Die Sängerin Katja Berg über ihre Rolle in „Zauberflöte – Das Musical“, warum sie die Bühne als Ventil braucht, wann sie das letzte Mal etwas riskiert hat und welchen Song sie unter der Dusche singt.
Katja Berg ist eine der besten und erfolgreichsten Musical-Darstellerinnen Deutschlands. In ihrer 20-jährigen Karriere stand sie in vielen hochkarätigen Musicals auf der Bühne, darunter in „Mamma Mia!“, „Les Misérables“, „Evita“, „The Rocky Horror Show“, „Kiss me Kate“ und „Chicago“. Sie wurde 1977 „an einem heißen Sommerabend im schönen Süden Ostdeutschlands geboren“, wie sie sagt, und studierte nach dem Abitur an der Universität der Künste in Berlin Musical und Show. Jetzt glänzt sie als „Königin der Nacht“ in einer rockigen Neuinterpretation der Mozart-Oper „Die Zauberflöte“. Die Weltpremiere findet am 11. April im Deutschen Theater in München statt. Im FORUM-Interview begegneten wir einer herzlichen Katja Berg, die sich nicht scheut, einen sehr persönlichen Einblick in ihr bewegtes Leben zu geben.
Frau Berg, in der Musical-Fassung der „Zauberflöte“ sind Sie die „Königin der Nacht“. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen? Und was macht den besonderen Zauber der Rolle für Sie aus?
Der Intendant Benjamin Sahler sah mich in einigen Produktionen auf der Bühne und rief mich eines Tages an. Über solche Momente freut man sich natürlich sehr. Der Zauber, die „Königin der Nacht“ zu spielen, besteht für mich darin, die berechnende Leidenschaft, enttäuschte Wut und verletzte Liebe in die richtige Balance zu bringen. Kombiniert mit dem Anspruch, der Musik gesanglich gerecht zu werden, ist es eine schöne Aufgabe.
Wie interpretieren Sie Mozarts „Arie der Königin der Nacht“? Wie scheint da – trotz aller Vorgaben – Ihre eigene Persönlichkeit durch?
In der Szene direkt vor der Arie fordert die Königin der Nacht ihre Tochter Pamina auf, einen Mord zu begehen. Daher machte es absolut Sinn, diese Arie als spannendes Mutter-Tochter-Duell-Duett zu inszenieren. Die wunderbare Sängerin Misha Kovar und ich interpretieren gemeinsam diese Nummer. Es macht großen Spaß!
Und warum sollen sich die Menschen „Zauberflöte – Das Musical“ im Theater ansehen? Was wünschen Sie sich vom Publikum?
Es ist ein buntes Familienspektakel mit berauschenden Kostümen, großen Tanznummern und mit Mozart-Zitaten versetzter Rock-&-Popmusik plus einer großen Prise Selbstironie. Das Publikum möge sich entspannen, sich verzaubern lassen und vorher noch bitte die Handys ausschalten. Das wäre toll.
Sie können auf eine gut 20-jährige und sehr erfolgreiche Bühnenkarriere zurückblicken. Beschreiben Sie doch bitte Ihren Weg von „Mamma Mia“ zur „Zauberflöte“: Wie haben Sie sich als Künstlerin weiterentwickelt?
Ich bin sehr dankbar, nach so vielen Jahren immer noch auf der Bühne stehen zu dürfen. Aber auch darauf, dass ich mir den Raum gegeben habe, eine Familie zu gründen, bin ich sehr stolz. Es wäre jedoch unmöglich ohne meine wunderbare Familie und meinen tollen Mann, der das Business versteht und mir den Rücken stärkt. Denn was wären all diese tollen Rollen und die Karriere, wenn ich nach den Erfolgen allein bin und die Freude mit niemandem teilen kann? Das ist viel mehr wert als all die schönen Bühnenrollen.
Können Sie bitte beschreiben, wie Ihr Beruf wohl Ihren Blick aufs Leben beeinflusst und verändert hat?
Ich kann in das Leben von anderen Menschen eintauchen, ihre Geschichten durchleben oder mit Fantasie und Kreativität meine Interpretation finden. Ich darf mich verkleiden und anmalen, aus mir heraus verschwinden, darf ein Kind sein – spielend und leicht. Das hat mir oft geholfen, meine Kinder zu verstehen oder die Leichtigkeit in der Schwere des Alltags zu bewahren. Ich bin die Ulknudel zu Hause, die mit dem lockeren Spruch, die mit den Kindern im Pyjama durchs Wohnzimmer tanzt, laut lacht, sich verkleidet und Witze erzählt und die Musik so richtig unanständig aufdreht und den Moment lebt, ohne an die Folgen zu denken.
Wann haben Sie mehr über sich erfahren: Als Sie große Erfolge feiern konnten? Oder durch Niederlagen?
Durch Niederlagen natürlich. Anderen Frauen und Kolleginnen das Ergattern einer Rolle zu gönnen, war lange eine innere Aufgabe für mich. Nicht gleich an mir zu zweifeln, sondern zu wissen, dass man sich nicht gegen mich, sondern für eine andere Künstlerin entschieden hat. Dass es oft um Rollenkonstellationen geht, dass es genug für „uns alle“ gibt und dass wir Frauen einfach zusammenhalten müssen.
