Die saarländische Hotellerie und Gastronomie sucht Auszubildende. Michael Buchna, Chef des saarländischen Hotel- und Gaststättenverbandes, über seine eigenen Erfahrungen und den „War of Talents“.
Herr Buchna, warum ist der Dehoga auf die Azubi-Kampagne „Du machst den Moment“ angewiesen?
Das Gastgewerbe ist viel erfüllender, professioneller und besser als sein Ruf. Mein Wunsch ist es, die Menschen davon zu überzeugen, auf die „kulinarische Seite der Macht“ zu wechseln. Die Initiative nimmt diesen Slogan und andere Wahrheiten der Branche auf. Die Initiative „Du machst den Moment“ ist kein hohler Spruch, sondern eine gelebte Arbeit. Seit bald 20 Jahren führe ich gemeinsam mit meiner Frau Sabine das Familienunternehmen „Buchnas Landhotel Saarschleife“. Meine gesamte Familie, inklusive meiner Töchter stellen sich bereits heute der Arbeit und der Verantwortung in einem fast 100 Jahre alten gastgewerblichen Betrieb und das, darf ich so sagen, mit Begeisterung und großer Freude.
Unsere Berufe sind ohne Teamarbeit nicht denkbar, unsere Gastfreundschaft im Gastgewerbe ist sinnstiftend für Beschäftigte und Gäste zugleich. Das wünsche ich mir, durch eine lebende Kampagne deutlich nach außen zu tragen.
Kürzlich hatten wir live in unserem Restaurant „Dorfküche“ einen wunderbaren Heiratsantrag. Unter der Beobachtung unserer Servicemitarbeiter, einiger vorwitziger Köche und einem proppenvollen Restaurant hielt ein junger Mann um die Hand seiner überraschten Freundin an.
Wir waren alle zutiefst gerührt und lauschten, was nun geschehen sollte. Es war enorm still im Raum, kein Tischgespräch und kein Besteckgeklapper mehr. Nach quälend langen Momenten kam ein leises „Ja“. Man hörte ein Aufatmen und es folgte Applaus aus allen Ecken und ich dachte „Wow“ so was erlebt man nicht alle Tage, aber im Restaurant. „Was für einen schönen Beruf habe ich“, dachte ich. Gestresste Gäste reisen an, mürrische Augenblicke bis der Gast angekommen ist und sich endlich wohlfühlen kann. Diese Augenblicke liebe ich so sehr an meinem Beruf. Das gilt es zu vermitteln. Solche Erlebnisse sind für mich der Motor für meine Leidenschaft und für meinen Beruf.
Aber der Beruf birgt ja nicht nur schöne Erlebnisse, wie steht es um die Löhne?
Ja, eine Journalistin fragte mich mal, wie ich die schlechten Arbeitszeiten und mäßigen Löhne sähe.
Ich sagte dann, es gibt vielleicht unangenehme Arbeitszeiten, aber es kann keine schlechten Arbeitszeiten geben: Haben Ärzte, Polizisten, Krankenpfleger und -schwestern schlechte Arbeitszeiten? Man kann Arbeitszeiten organisieren, Ausgleich schaffen und muss Menschen wegen Ihrer Leistung würdigen und fair und gut bezahlen. Das ist auch im modernen Gastgewerbe so.
Mittlerweile sind die Ausbildungsvergütungen im Gastgewerbe sehr gut (900 bis 1.100 Euro in den drei Lehrjahren im Saarland, Anm. d. Red.). Bei den Löhnen hat sich ebenfalls in den vergangenen Jahren viel zum Positiven verändert, vor allem durch neu abgeschlossene Tarifregelungen. Neue Tarifverhandlungen stehen an. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Branche immer noch stark auf Minijobber und Teilzeitkräfte setzen muss, und dies vor allem saisonal bedingt. Hier gilt es auch zum Wohl der Beschäftigten und der Betriebe die Arbeitszeitmodelle hinsichtlich Ihrer Sozialkompetenz und Wirtschaftswirksamkeit in eine moderne Arbeitswelt zu transformieren.
