Joachim Arnold hat einiges zu sagen. Der Kulturunternehmer geht mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, ist am Puls der Zeit und weiß seine unterschiedlichen Zielgruppen und deren Bedürfnisse richtig zu lesen. Ist eigentlich auch logisch, sonst wäre Musik & Theater Saar nicht seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der saarländischen Kulturszene.

Mitte Juni starten die vielseitigen Veranstaltungen des Erfolgskonzepts Musik & Theater Saar. Die Kulturbranche hat sich insgesamt, bedingt durch Pandemie, Krieg und Inflation verändert. Geschäftsführer von Musik & Theater Saar, Joachim Arnold, sieht die Entwicklung unserer Zeit realistisch. „Schon vor, aber besonders durch Corona – die erste Zäsur nach mehr als zwei Jahrzehnten ununterbrochener Veranstaltungsreihen – hat sich einiges verändert und darum sind Umdenken, Neustrukturierung und Ausharren angesagt.“ Grundsätzlich ist Arnold ohnehin der Auffassung, dass nichts auf Dauer bleibt, wie es war. Und sieht genau diese Entwicklungen auch als Chance. Und er gibt unterschiedlichen Künstlern Chancen oder vielmehr die Möglichkeit, sich zu beweisen. Nicht wenige Akteure hatten zu Beginn ihrer Karriere hier im kleinen Saarland ihre ersten Engagements und erlangten später weltweite Bekanntheit. Damit will Arnold sich nicht rühmen, dennoch bedeutet es, dass man sich hier gern auf Neues einlässt, ohne dabei die Tradition außer Acht zu lassen und natürlich auch bekannte Größen in den verschiedenen Genres für die Veranstaltungsreihen zu gewinnen versucht.
„Auf hip machen“ geht nach hinten los

Nach der Pandemie und im Hinblick auf den ersten unbefangenen Sommer nach drei Jahren, soll ein kurzer allgemeiner Blick auf die Kulturszene erlaubt sein. Vor allem aus Sicht eines Mannes, der sich schon lange im Saarland, aber auch weltweit in ebendieser bewegt. „Ich muss sagen, dass sich die Kulturszene schon vor Corona leicht verändert hat. Die Pandemie hat dann bildlich gesprochen den Stecker rausgezogen. Alles was jetzt neu gemacht wird, muss anders angegangen werden. Die ganz großen, spektakulären Events funktionieren gut und die kleinen Sachen, die immer schon funktioniert haben. Wie bei uns die Kammermusiktage. Die Menschen, die hier her kommen, bleiben uns treu. Alles dazwischen ist schwierig und muss neu konzipiert und gedacht werden. Das ist eine Herausforderung für die Veranstalter. Wir machen kontinuierlich weiter. Die Kammermusiktage wollen wir aber auch nicht auf Gedeih und Verderb irgendwie ‚hip‘ machen – das bringt nichts. Dafür gibt es neue Konzepte, die die jungen Leute anziehen.
Aber zurück zu Corona. Bedingt durch Ausfälle und gestiegene Personal- und Produktionskosten steigen die Preise überall auch mal leichter mal mehr“, erklärt Arnold. Die Frage, die sich stellt, ist, ob die Leute denn nach der langen Zeit der Entbehrung gewillt sind mehr Geld auszugeben, jetzt, wo endlich wieder allerorts Veranstaltungen geboten werden? „Nein, das ist tatsächlich nicht so. Das meinte ich mit den richtig großen Events: Die Leute sparen ihr Geld für etwas Großes, Kostspieligeres. Man geht nicht hier und da hin. Wir haben unsere Preise kaum erhöht. Aber sonst ist ja alles teurer geworden. Der Krieg hat die Lage nach Corona ja noch deutlich verstärkt. Die Technik und die Arbeitskräfte sind extrem teuer geworden. Das merken die Veranstalter bitter. Nach der Durststrecke sind die Leute entgegen der Annahme nicht bereit, mehr zu zahlen, jetzt, wo wieder alles möglich ist. Auch in diesem Jahr laufen noch viele Nachholtermine aus den vergangenen zwei Jahren. Die Preise von ‚damals‘ sind noch aktuell, die Veranstalter müssen die Mehrkosten dann selbst tragen. Die lokalen Veranstalter müssen mehr machen, um im neuen Jahr wieder neue Acts zu bekommen, das Publikum leidet unter der Inflation und selektiert stark aus.“

