Resilienz ist ein Thema, das viele Menschen fasziniert. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich immer mehr mit der Frage, warum diese psychische Stärke so unterschiedlich ausgeprägt ist.
Es gibt Menschen, die sind wie Grashalme. Egal, wie oft das Schicksal sie herunterdrückt, sie richten sich immer wieder auf. Andere Menschen sind eher wie dünne Äste. Bei hohem Druck brechen sie und bleiben zerbrochen. Auf die Frage, woher diese besondere Kraft der Psyche kommt und warum manche Menschen so viel davon haben, gibt es mittlerweile einige schlüssige Antworten. Von Lebensumständen und unterstützenden Menschen über Lernerfahrungen bis hin zu den Genen reicht die Spannweite. Schon in den 50er-Jahren hat die US-Psychologin Emmy Werner eine bis heute viel beachtete Untersuchung zum Thema Resilienz durchgeführt. In ihrer Langzeitstudie dokumentierte sie den Werdegang von rund 700 Kindern auf Hawaii, die 1955 geboren wurden. Die Mehrheit wuchs in desolaten Verhältnissen auf, wurde misshandelt, vernachlässigt und schlecht ernährt. Die meisten dieser Kinder wurden verhaltensauffällig und schafften es als Erwachsene kaum, ihr Leben zu meistern. Etwa ein Drittel dieser Kinder aber überstand den schlechten Start ohne Schaden, baute sich ein angesehenes Leben auf, manche studierten sogar. Emmy Werners Fazit aus dieser Langzeitstudie war, dass es im Leben dieser Kinder mindestens eine Bezugsperson gab, die fest an ihrer Seite stand. Ein verlässlicher Mensch im Umfeld und ein starkes soziales Netz gelten bis heute als wichtige Faktoren für die psychische Widerstandskraft. Auch andere Beispiele zeigen auf, wie stark Resilienz ausgeprägt sein kann. Denkt man nur an Natascha Kampusch, die als Kind jahrelang im Keller eines Mannes gefangen gehalten worden war und trotzdem nicht daran zugrunde ging. Hier glauben Wissenschaftler, dass Natascha Kampusch psychisch überlebt hat, weil sie sich immer die Überzeugung bewahrt hatte, noch über eigene Kraft und Handlungsfähigkeit zu verfügen.
Krisen machen widerstandsfähiger
Ein wichtiger Punkt ist, dass Menschen mit einer hohen Resilienz in einer Krise nicht nach Schuldigen suchen, sondern nach einem Ausweg und ein hohes Vertrauen darin haben, dass sie diesen Weg auch finden und gehen können. Diese Menschen werden von Schicksalsschlägen nicht gelähmt, sie bleiben handlungsfähig. Psychologen sagen, dass resiliente Menschen nicht dazu neigen, sich in allen Farben auszumalen, was alles schiefgehen kann. Ob jemand eine hohe Resilienz besitzt, zeigt sich logischerweise erst dann, wenn ihn ein Schicksalsschlag trifft. Und tatsächlich scheint es einen Effekt zu geben, dass Menschen, die bereits mehrere Krisen überstehen mussten, seelisch besser gerüstet sind als andere. Laut einer Studie des US-Psychologen Mark Seery fühlten sich diese Menschen insgesamt zufriedener. Seery bezeichnet das als „Stahlbad-Effekt.“ Allerdings musste sich die Häufigkeit der Krisen im Rahmen halten. Wenn ein Mensch zu oft vom Leben geprügelt wird, kann sich der Effekt umkehren. Der Philosoph Friedrich Nietzsche prägte das bekannte Sprichwort: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“. Und damit hatte er wohl recht.