Seit 16 Jahren ist Sandy P. Peng aus Bregenz als Tierschutz-Aktivistin und Tierrechtlerin tätig, unter anderem für den „VGT – Verein gegen Tierfabriken“. Mit FORUM spricht sie über ihre Arbeit, Erlebtes und die Zustände in der Pelz- und Massentierhaltung.
Frau Peng, wie und wann kamen Sie dazu, sich vegan zu ernähren und sich für Tiere zu engagieren?
Auslöser für meinen Aktivismus war die Jagd auf Babyrobben in Kanada. Ein grausames Massaker an hunderttausenden unschuldigen Tieren, allein wegen ihres Fells! Ab dem Zeitpunkt nahm ich mir vor, intensiv gegen die Jagd und die Pelzindustrie vorzugehen.
Die Ernährungsumstellung war bei mir ein Prozess. Aber als ich anfing, den Pelztieren meine Stimme zu geben, war klar, dass es ethisch nicht vertretbar ist, weiterhin Tiere zu konsumieren und deren Tötung in Auftrag zu geben – also hörte ich damit auf. Nach und nach habe ich dann auch die zahlreichen ökologischen und gesundheitlichen Vorteile der pflanzlichen Kost entdeckt.
Würden Sie sich als Tierrechtlerin oder/und als Tierschützerin bezeichnen?
Vom Herzen her fühle ich mich als Tierrechtlerin, auch wenn meine Arbeit oft auch aus Tierschutzarbeit besteht. Die Grundidee ist es ja, Tiere zu schützen, nicht weil sie vom Aussterben bedroht sind oder putzig aussehen, sondern weil sie leidensfähig sind und Bewusstsein haben. Im klassischen Tierschutz zieht man oft beliebige Grenzen. Hunde und Katzen sitzen neben dem Tisch, Schweine und Rinder liegen darauf. Obwohl sie die gleichen kognitiven Fähigkeiten haben und nicht weniger liebenswert sind. Als Tierrechtlerin kann ich keine Unterschiede machen, wo es keine gibt.
Wie wird man hauptberufliche Tierrechtlerin?
Bei mir war das ein langer Weg. Ich habe vor rund 16 Jahren begonnen, mich mit der Tiernutzung und dem damit verbundenen Tierleid auseinanderzusetzen. Viele Jahre hatte ich meine ganz normale Brotarbeit, meine Tierschutzarbeit habe ich ausschließlich nebenbei gemacht. Das war teilweise anstrengend, aber auch spannend und sehr vielfältig – und der Wunsch wurde immer größer, all meine Zeit diesem Thema widmen zu können. Ein Mitarbeiter des „VGT – Verein gegen Tierfabriken“ hat mich dann irgendwann angesprochen und gefragt, ob ich mitmachen möchte. Aus ein paar Stunden freiwilliger Mitarbeit pro Woche wurde mein Hauptberuf. Ich bin sehr dankbar, dass ich nun meine ganze Zeit und Kraft in diese Arbeit stecken kann.
Ergänzend betreibe ich seit 2015 mein eigenes Label mit fair produzierter und handbedruckter Tierschutz-Statement-Mode. Statements zu tragen ist meiner Meinung nach eine weitere Form von effektivem Aktivismus. Ich bin sehr stolz darauf, dass es mittlerweile sehr viele Menschen gibt, die meine Botschaften tragen und leben.
Wie genau sehen Ihr Leben und Ihr Alltag aus?
Meine Aufgaben sind vielfältig, und ich bin sehr viel unterwegs, arbeite deswegen auch oft während meiner Bahnreisen. Ein großer Teil besteht in der Öffentlichkeitsarbeit, in der direkten Kommunikation mit Menschen, die sich mit den Themen Tierschutz und Tierrechte beschäftigen. Da spielen unter anderem auch die sozialen Medien eine große Rolle. Ich habe viel Erfahrung in diesem Bereich von meinen vorherigen Tätigkeiten mitgebracht. Neben der Erstellung von Grafiken, Inhalten und Kommunikation ist es auch notwendig, dass ich über alle Themen, die bei uns bearbeitet werden, gut informiert bin, damit ich kompetent Auskunft geben und diskutieren kann.
Es motiviert mich, wenn ich bei Tierschutz-/Tierrechts-Projekten an der Front mitwirken kann, deswegen bin ich auch regelmäßig bei Einsätzen dabei. Bei Aktionen vor Ort habe ich dann auch die Möglichkeit, mittels Fotos und der Beschreibung der Situation die Öffentlichkeit zu informieren.
Gegen welche Dinge und Zustände setzen Sie sich ein?
Begonnen hat es bei mir privat wie erwähnt mit den Bildern der Tötung von Robben und auch von Haien und Walen. Als Mitarbeiterin beim VGT – Verein gegen Tierfabriken – hat sich der Schwerpunkt auf die so genannten Nutztiere verlagert, aber zwischendurch kann ich punktuell meine Ursprungsthemen einbringen. Mehrere Monate im Jahr liegt der Fokus auch beim Thema Jagd.
Im Prinzip beschäftigen wir uns mit sehr vielen Tierschutzthemen gleichzeitig, aber wir haben immer wieder Schwerpunkte, wo wir die Menschen sehr intensiv über ein Thema informieren, damit das im Bewusstsein der Öffentlichkeit besonders fokussiert ist.
Sie nehmen an vielen Aktionen mit Ständen in Fußgängerzonen und Demos teil. Wie begegnen Ihnen die Menschen dort – eher Interessiert, schockiert oder teilweise auch aggressiv?