Im Saarland und bei Joachim Arnold ist die Motivation weiterzumachen ungebrochen. „Ich bin neugierig und die Entwicklung finde ich spannend. Corona hat uns überhaupt nicht aus der Bahn geworfen. Es gab auch früher schon Schwierigkeiten. Das ist ja normal, das ist das Leben. Im einen Jahr ist alles perfekt, im nächsten kommen Änderungen, auf die man sich einlassen muss – das ist ein Spiel. Dinge ändern sich und das macht eben auch den Reiz aus. Sonst würde es ja langweilig werden.“
Zeit für einen Blick auf das diesjährige Programm: Ein Augen- und Ohrenschmaus des Programms ist natürlich das Musical „Jack the Ripper“ (weitere Infos in der kommenden Ausgabe 21 im Interview mit Frank Nimsgern). Es spielt in London gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ein düsteres Zeitalter, geprägt von einer Aufbruchsstimmung gepaart mit Angst, denn die Menschen wussten nicht so recht, wie es weitergehen wird. „Das Musical ist sehr erfolgreich. Ein ‚neues‘ Musical von Frank Nimsgern wurde heiß erwartet.“ Mord, Dunkelheit, Ungewissheit, Umbruch – das alles sind Themen, die den Zahn der Zeit treffen. „Das Europa, wie wir es kennen, ist vorbei. Wir wissen auch nicht, wo unsere Reise hingeht, das ist Stand jetzt. Ein Szenario der Zeitenwende – das spricht die Leute gerade heute sehr an. Darum kommt dieses Stück zum jetzigen Zeitpunkt genau richtig“, weiß Arnold.
„Mein Highlight sind die Kammermusiktage“
Eine ganz andere Zielgruppe auf der Veranstaltungsliste sprechen die Kammermusiktage in Mettlach an. In puncto Kammermusik ist es schwierig, ein junges Publikum für diese Art von Musik zu begeistern. „Aber das ist auch gar nicht schlimm“, meint Joachim Arnold, „Wenn man auf Gedeih und Verderb versucht, jung und pfiffig zu sein, geht das meist schief, und man verliert zu allem Überfluss unter Umständen sein Stammpublikum.“ Das Ambiente in der alten Abtei ist und bleibt etwas ganz besonderes und das Stammpublikum schätzt genau diese Faktoren seit Jahrzehnten. Es feiert den Anspruch.

