Die kroatische Insel ist in der Nachsaison der Hit. Und sie setzt auf gesundheitsbewusste Gäste. Schon die Habsburger wussten das gute Klima Losinjs zu schätzen.
Ob er den frisch Angekommenen nur etwas Gutes sagen möchte, weil das zum guten Ton im Umgang mit Gästen in der gehobenen Hotellerie zählt? Aber Branimir, der Concierge im Boutique-Hotel „Alhambra“, sagt es, als er mit vollem Gepäckwagen auf Zimmer Nummer 116 zurollt: „Das ist die beste Zeit des Jahres.“ Er spricht vom Herbst.
Wenn die Hauptsaison im September zu Ende geht, entfaltet die Insel Losinj, in der Adria südlich von Rijeka in der Kvarner Bucht gelegen, einen Zauber nach dem Touristenansturm. Allein, dass es am Hafen von Mali Losinj, dem Hauptort, geruhsam zugeht, ohne verlassen zu wirken, ist Anzeichen einer Entspannung, der sich viele Einheimische entgegensehnen. Obwohl im Sommer im Tourismus als der Wirtschaftsfaktor Nummer eins das meiste Geld gemacht wird. Auf Gäste überträgt sich diese Gelassenheit schnell.
Die Sonne wärmt tagsüber noch bei angenehmen 22 Grad. Und nachts fällt die Temperatur im Oktober auf spätsommerliche 18 Grad und kaum darunter. Um 20 Grad habe auch das Meerwasser noch, sagt Branimir und deutet auf das hoteleigene Badeplateau der Čikat-Bucht, die schon in den Pioniertagen des Losinjer Tourismus eine zentrale Rolle spielte.
Als die Insel zu Österreich-Ungarn gehörte und Lötzing hieß, bauten sich die Adeligen und Reichen, meist aus Wien, in der Bucht ihre Sommerresidenzen. Eine davon: die Villa Karolina. Sie wurde von ihrem Gatten, dem österreichischen Kaiser Franz Joseph, für Sisi gebaut, berichtet Hoteldirektor Christian Wolny. Die vielreisende Elisabeth von Österreich-Ungarn kam 1891 zum ersten Mal auf die Insel.
Angenehme Temperaturen
Heute beherbergen viele der Villen wieder Touristen: Die Villa Alhambra, 1920 vom Wiener Architekt Alfred Keller erbaut, ist das Herzstück des 2015 um einen modernen Anbau erweiterten Boutique-Hotels. Nach Keller ist heute das Hotel-Restaurant benannt, für das der österreichische Chef Michael Gollenz 2021 den ersten Michelin-Stern Losinjs erkochte. Passend zur Geschichte serviert das Team sogar ein klassisches Wiener Schnitzel, sagt Souschef Ivo Oršolič.
Wegen der guten Luft machte sich Losinj früh einen Namen. Salzig-würziges Aroma liegt in der Luft, das sich nicht nur dem überall wuchernden Salbei, dem Rosmarin oder der Myrte verdankt, sondern auch den über 300.000 Pinien, die Ambroz Haračić (1855 – 1916) einst anpflanzen ließ, der heute als Statue verewigt über die Bucht wacht. „Haračić veränderte das Klima“, sagt Tourismus-Direktor Dalibor Cvitkovic.
Als Meteorologe an der Seefahrtschule hatte der von der Insel stammende Professor Haračić Klimadaten über den Archipel Losinj gesammelt. 1892 wurde Mali Losinj, wo am Hafen unweit der Fischhalle noch heute das Gebäude der alten Seefahrtschule steht, zum Luftkurort erklärt. Das besondere Mikroklima soll sich nach örtlicher Lesart auch dem Zusammentreffen mehrerer Meeresströmungen verdanken.
Dass die Losinjer Luft gesund sein muss, ließ 1885 schon der Sohn des österreichischen Balneologen und Lungenfachmanns Conrad Clar erahnen, der im Winter auf die Insel kam. „Er heilte hier sein Asthma“, sagt Cvitkovic: „Wenn man so will, war er der erste Gesundheitstourist.“ Heute verfolgen findige Unternehmer teils auch eigenwillige Pläne: Sie verkaufen Inselluft in Dosen gepresst als Gesundheitsprodukt zum Inhalieren. Offenbar soll das mehr sein als ein aberwitziges Souvenir. Noch besser: Man kommt selbst auf die Insel.
Kronprinz Rudolf wanderte hier
Und eifert zum Beispiel Kronprinz Rudolf nach, der Sohn von Kaiser Franz Joseph: „Das war praktisch der erste Wandertourist“, sagt Steno Vidulic. Der Vorsitzende des Bergwander-Clubs von Losinj und der Nachbarinsel Cres begleitet Gäste auf Wunsch auf die höchsten Erhebungen des Archipels, wo die Luft dünner wird, aber ebenso wohlriechend ist. Den Osoršćica-Gebirgszug erklomm Rudolf im Jahr 1887, wie eine Schautafel im Fischerort Nerezine am Startpunkt verrät.
Der steinige Wanderweg führt in 1,5 Stunden auf den 558 Meter hohen Sveti Mikul. Knochige Steineichen kleiden die Hänge und Senken. Bald sind Anhöhen erreicht, die Nerezine im Inselosten und den benachbarten Ort Sveti Jakov nicht nur in den Augen der mitwandernden Kinder auf seltsame Weise klein erscheinen lassen. Dahinter die Adria, tiefblau, glatt. Ermüdungserscheinungen der Nachwuchs-Trekker begegnet Steno mit einigen Tipps.
