Bettina Jarasch glaubt fest an sich. Und ist überzeugt, nach dem 12. Februar die zweite grüne Landesregierung in der Bundesrepublik zu führen. Doch der Wahlkampf begann für sie mehr als holprig.
Es war das Prestigeprojekt der Bürgermeisterin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, und Klimaschutz: Eine der berühmtesten Straßen Berlins sollte autofreie Flaniermeile werden, ein Pilotprojekt lief bereits seit zwei Jahren. Bettina Jarasch scheiterte mit Ansage und das ausgerechnet wenige Tage vor dem offiziellen Startschuss zur Wahlwiederholung. Das Verwaltungsgericht stoppt die gerade mal 500 Meter lange Radstraße im Herzen Berlins. Jarasch machte dann noch den Fehler und interpretierte in öffentlicher Breite den Richterspruch in die denkbar verkehrteste Richtung und beleidigte obendrein ihre Regierungschefin Franziska Giffey (SPD). Die anschließenden Lacher hatte die Regierende Bürgermeisterin auf ihrer Seite, besser konnte für die SPD der Wahlkampfauftakt nicht beginnen. Die Grüne Jarasch bis auf die Knochen blamiert, doch seitdem ist sie endgültig im Angriffsmodus, etwas anderes bleibt ihr auch nicht übrig.
Parkplätze müssen weichen
Es läuft nicht rund für die Grünen an der Spree. Das begann schon mit dem Wahlabend vor anderthalb Jahren. Über Stunden sah es für Jarasch, gebürtig aus Augsburg, so aus, als würde sie die nächste – die erste grüne – Regierende Bürgermeisterin Berlins. Doch dann verlor die 54-jährige Wahlberlinerin doch noch gegen ihre SPD-Konkurrentin Giffey. Jetzt bläst den Spree-Grünen der Bundestrend entgegen. AKW-Laufzeitverlängerung, Flüssiggas-Importe im großen Stil oder wieder hochfahrende Kohlekraftwerke verunsichern ihr Wahlvolk. Dazu kommt, dass die von Spitzenkandidatin Jarasch verkündete Verkehrswende auf erheblichen Widerstand stößt, nicht nur bei den Verwaltungsrichtern, sondern ausgerechnet bei den eigenen Wählern. In den grünen Kiezen der Hauptstadt stößt sie bei ihrer eigenen Klientel auf wenig Gegenliebe. Die ohnehin raren Parkplätze sollen entweder für Fahrradstraßen ganz verschwinden oder die Parkplätze zukünftig vermehrt mit Fahr- oder Lastenrädern und sonstigen Gefährten der E-Mobilität zugestellt werden. Verkehrswende prima, aber wenn Teile der grünen Wählerschichten ihren sündhaft teuren Elektro-SUV nicht mehr in ihrer Wohnstraße vor der Haustür parken können, sorgt das für Ärger. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Bergmannkiez in Kreuzberg, der in einem der grünsten Wahlkreise der Republik liegt. In den vergangenen vier Jahren wurde die Bergmannstraße im Sinne der Verkehrswende sage und schreibe sechsmal umgewidmet. Spätestens mit der Räumung des Dorfes Lützerath kippt die Stimmung bei den Hauptstadt-Grünen endgültig. In den bisherigen Wahlkämpfen zum Abgeordnetenhaus litten vor allem die Wahlplakate von AfD, CDU und FDP unter Vandalismus. Doch mit der Räumung von Lützerath für den Braunkohle-Tagebau wurden vor allem die Plakate der grünen Spitzenkandidatin mit „Hau ab“, „Wahlboykott“ oder „Aus Grün wird Braun“ überschmiert. Die Stimmung an den Wahlkampfständen ist dementsprechend aufgeladen und in den letzten Umfragen sind die Hauptstadt-Grünen nicht mehr die politischen Lieblinge der Berliner, selbst in ihren Hochburgen. 18 bis 20 Prozent werden den Grünen noch zugetraut und damit ist klar: Es wird am Wahlsonntag ein Kopf-an Kopf-Rennen mit der CDU geben. Doch Bettina Jarasch gibt nicht auf, für die 54-Jährige sind das alles nur Momentaufnahmen. „In Berlin geht es nicht um den Braunkohletagebau, sondern um die aktuellen Probleme der Stadt, und die brauchen grüne Lösungen“, so Jarasch im Gespräch mit FORUM. Spannend, ob das die Grünen-Wähler an der Spree auch so sehen werden.