Es wird zukünftig wichtig sein, den Beschäftigten ein Mehr an Netto-Gehälter zu ermöglichen, damit die finanziellen Herausforderungen der Beschäftigten gerade hinsichtlich Inflation und steigenden Haushaltskosten besser bewältigt werden können.
Seit der Pandemie aber leidet das Hotel- und Gastgewerbe unter Fachkräfteschwund und einer Fachkräftelücke, die sich nun auftut.
Dieses Kreuz, diese Herausforderung unserer Volkswirtschaft trägt das Gastgewerbe nicht allein. Alle Branchen sind davon betroffen. Der „War of Talents“ ist Realität geworden. Hier gibt es große Unterschiede in der Betroffenheit der Betriebe. Die Breite der jugendlichen Beschäftigten sucht Betriebe, die ihnen mehr Möglichkeiten, mehr Sinn und Zukunftschancen bieten.
Ja, es fehlen uns Fachkräfte heute und zukünftig. Wenn wir die gleichen Leistungen erbringen wollen und die gleiche Qualität von heute auch morgen noch aufrechterhalten wollen, werden wir Ideen verwirklichen müssen. Müssen digitaler werden und mehr Begeisterung und wiedererwachenden Fleiß in der Arbeit entfachen. Aber auch die Illusion weniger arbeiten zu müssen, wird wohl hinten angestellt werden müssen. Wir brauchen Talente, und ich sage ausdrücklich: Talente, denn Noten sind weniger entscheidend als die Lust und Leidenschaft, diesen Job ausüben zu wollen.
Ein Beispiel: Einer unserer Köche hat eine Ausbildung zum Automechatroniker nachgeschoben, einfach weil er nicht mehr am Wochenende arbeiten wollte. Am Ende war er damit so unglücklich, dass er wieder zu uns als Koch zurückkam. Er ist ein Talent, die Arbeit als Koch erfüllte ihn, die Teamarbeit brachte ihm Zufriedenheit und Freude. Enorm wichtig ist, dass Unternehmen in ihrem Streben nach Nachhaltigkeit eben auch die Gleichstellung der Menschen und das Thema „Fürsorge“ mitgestalten. Darüber hinaus werben wir um junge Menschen im nahen und fernen Ausland. Wir werben für eine fachlich hochkarätige Ausbildung in Deutschland, und hier können wir richtig groß punkten mit dem weltweit anerkannten und hochgelobten „dualen Ausbildungssystem – Ausbildung im Betrieb und der Berufsschule“
Mit welchen Argumenten wollen Sie den Kampf um Talente gewinnen?
Es geht um teamorientierte, fürsorgliche, weltoffene Arbeit. Das Team ist der größte Pluspunkt dabei, die Qualität unserer Arbeit steht und fällt mit einem funktionierenden Mannschaftsgeist. Azubis können frühzeitig Verantwortung übernehmen und in einem Umfeld arbeiten, das schon früh gelernt hat, Hierarchien flach zu halten. Zusätzlich können wir damit werben, Menschen für einen globalen Markt auszubilden, denn wer hier gelernt hat, kann überall auf der Welt arbeiten, das ist Fluch und Segen zu gleich. Auch wir haben ausgebildete Mitarbeiter nach New York, Paris oder London gehen lassen müssen, einer sogar hin zum „Star- und Drei-Sternekoch“ Alain Ducasse.
Hotels und Gastronomien beginnen mit Nachhaltigkeit zu werben, mit Klimaschutzaspekten oder regionalem Produkteinkauf. Sind dies bereits Kriterien für junge Menschen, sich zu bewerben?
Was bedeutet Nachhaltigkeit? Es sind für mich im Wesentlichen drei Dinge: die Ökosensibilität eines Unternehmens, dazu gehören Klimaschutz, Naturschutz, Erhalt der Biodiversität, regionale Produkte, Bioprodukte, kulinarische Traditionen, geregelter und sinnvoller Rückkonsum, CO2-reduzierter Energieverbrauch und vieles mehr.
