Es ist eine eigenwillige Mischung, die Netflix mit „Ich. Bin. So. Glücklich." auf den Zuschauer loslässt. Vor allem dank Hauptdarstellerin Mila Kunis lohnt sich dieser Trip durch eine zerrissene Seele.

Gewalt tut weh. Das scheint eine Erkenntnis zu sein, die viele Zuschauerinnen und Zuschauer erstaunlicherweise erst durch den Film „Ich. Bin. So. Glücklich." gewonnen haben. Denn seit dem Start der eigenwilligen Mixtur aus Thriller, Drama und teilweise Schwarzer Komödie fordern einige Netflix-Abonnenten, den Film mit einer „Trigger-Warnung" auszustatten. So würde aber der grandiosen Mila-Kunis-Show einiges an Kraft genommen werden – und vielleicht würde auch teilweise der Zuschauer entmündigt werden, der eher auf den Strudel hinauf und hinab vorbereitet ist. Dennoch, liebe Leserin, lieber Leser, hier der Hinweis: Der Film ist ab 18 Jahren freigegeben und behandelt Themen wie Schuld, Sühne, Vergewaltigung und Amoklauf.
Es ist das Jahr 2015 und Ani Fanelli (Mila Kunis) führt ein tolles Leben. Sie ist respektierte Journalistin bei einem New Yorker Frauenmagazin, auch wenn sie sich vor allem der anrüchigen Themen rund um Penisse und Vaginas annehmen muss. Sie hat jedoch dank ihres Talents die Aufmerksamkeit ihrer Chefin Lolo Vincent (Jennifer Beals, „Flashdance") sicher, die sich darum bemüht, ihr einen Job bei der „Times" zuzuschanzen. Anis Leben scheint auch deswegen so perfekt, weil sie optisch ein Traum ist und den vielleicht verständnisvollsten Lebenspartner der Filmgeschichte hat. Luke Harrison (Finn Wittrock, diverse „American Horror Story"-Auftritte) sieht seiner Partnerin einfach jegliches seltsame Verhalten nach und schwört ihr stets ewige Liebe.

Schon früh wird klar, dass Ani mitunter exzentrisch und impulsiv reagiert. Woher die Traumata stammen, die diese Verhaltensmuster auslösen, wird aufgerollt, als sich mitten in die Vorbereitungen zu ihrer Traumhochzeit mit ihrem Traummann, der bald in London beruflich durchstarten möchte und sie natürlich mitnehmen will, ein Filmteam meldet. Dieses möchte die Wahrheit über einen Amoklauf erzählen und sucht für seine Dokumentation auch das Gespräch mit Ani.
Die Schuld der Überlebenden
In Rückblenden wird gezeigt, wie Ani 1999 (dann dargestellt von Chiara Aurelia, „Cruel Summer") einen Amoklauf überlebt. In der öffentlichen Wahrnehmung wird sie als Schuldige und Rüpelin dargestellt, weil sie dafür verantwortlich gemacht wird, dass der aus reichem Haus stammende und überall beliebte Dean Barton (als Junge: Carson MacCormac) im Rollstuhl sitzt. Doch der Fall ist nicht so einfach und auch ihre Mutter Dina (Connie Britton, erste und achte Staffel von „American Horror Story") spielt eine unrühmliche Geschichte in der Lebensentwicklung ihrer Tochter.

„Ich. Bin. So. Glücklich." wird nicht jedem gefallen. Zu unkomplex werden die an sich komplexen Themen behandelt: Macht, Missbrauch von Macht, Mobbing, Familienkonflikte, Goldene Löffel, soziale Ungleichheit, Leben mit Traumata, Emanzipation, die noch immer geringe Wertschätzung von Frauen, Umkehr von Täter- und Opferrolle. Doch Chiara Aurelia als junge Ausgabe von Ani Fanelli und vor allem Mila Kunis tragen den Streifen mit herausragenden Leistungen. Durch die starken Nebendarsteller macht es auch nichts, dass außer der Hauptfigur alle anderen Charaktere etwas weniger ausgearbeitet wirken.
Und schließlich schauen wir uns ja auch Anis Reise auf dem Weg zu innerer Befreiung und Genugtuung an – so ist die Fokussierung auf die weibliche Hauptrolle auch schon fast ein Statement. Und wer in der Schlusssequenz nicht den Tränen nahe ist, um am Ende dann doch einen lauten Lacher abzusetzen, muss schon sehr zynisch sein – oder noch einem längt überholten Männlichkeitsbild nachtrauern.
„Ich. Bin. So. Glücklich." basiert auf dem Bestseller „Luckiest Girl Alive" (so auch der Originaltitel der Verfilmung) von Jessica Knoll aus dem Jahre 2015. Die ehemalige „Cosmopolitan"-Redakteurin schaffte es damit direkt auf die Bestsellerliste der „New York Times". Sie schrieb auch mit am Drehbuch der Verfilmung und wirke als ausführende Produzentin mit. Ursprünglich hatte sich Reese Witherspoon die Rechte an der filmischen Umsetzung gesichert, doch die Oscarpreisträgerin stieg irgendwann aus. So übernahm unter anderem Hauptdarstellerin Mila Kunis selbst die Produktion – und dankte es sich selbst mit einer oscarwürdigen Performance. Sie füllt die widerspenstigen, widersprüchlichen und kämpferischen sowie die träumerischen Facetten der Rolle furios aus. Überlebende sind eben auch nur Menschen.