Was machen Sie, wenn Sie einmal aus der Balance kippen? Wer oder was hilft Ihnen da wieder auf die Beine zu kommen?
Meine Kinder, mein Mann, mein Hund, meine Familie und Freunde. Ein gutes Buch, ein Film, ein langes Gespräch, ein Kinderlachen, gemeinsames Kochen und die Probleme und Sorgen anderer anzuhören, ein langer Hunde-Spaziergang und die Barbaradio-Interviews von Barbara Schöneberger. Diese Frau bringt mich einfach immer zum Lachen.
Was treibt Sie mehr an – Lust oder Angst?
Die lustvolle Herausforderung treibt mich an. Und die Neugier! Wenn diese verschwindet, dann hör ich auf… und wenn die „Dritten“ beim Singen rausfallen.
Sie haben sich selbst als „Zirkuspferd“ beschrieben. Warum zieht es Sie immer wieder auf die Bühne?
Ich tauche in eine andere Welt ein, ich vergesse meine Sorgen und Probleme, ich singe mir die Wut aus dem Leib und flirte mit dem Bühnenlicht. Ich verarbeite die Dinge, die mich bewegen, um gleichzeitig vor ihnen zu fliehen. Das hat fast etwas Magisch-Therapeutisches.
Warum brauchen Sie die Bühne als Ventil?
Wenn ich ins Theater komme und manchmal müde bin oder schlecht gelaunt, dann spiele ich eine Vorstellung und gehe danach gestärkt und belebt nach Hause. Bis ich dann zur Ruhe komme und das Adrenalin langsam weniger wird, braucht es eine Weile. Der glückliche Schlaf ist dann das Beste. Das zufriedene Glücksgefühl gibt mir Kraft. Ansonsten hätte ich das Bühnenleben mit all seinen negativen Seiten längst aufgegeben.
Wer hat Sie denn in Ihren prägenden Jahren am meisten beeinflusst? Fördert das Leben in einer Plattenbau-Siedlung die Kreativität? Das (Sich-weg-)Träumen?
Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit in der Plattenbau-Siedlung in Berlin und später dann in Thüringen. Wenn man nichts anderes kennt, ist alles ganz cool und normal. Aber die Schule hat mich frustriert. Dieses ewige Auswendiglernen, dieses frühe Aufsehen, pünktlich sein und funktionieren, sich anpassen müssen. So habe ich mich natürlich in Serien und Filme geträumt. Habe stundenlang Whitney Houston und Barbra Streisand gehört und gesungen und Musicals geschaut. Dann habe ich Audrey Hepburn in „My fair Lady“ und Barbra in „Hello Dolly“ und „Yentl“ gesehen und wusste, was ich machen will.
Hatten Sie einen Mentor?
Meinem Musiklehrer am Gymnasium bin ich bis heute sehr dankbar. Er hat einfach einen Chor und eine Lehrerband gegründet. Mit dem Mathelehrer an der Gitarre und der Englischlehrerin am Akkordeon. Ich durfte als Sängerin bei Schulfesten und Weihnachtsfeiern auftreten. Er hat mich sehr gefördert und als einer der Ersten etwas in mir gesehen.
Sie haben viele sehr unterschiedliche Frauen dargestellt. Wie haben Sie es geschafft, das Typecasting zu vermeiden?
Ich glaube, ich war nie ein ganz klarer Typ. Ich war immer weiblich gebaut, konnte laut singen und hatte `ne große Klappe. Ich habe dramatische Rollen und komische Rollen gespielt und fühle mich in beiden wie ein Fisch im Wasser. Je älter ich werde, desto ernster werden die Rollen. Was sagt das über uns Frauen? Dass wir im Alter nur traurige verbitterte Geschichten erzählen können? Nein. Es werden ja immer mehr neue Stücke geschrieben, und ich denke, da wird es auch ein Umdenken geben.
In einem TV-Porträt wurden Sie als „furchtlos“ beschrieben und als „neugierig darauf, was das Leben so bereithält“. Woher nehmen Sie das Selbstvertrauen?
Vielleicht wirke ich auf den ersten Blick furchtlos, weil ich selbstbewusst rüberkomme. Aber auch ich habe meine Unsicherheiten. Ich bin voller Furcht, Neugier und Lebenshunger. Dieser Widerspruch in sich bringt Selbstvertrauen. Vertrauen, dass alles immer irgendwie gut wird – auch wenn’s grad blöd läuft.
Welchen Song singen Sie unter der Dusche oder beim Autofahren?
„You can count on me“ von Bruno Mars.
Beschreiben Sie sich doch bitte mit drei Worten.
Laut, emotional, ehrlich.
Wenn Ihr Leben ein Musical wäre – wie wäre der Titel?
„Fifty Shades of Berg“.
Und Ihre Lebensphilosophie?
Ein Lächeln ist die kürzeste Brücke zwischen zwei Menschen.