Eine vielversprechende Therapieform aus Schweden erzielt am Göteborger Institut für Stressmedizin einzigartige Erfolge. Das Besondere: Die Patientinnen und Patienten werden vorwiegend in der Natur betreut und therapiert.

In Göteborg liegt ein medizinisches Institut direkt im botanischen Garten der Stadt: das Institut für Stressmedizin. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, Mitarbeitende im Gesundheitssektor vor Burn-out zu schützen. Es erforscht Möglichkeiten für eine bessere Prävention, sodass die benötigten Fachkräfte langfristig in der Gesundheitsversorgung arbeiten können. Das Besondere ist, dass die Patientinnen und Patienten vorwiegend in der Natur betreut und therapiert werden. Die „Grüne Reha“ hat sich mittlerweile zu einem eigenen Unternehmen etabliert. Maßgeblich unterstützt wurde die Entwicklung von Politikerinnen und Politikern der Stadt. Mittlerweile betreut das interdisziplinäre Team der „Västra Götalandsregionen“ Erkrankte mit komplexen Stresserkrankungen. Manche Patientinnen und Patienten kommen nach einer über zehnjährigen Krankengeschichte in die Einrichtung und schöpfen innerhalb von 28 Wochen so viel Energie und Mut, dass sie in ihren Beruf zurückkehren können.
Marja Abrahamsson leitet die Abteilung für „Grüne Rehabilitation“. Seit den 2000ern arbeitet sie im Team und hat den Wandel vom wissenschaftlichen Institut zum eigenständigen Unternehmen miterlebt. Die „Grüne Rehabilitation“ kann auf viele besondere Erfolge zurückblicken und feiert in Kürze ihr 20-jähriges Jubiläum.
Frau Abrahamsson, wie können wir uns eine Grüne Reha vorstellen?
In unserem Team arbeiten Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Arbeitsmediziner und Gärtner. Alle bieten wir verschiedene Therapieformen im Garten und in der Natur an. Wenn ein Patient beispielsweise nur noch den Weg zum eigenen Briefkasten schafft, arbeiten wir mit betreuten Touren zunächst daran, dass er wieder Freude an Bewegung erlangt und seine Kondition sich verbessert. Schritt für Schritt lernen unsere Patientinnen und Patienten den Umgang mit ihrem dysregulierten Nervensystem und wie sie es selbst regulieren können.
Bewegung ist der Schlüssel für eine stärkere physische und mentale Gesundheit. Viele Kampagnen sollen uns motivieren, aktiv zu werden. Spielt es eine Rolle, wo wir Sport treiben?
Unsere Forschungen zeigen, dass jede Art von Aktivität hilfreich ist. Es ist wichtig, überhaupt zum Sport zu kommen. Unsere mentale Gesundheit hängt von unserer Bewegung ab. Wenn wir mit Freundinnen und Freunden gerne ins Fitnessstudio gehen, ist das genauso gut wie Joggen oder Wandern im Park. Wenn wir mental angeschlagen und erschöpft sind, ist der Aufenthalt in der Natur deutlich besser. Draußen zu sein, hat Auswirkungen auf unsere Stimmung und reduziert die Wahrscheinlichkeit, psychisch schwer zu erkranken.
Gibt es Formen der Bewegung oder Therapie im Freien, die besonders effektiv sind?
Effektiv ist alles, wodurch unsere Sinne aktiviert werden. Wir können in den schönsten Gebieten der Welt sein, doch wenn wir in unserem Kopf nicht auch dort sind, wo unser Körper gerade ist, bringt es nichts. Wir gehen mit unseren Patientinnen und Patienten bewusst in den Wald und helfen ihnen, sich auf sich und ihre Sinne zu konzentrieren. Wie atme ich? Was höre ich? Was rieche ich? Wie fühlt sich der Weg unter meinen Füßen an? Wenn Körper und Geist am selben Ort sind, schaffen wir es in nur vier Minuten, dass unser Stresshormon sinkt und wir entspannen können.
Manche Leute empfinden den Wald als unheimlich. Können es auch andere Orte in der Natur sein?

Es ist unabdingbar, dass wir uns an einem Ort aufhalten, an dem wir uns sicher fühlen. Wenn wir uns nicht sicher fühlen, kann keine Entspannung eintreten. Nicht alle Menschen fühlen sich im Wald wohl. Da kann ein Spaziergang an einem See oder am Meer besser geeignet sein. Viele Patientinnen und Patienten berichten, dass ihre Schultern sich entspannen, sobald sie an diesem Ort angekommen sind. Es muss keine fünfstündige Wanderung sein. Zur mentalen Erholung reicht viel weniger, wenn wir auch unsere Gedanken bei uns haben.
Im Herbst und Winter ist es meist dunkel und ziemlich ungemütlich. Wie schaffen wir es, unsere mentale Gesundheit in dieser Jahreszeit fit zu halten?
In der dunklen Jahreszeit bekommen wir in der Zeit von 10 bis 12 Uhr sehr viel Helligkeit. Zu dieser Zeit ist das Tageslicht am stärkstem. Wenn wir es schaffen, trotz Arbeit und Terminen in dem Zeitraum draußen zu sein, fühlen wir uns energetischer und lebendiger. In der Mittagspause ist es ratsam, auch nur für zehn Minuten ins Freie zu gehen und in Bewegung zu kommen. Sogar ein Spaziergang nach der Arbeit hilft uns. Unsere Körper möchten sich bewegen. Jede Form der Bewegung im Dunklen oder Hellen ist gut für unsere mentale Gesundheit. Wenn wir nach zehn bis 45 Minuten Abendspaziergang nach Hause kommen, werden wir uns leichter fühlen und uns mit frischerem Kopf auf die Couch fallen lassen.