„Ihr könnt bei jedem Schritt das Bein durchdrücken, das entlastet die Oberschenkel.“ Und wer einatme und erst zwei Sekunden später wieder ausatme, komme nicht so schnell aus der Puste. In der Luft Losinjs funktioniert diese Atemtechnik besonders gut, will man meinen. Zumindest geht es jetzt wieder voran. Nachdem auch zwei Schafe als Fotomodels für die Kinder die Motivation neu beleben und die Erwachsenen die Luft von Zeit zu Zeit demonstrativ wertschätzend inhalieren, sagt Steno nach fast zwei Stunden des Kraxelns: „Jetzt sind es noch nur noch ein paar Meter, man sieht den Bergkamm schon.“
Hinter den letzten Steineichen lugt das Kreuz einer weiß getünchten Kapelle hervor, die den Gipfel markiert. Man könnte eine Stunde weiter wandern und auch den höchsten Gipfel des Losinjer Bergmassivs, den Televrina (588 Meter), einnehmen. Steno zeigt Richtung Norden, wo sich eine grüne Kuppe noch ein Stückchen höher in den Himmel wölbt. „Aber warum?“
Nur vom Sveti Mikul biete sich ein derart schöner Ausblick auf das südliche Losinj, wie es sich zu Füßen des Wandergrüppchen ausbreitet: eine zerklüftete Inselwelt im milden Dunst des späten Nachmittags. Keine Luftaufnahme könnte besser sein. „Jetzt gibt es Energiebomben für euch“, sagt Steno und kramt eine Plastikdose mit getrockneten Feigen aus seinem Rucksack hervor. Die Erwachsenen verhaftet er zu einem Schluck Salbeischnaps aus seinem Flachmann, „ein Ritual“. Breites Grinsen.
Auf etwa 250 Wegekilometern kann man auf Losinj wandern und mountainbiken. Während es schon im Juni für derlei Aktivitäten zu heiß werden kann, sei die Off-Season dazu ideal, sagt Tourismusdirektor Cvitkovic. Fahrradfahrer dürfen dann auch entlang der Hafenpromenaden unterwegs sein, was in der Hochsaison untersagt ist. Cvitkovic strebt an, die 2,4 Millionen Gästeübernachtungen, der Großteil wird im Sommer verzeichnet, besser aufs ganze Jahr zu verteilen.
Schnorcheln ist hier ein Erlebnis
Auch Hoteldirektor Wolny möchte mehr Gäste in der Nebensaison willkommen heißen und an die gesundheitstouristischen Pioniertage des Inseltourismus anknüpfen. „Schon vor über 120 Jahren gab es Studien zur Güte der Luft“, sagt er. Während die meisten Hotels einstweilen zum Herbst jedoch noch schließen, lassen sich neu gebaute Ferienhäuser das ganze Jahr über beziehen. Im Garten der Ferienhaus-Villa im kleinen Ort Sveti Jakob auf einer Anhöhe über der zentralen Ostküste, lassen sich im Oktober Zitronen und Oliven ernten und gleich in der eigenen Küche verarbeiten. Zitrusfrüchte, so bekommt man es allerorten erzählt, gedeihen unter freiem Himmel nirgends so nördlich wie auf Losinj.
Vom Ferienhaus aus ist es ein Fußweg von vielleicht zehn, aber sehr kurzweiligen Minuten bis zur Bucht von Sveti Jakov mit ihrem einsamen Lanena-Strand: Der Pfad ist links und rechts von steinernen, von Hand aufgeschichteten Mauern eingefasst, ein letztes Stück im Schutz geduckter Bäume. Und dann liegt sie da, die kleine Bucht. Zwei vertäute Boote schweben auf dem Wasser, darunter der Grund.
Im Tagesverlauf verirren sich, wenn es hochkommt, zehn Menschen hierher, die Worte „herrlich“ oder „wohltuend“ auf den Lippen, wenn sie wieder aus dem Wasser steigen. Wer schnorchelt, ist inmitten von Schwärmen kleiner Fische aus wahrscheinlich Tausenden Tieren, ein Erlebnis, das es im sommerlich hochfrequentierten Kroatien so küstennah selten zu bestaunen gibt.
Zurück am Haus lodert im Holzkamin am Pool bald ein Feuer, dann glimmt die Glut. Der Fisch von Marktfrau Jozeta Bačinić in Mali Losinj – Wolfsbarsch, Dorade und Tintenfisch – duftet schon, als man von der Sauna und Ferienhaus-Souterrain ins nachtkühle Poolwasser steigt.
Danach ein Fischmahl auf der Terrasse im Herbst, in dem die Nachttemperaturen mit Glück nicht unter 18 Grad fallen? Was für Aussichten! Denkt man bei sich und beobachtet wechselbad-betäubt die Fledermäuse im Tiefflug.
Lautlos und blitzschnell schießen sie zielgerichtet auf das blau leuchtende Pool-Rechteck, tauchen mit der Nasenspitze kurz ein, scheinen Wasser zu nippen. Auch das ist anders als im Sommer, aber nicht minder reizvoll, wenn die Sonne sich schon um 17 Uhr neigt und eine Gemütlichkeit einläutet, wie man sie vom High-Season-Kroatien kaum kennt.