereitungen, um für den Ausbruch der nächsten verheerenden Seuchen-Welle möglichst gut gewappnet zu sein. Sogenannte Virus Hunter jagen in aller Welt den gefährlichsten Erregern hinterher. Dennoch ist die Menschheit für künftige neue Pandemien bislang nur unzureichend gewappnet – das ging aus dem 2023 veröffentlichten Bericht der Unabhängigen Beobachtungsstelle Gesundheits-Krisenvorsorge (Global Preparedness Monitoring Board, GPMB), die 2018 durch WHO und Weltbank gegründet wurde, hervor. Um die Krisenvorsorge global zu verbessern, machte die GPMB einige Vorschläge. So müssten die Länder ihr gesundheitliches Überwachungssystem stärken, um neue Krankheiten möglichst frühzeitig erkennen zu können. Zusätzlich müssten Datenerhebung und Analysekapazitäten verbessert werden. Ärmere Staaten müssten bei all dem finanziell unterstützt werden.
„Priorisierung von Krankheitserregern“
Doch die WHO widmet ihre Aufmerksamkeit selbstverständlich nicht nur künftigen Gefahren für die globale Gesundheit. Denn es gibt noch immer viele Krankheiten, gegen die im Unterschied zu Pocken, Masern, Kinderlähmung oder Corona eben bislang noch keine wirksamen Impfstoffe zur Verfügung stehen. Worauf die WHO in einer im Dezember 2024 im Fachjournal „eBioMedicin“ veröffentlichten Untersuchung aufmerksam gemacht hatte, in der von ihr erstmals eine Liste der 17 weltweit gefährlichsten endemischen Krankheitserreger präsentiert wurde. Als endemisch gelten Krankheitserreger, die örtlich begrenzt oder in einer bestimmten Region häufig vorkommen, beispielsweise Malaria in bevölkerungsreichen Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas. Die WHO verfolgt seit 2015 die Zielvorgabe, die Entwicklung medizinischer Vorbeugemaßnahmen zu beschleunigen und für Krankheiten mit epidemischem und pandemischem Potenzial global verfügbar zu machen. Wobei sie sich Ende 2022 das Konzept einer „Priorisierung von Krankheitserregern“ vorgegeben hatte, verbunden mit einer möglichst umfassenden Erforschung ganzer viraler und bakterieller Familien – statt einer wissenschaftlichen Konzentration auf einzelne isolierte Krankheitserreger, bei denen ein Risiko für die weltweite Gesundheit vermutet wurde. Als erstes konkretes Ergebnis ihres Priorisierungs-Konzepts konnte die WHO im Sommer 2024 die von über 200 Wissenschaftlern aus mehr als 50 Ländern erarbeiteten Erkenntnisse zu 28 Virus-Familien und eine Kerngruppe von Bakterien vorlegen, wobei insgesamt 1.652 Krankheitserreger ausgewertet wurden.
Während diese WHO-Erkenntnisse über potenzielle Pandemie-Auslöser in den Medien vergleichsweise wenig Beachtung gefunden hatten, sollte sich dies mit der 17er-Liste vom Dezember 2024 grundlegend ändern. Mit ihr konnte die WHO erstmals eine systematische Zusammenstellung der weltweit gefährlichsten Krankheitserreger vorlegen, gegen die bislang noch keine wirksamen Impfstoffe zur Verfügung stehen. „Bislang wurden globale Prioritäten für die Erforschung und Entwicklung neuer Impfstoffe gegen endemische Krankheitserreger nicht systematisch ermittelt“, so die Autoren der WHO-Studie. „Im Rahmen der Immunisierungsagenda 2030 (IA2030) haben wir basierend auf den Werten der Interessenvertreter der Länder und Regionen systematisch vorrangige endemische Krankheitserreger für die Forschung und Entwicklung neuer Impfstoffe ermittelt, um diesem Bedarf gerecht zu werden.“ In der Vergangenheit wurde laut WHO im Sinne der globalen Gesundheit manches falsch gemacht. „Allzu oft waren globale Entscheidungen über neue Impfstoffe allein von der Rendite abhängig und nicht von der Zahl der Leben, die in den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen gerettet werden könnten“, so Dr. Kate O’Brien, Direktorin der WHO-Abteilung für Immunisierung, Impfstoffe und Biologika. „Diese Studie stützt sich auf ein breites regionales Fachwissen und Daten, um Impfstoffe zu bewerten, die nicht nur Krankheiten, von denen die Bevölkerung heute stark betroffen ist, deutlich reduzieren, sondern auch die medizinischen Kosten für Familien und Gesundheitssysteme senken würden.“
Liste als Leitfaden für Forschung
Die globale Liste umfasst insgesamt 17 Krankheitserreger, von denen Menschen aller Altersgruppen und Einkommensklassen betroffen sein können. Von den 17 Krankheitserregern der globalen Liste waren ein Drittel Prioritäten einzelner Region und fünf dieser Krankheitserreger, nämlich Mycobacterium tuberculosis (Tuberkulose-Erreger), HIV-1, Klebsiella pneumoniae (einer der gefürchteten Krankenhauskeime), Staphylococcus aureus (Bakterium mit potenziell krankmachenden Eigenschaften) und Extraintestinal pathogene Escherichia coli (Bakterium, das Harnsweginfektionen und Bakteriämien hervorrufen kann) waren auch in sämtlichen regionalen Top-Ten-Listen enthalten.
Keine Überraschung dürfte das Auftauchen der Krankheitserreger für Aids, Malaria und Tuberkulose auf der globalen 17er-Liste sein, schließlich sind allein diese drei Krankheiten für jährlich knapp 2,5 Millionen Todesfälle verantwortlich. Für einige der gelisteten Krankheitserreger, wie HIV, Hepatitis-C-Virus, Streptokokken der Gruppe A (diese Bakterien können Krankheiten wie Scharlach oder Sepsis verursachen) oder Klebsiella pneumoniae, ist ein Impfstoff weder vorhanden noch in Sicht. Bei anderen Infektionskrankheiten wie Malaria und Influenza, gegen Staphylococcus aureus oder gegen das Zytomegalievirus (gehört zu den humanen Herpesviren und ist die häufigste Infektion, die während der Schwangerschaft von der Mutter auf den Fötus übertragen wird) gibt es zwar schon Impfstoffe, die aber noch nicht ausreichend wirksam sind. Für manche der gelisteten Krankheitserreger wurden zwar schon Impfstoffe entwickelt, diesen fehlt aber noch die Zulassung als notwendige Bedingung für eine Markteinführung.
Mit dieser Liste möchte die WHO der Forschung und den Global Playern in der Pharmaindustrie einen Leitfaden zur Hand geben, um künftig ganz gezielt Impfstoffe gegen die gefährlichsten Krankheitserreger entwickeln zu können.