„Wenn Sie nach meinem ganz persönlichen Highlight fragen, so sind es immer die Kammermusiktage. Wir haben zwei der besten jungen Streichquartette überhaupt, die die vorderen Plätze bei den wichtigsten Wettbewerben der Welt belegt haben. Und das ist eine supergute Präferenz. Weltweit führend für diesen Bereich. Das sind das Barbican Quartet und das Chaos String Quartet. Beide räumen ständig Preise ab. Und diese Musiker treffen genau meine DNA. Das mache ich mit Leidenschaft seit den 80ern. Die sprengen den Rahmen des Klassischen. Das grenzt für mich an mein privates Vergnügen, diese Musiker einzuladen, und das Publikum schätzt diese Darbietungen genauso“, sagt Arnold. Die Auswahl erfolgt bei dem Traditionsfest derart, dass alle Beteiligten um Arnold herum ständig die Augen und Ohren offenhalten. Und auch die Formationen, die später die großen bedeutenden Hallen auf der ganzen Welt bespielen, kommen gern nach Mettlach, wo schon viele ihre erfolgreichen Karrieren gestartet haben. „Die Agenturen bieten uns auch Künstler an. Da wird über Gagen und vieles mehr verhandelt. Das ist kein Hexenwerk, aber es ist spannend und macht jedes Jahr aufs Neue Spaß zu schauen, wer zu uns passt. Wenn ich dann beispielsweise schon zwei Streichquartette habe, wird neben unseren ‚Stammgästen‘, die immer für uns spielen, geschaut, was sich noch anbietet und Abwechslung verspricht.“ Des Weiteren soll das Programm natürlich ausgeglichen sein. Neben den Klassikern wie Mozart, Schubert und Brahms, darf es auch etwas flippiger werden. „Ich denke diese Mischung macht uns aus und kommt dementsprechend gut an.“
„Blasmusik ist im Saarland sehr beliebt“
Neben den Streichquartetten bieten die Kammermusiktage in Mettlach beispielsweise eine Matinee mit Markus Becker und Lutz Krajenski mit dem Programmtitel „A Klazz of its Own“. Da treffen zwei außergewöhnliche Künstler aufeinander, mit unterschiedlichen Vorlieben, die sich an und für sich in unterschiedlichen musikalischen Welten bewegen. Um aus dem Programm zu zitieren: „Eine musikalische Entdeckungsreise von Bach bis Gershwin, von Brahms bis Stevie Wonder und von Beethoven bis Thelonius Monk – ganz stilecht an einem Flügel und einem Fender Rhodes-Piano aus den 70er-Jahren.“
Über die Kammermusiktage hinaus, die tendenziell ein älteres Publikum ansprechen, gibt es natürlich noch viele andere Highlights, die ein ganz anderes Publikum bedienen. Das Big Band Festival zum Beispiel, das nun zum vierten Mal stattfindet, findet großen Anklang. Kevin Naßhan kuratiert das Ereignis, spielt selbst in einer Big Band – im Silent Explosion Orchestra – mit tollen Solisten. „Bei der Organisation rede ich ihm auch nicht rein. Er bekommt lediglich den Rahmen vorgegeben, und dann hat er freie Hand. Bisher waren wir sehr zufrieden“, sagt Arnold und fügt hinzu: „Im Saarland ist Blasmusik aber ohnehin sehr beliebt. Hier herrscht eine extreme Blasmusikdichte im Vergleich zu anderen Bundesländern. Keine andere Instrumentenart wird auch so intensiv gespielt wie die Blasinstrumente. Das spielt uns natürlich in die Karten. Es ist ein klassisches Instrumentengenre der Bergmänner.“

Beim Big Band Festival wird einiges geboten sein: Paul Carracks Karriere umspannt beachtliche fünf Jahrzehnte. Mit ihm spielt die SWR Big Band – eine der weltweit besten Bigbands. Vier Grammy Nominierungen heimste das Ensemble, das immer wieder neue Wege und Herausforderungen sucht, bisher ein.
Das Jugendjazzorchester Saar, das ebenfalls spielen wird, bietet jungen begabten Musikerinnen und Musikern die Möglichkeit, großorchestralen Jazz in seiner ganzen stilistischen Vielfalt kennenzulernen und wiederzugeben. Das Auswahlensemble gilt als Fortführung der Landesschüler-Bigband „JazzTrain“ und versteht sich als Talentschmiede des saarländischen Jazznachwuchses.
Nach wie vor ungebrochen beliebt ist das SR Klassik am See. Die Infos zum genauen Programm „Europa“ sind auf der Homepage nachzulesen und vielseitig, wie der Titel, den es trägt. Der Hörgenuss auf der Picknickwiese ist und bleibt ein besonderes Erlebnis.
Obendrein gibt es aber auch noch einen interessanten Ausblick auf das kommende Jahr, denn dann wird es erstmals Opernfestspiele am Saarpolygon geben. Allein die Kulisse ist derart vielversprechend, dass man sich jetzt schon mit etwas Fantasie vorstellen kann, wie außergewöhnlich eine Operndarbietung vor Ort sein wird.