Zweitens die Mitarbeiterfürsorge, faire und gute Bezahlung, geregelte und organisierte Arbeitszeit, eine vernünftige und zukunftsorientierte Lebens- und Arbeitsbilanz, ein gesunder Arbeitsplatz, Mitarbeitergesundheit, Integration, eine wachsende und lernende Barrierefreiheit auch für behinderte Mitarbeiter. Dies erhöht im Übrigen die Zahl derer, die zu beschäftigen wir uns wünschen würden.
Das Dritte ist die Partnerfürsorge: Begeisterte und zufriedene Gäste stehen im Mittelpunkt; fairer, respektvoller, erfolgreicher Umgang mit Stakeholder und Shareholder – alle Betriebspartner vom Lieferanten, Handwerker bis hin zum Unterstützer des Betriebes sollten in die Überlegungen für eine zufriedenene Partnerschaft einbezogen werden.
Also, woher beziehe ich meine Produkte, wie beziehe ich meine Produkte, wer investiert bei mir, woher beziehe ich meine Kredite, wie gehen wir mit Mitarbeitern in Sachen Qualitätserbringung, Entlohnung und Freizeit um? Diese Dinge müssen zusammengebracht werden, sie bilden zusammen ein zentral wichtiges Thema. Junge Menschen achten zusehends, und das aus guten Gründen, auf eine „Nachhaltige Unternehmensstrategie“. All diese Wünsche nach Erhalt und Besserung sind ein stetiger Prozess und eine Weiterentwicklung. „Es ist kein Meister vom Himmel gefallen“, so heißt es. Kaizen und Kintsugi sind Wege, um ein Unternehmen gemeinsam mit den Menschen darin zu entwickeln. Seit 20 Jahren und länger ist mein Familienbetrieb auf der Reise, besser und fairer zu werden. Dieses Credo brachte uns höchste Auszeichnungen und auch zumeist Zufriedenheit bei den Beteiligten.
Welche Zahlen wollen Sie mit der aktuellen Kampagne erreichen?
Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Ziele zu erreichen, brauchen wir circa weitere 2.000 Mitarbeiter im Saarland.
Die Zahlen entwickeln sich im Moment nicht schlecht. Es gibt bereits mehr Auszubildende als erwartet, aber wir brauchen weitere 150 bis 200 Auszubildende in den gastgewerblichen Berufen.
Diese Entwicklung und die Mehrung an Beschäftigten lässt uns ein stärkerer Teil der saarländischen Wirtschaftstransformation werden.
Anders sind die bereits sich gut entwickelnden Übernachtungszahlen im Saarland nicht zu halten und weiter auszubauen. Der Tourismus ist im Saarland weiterhin ein immenser Zuwachsmarkt, der uns helfen kann eine funktionierende saarländische Volkswirtschaft zu gestalten. Wir unterstützen die großen Wirtschaftsbranchen in Landesattraktivität und Zuwachs an Bürgern und Beschäftigten im Allgemeinen.
Daher ist es aus meiner Sicht einfach klug mit der Tourismuszentrale Saarland zusammenzuarbeiten. Wir konnten mit der Tourismuszentrale Saarland einen professionellen Projektsteuerer und ausgewiesenen Spezialisten für Marketing auf unsere Seite bringen.
Das bewirkt, dass die „Initiative Gastgewerbe“ keine einmalige Kampagne ist, sondern pulsieren und wachsen kann.
Darüber hinaus wird auf unserer Webseite ein Arbeitgeberbereich angeboten, in dem wir Netzwerke bilden, „Best Practices“ anbieten, und vielleicht gelingt es uns, einen virtuellen Arbeitsmarkt anzubieten.
Auch hier werden wir das Kaizen-Prinzip praktizieren.