Außergewöhnlich heftige Wetterphänomene nehmen seit Jahren weltweit zu. Experten der Universität der Vereinten Nationen kommen zu einem eindeutigen Ergebnis.
Es war nach Mitternacht, als Ahmad Aleem Khan von einem ungewöhnlichen Donnern aus dem Schlaf gerissen wurde. Wasser, das von den Bergen herabstürzte, schlug gegen die Wände seines Hauses im malerischen Swat-Tal, eigentlich ein beliebtes Touristenziel im Nordwesten Pakistans. Der 62-Jährige konnte nur noch dabei zusehen, wie sein Haus am Morgen des 26. August unter den Wassermassen zusammenstürzte. Er hat alles verloren. Auch Shahzad Shakir, der sein Hotel am Fuße des Swat-Flusses verlor, steht vor den Trümmern seiner Existenz. Diese beiden Beispiele betreffen nur zwei von 1,9 Millionen Menschen, deren Häuser durch die derzeitige Flutkatastrophe in Pakistan zerstört oder beschädigt wurden.
Seit Mitte Juni litt Pakistan unter ungewöhnlich starken Regenfällen. Im August erlebte das Land die schwersten je aufgezeichneten Fluten seiner Geschichte. Eine besonders frühe Hitzewelle im gleichen Jahr hat die Katastrophe verstärkt: Der ausgedörrte Boden konnte die Massen an Wasser kaum aufnehmen. Ein Drittel Pakistans stand im Hoch- und Spätsommer unter Wasser, rund 1.600 Menschen haben ihr Leben verloren. Insgesamt sind 33 Millionen Menschen von den Fluten betroffen. Nach Schätzungen der pakistanischen Regierung liegen die Flut-Schäden bei 30 bis 40 Milliarden Euro. Auf viele wartet danach der Hunger, nachdem das Wasser laut pakistanischem Klimaschutzministerium 45 Prozent des landwirtschaftlichen Anbaus im Land zerstört hat. Auch ihr Vieh haben viele Menschen verloren. Zudem breiten sich Infektionskrankheiten aus.
Nach der Flut folgt der Hunger
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte bei seinem Besuch in Pakistan, er habe er noch nie eine Klimakatastrophe dieses Ausmaßes gesehen. Auch die pakistanische Klimaschutzministerin Sherry Rehman nannte den Klimawandel schon jetzt eine „existenzielle Krise" für ihr Land. Für Aisha Khan von der Civil Society Coalition on Climate Change ist nun eindeutig Handeln angesagt: „Zum Klimawandel gibt es viele Lippenbekenntnisse, aber ich hoffe, dass nun der Moment der Abrechnung gekommen ist."
Dürren und Überschwemmungen, Hitzewellen und Waldbrände, tropische Wirbelstürme wie Hurrikane, Taifune und Zyklone: Keine Naturkatastrophe ist für sich genommen ein Beweis für den menschengemachten Klimawandel. Doch in Summe haben sich im Lauf der Jahrzehnte die Indizien gemehrt – und die immensen Schäden. Viele Naturkatastrophen wie Brände, Überschwemmungen, Dürren oder Nahrungsknappheit sind nach einer Analyse der Universität der Vereinten Nationen auf dieselben Ursachen zurückzuführen. Dazu gehörten unter anderem der Klimawandel, die Abholzung und die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen ohne Berücksichtigung der Umweltkosten, heißt es in deren Bericht. Die Experten haben dafür zehn Katastrophen unter die Lupe genommen. Darunter waren aus dem Sommer 2021 etwa die Rekordtemperaturen in Westkanada mit fast 50 Grad, die Überschwemmung von New York City durch Ausläufer des Hurrikans Ida, die Waldbrände im Mittelmeerraum, eine Dürre in Taiwan und ein Erdbeben in Haiti. Dabei kommen sie auch zu dem Schluss, dass mehr Menschenleben durch bessere Vorbereitung hätten gerettet werden können. Städte- und Umweltplaner in aller Welt müssten Risiken besser berücksichtigen. Die Antwort auf Hitze sei nicht der Einbau möglichst vieler Klimaanlagen, die wiederum Treibhausgase verursachen und den Klimawandel weiter anheizen. Bessere Lösungen wären: mehr Parks und mehr freie Flächen, die nicht durch Gebäude, Straßen, Parkplätze oder Kunstrasen versiegelt sind, begrünte Dächer und Fassaden und mehr Bäche und Springbrunnen in Städten.
Experten malen düstere Zukunft für Australien
Allein in Deutschland haben Naturkatastrophen den Versicherern nach Angaben ihres Verbands im ersten Halbjahr Schäden von rund drei Milliarden Euro eingebrockt. Damit sei 2022 ein überdurchschnittliches Schadenjahr, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. Die Winterstürme „Ylenia", „Zeynep" und „Antonia" im Februar hätten mit 1,4 Milliarden Euro fast die Hälfte der Schäden verursacht. Hinzu kam im Mai der Tornado „Emmelinde" mit starken Zerstörungen in Paderborn, Höxter und Lippstadt. Rund um den Erdball richteten Naturkatastrophen in der ersten Jahreshälfte 2022 volkswirtschaftliche Gesamtschäden von 65 Milliarden Dollar an. Die oben genannten Schäden von bis zu 40 Milliarden allein in Pakistan sind dabei noch gar nicht eingerechnet.
Auch Australiens Ostküste war 2022 gleich mehrmals von außergewöhnlich starkem Regen und Überschwemmungen betroffen. Viele Menschen haben alles verloren. Auch viele Tiere sollen in den Fluten gestorben sein. Im Oktober etwa war in vielen Gebieten an der Ostküste „Land unter". Damals erstreckte sich ein Sturmgebiet über eine Länge von 3.500 Kilometern vom Norden Queenslands bis zum südöstlichen Bundesstaat Victoria. Immer wieder gab es Evakuierungsanordnungen. Mitte November meldeten mehrere Gebiete im Bundesstaat New South Wales an der Ostküste erneut rekordverdächtige Überschwemmungen. Viele Menschen mussten nach Sturzfluten per Hubschrauber aus ihren von Wassermassen umgebenen Häusern gerettet werden. In Südaustralien sollen an einem Tag rund 423.000 Blitze niedergegangen sein.
Ein Bericht des Weltklimarates IPCC vom Februar 2022 geht davon aus, dass Australien in Zukunft noch häufiger von verheerenden Naturereignissen heimgesucht wird. Stärkere Hitze, gefährlichere Feuer, mehr Dürren und Überschwemmungen, ein höherer Meeresspiegel und trockenere Winter seien zu erwarten.