Die direkte Kommunikation mit Menschen auf der Straße ist besonders spannend, denn da ist wirklich alles dabei. Die meisten Passanten kommen an den Stand, weil sie an Tierschutz interessiert sind. Oft deshalb, weil sie in den Medien von den Zuständen in der Nutztierhaltung erfahren haben und wissen wollen, was sie dagegen machen können. Unsere Tipps sind vielfältig, man muss dann gemeinsam herausfinden, wie weit der jeweilige Mensch gehen möchte.
Aggressionen erlebte ich vereinzelt bei Protesten und Demonstrationen. Die Jägerschaft ist sehr klagefreudig und bei Tierfabrik- und Zirkusbetreibern kam es vereinzelt auch zu körperlichen Übergriffen. Manchmal protestierte ich auch provokanter, aber ausnahmslos friedlich. Alles andere würde der kompletten Tierrechtsbewegung schaden und den Tieren nicht helfen.
Aktuell haben Sie über eine der größten Kaninchenzuchtanlagen Deutschlands berichtet, in der die Tiere unter anderem offenbar in kleinen Käfigen eingepfercht sind. Kranke Tiere sollen erschlagen werden, die gesunden teilweise an Versuchslabore verkauft. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart dürfen Ort und Name des Betriebes nicht genannt werden. Haben solche Tierquälereien denn keine Auswirkungen für Betriebe?
Tierquälereien haben meist wirtschaftliche Gründe. Die gesetzlichen Grundlagen ermöglichen einerseits viele Tierquälereien, andererseits schränken sie auch die Information über Missstände ein. Das ist natürlich zutiefst undemokratisch, denn der allergrößte Teil der Bevölkerung möchte natürlich nicht, dass Tiere leiden müssen für unsere Nutzung. Sie wird aber nicht gefragt, im Gegenteil – man wird bestraft, wenn die Bevölkerung auf das erfahrene Leid reagiert und die Konsequenzen zieht.
Es ist ein mühsamer Kampf, der durch verbesserte Gesetze so nicht geführt werden müsste. Es ist traurig, dass Tierschutzvereine diese von der Bevölkerung nicht gewünschten Zustände immer wieder aufdecken müssen, weil die Politik versagt. Es ist ein regelrechter Kampf und ich hoffe, dass sich der Wunsch der Bevölkerung nach Information und verbesserten Tierschutzgesetzen immer mehr durchsetzt.
Wie reagieren Betriebe, wenn Tierrechts-/Tierschutz-Vereine Aufnahmen machen und veröffentlichen – braucht es da ein sehr dickes Fell?
Im Falle von landwirtschaftlichen Betrieben, in denen Missstände aufgedeckt werden, veröffentlichen wir keine Namen. Weil sie Teile des Systems sind, weil es viele andere gibt, die genauso arbeiten. Hier geht es uns darum zu zeigen, wie die gängige Praxis aussieht. Aber wir leiten Anzeigen an die Behörden weiter – und so kommt es zu Verfahren und auch immer wieder zu Gerichtsverhandlungen, wo wir dann merken, was die Konsequenzen sind. Meist ist die öffentliche Empörung angesichts des Tierleids groß, die Strafen sind viel zu gering. Aber es bewirkt trotzdem viel.
Wurden Sie auch schon verklagt?
Gegen viele von uns, die bekannt sind und ganz vorne arbeiten, gibt es immer wieder diverse Anzeigen und Klagen, auch gegen mich. Im Rahmen meiner Arbeit beim VGT habe ich das Glück, dass ich juristische Unterstützung habe. Die Gegenseite hat oft viel politischen Einfluss und große finanzielle Möglichkeiten, alleine würde man bei meiner Arbeit in ständiger Angst leben müssen.
Wie schwer fällt das, ein sterbendes Tier zu filmen?
Professionell arbeiten heißt, im Fokus zu behalten, was die Aufgabe ist. Wenn man ein verletztes Tier filmt, dann arbeitet man als Journalist, nicht als Tierarzt. Der Bevölkerung muss gezeigt werden, wie das legale Tierleid aussieht oder wie auch illegales Tierleid ignoriert wird. Die Trauer, die Verzweiflung, ein Gefühl der Hilflosigkeit – das kommt danach. Damit muss man lernen umzugehen.
Denkt man dann nicht darüber nach, es mitzunehmen und zum Tierarzt zu bringen?
Ja klar denkt man daran, aber in den meisten Fällen ist das völlig unmöglich. Damit muss man sich in der Situation abfinden und den Fokus darauf lenken, wie das Tierleid in Zukunft prinzipiell – vor der Entstehung – verhindert werden kann.
Sie engagieren sich auch sehr gegen Pelz. In den letzten Jahren steigen immer mehr europäische Designermarken aus dem Pelzgeschäft aus. Werden die Pelzfarmen wirklich weniger oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
In Europa und den westlich orientieren Ländern haben wir aufgrund jahrzehntelanger Thematisierung zweifelsohne sehr viel erreicht. Die Anzahl der gehaltenen Tiere in diesen Gebieten sinkt immer mehr. Aber gelöst ist das Problem noch immer nicht. Der absurde Glaube an die Existenz von artgerechter Haltung von sogenannten Pelztieren besteht bei manchen noch immer. Unser großes Ziel ist es, die Pelztierhaltung in der Europäischen Union vollkommen zu verbieten und auch ein Pelz-Handelsverbot zu erreichen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Jahren schaffen können.
Sie sind schon seit 16 Jahren in diesem Bereich aktiv. Haben Sie das Gefühl, dass sich der Aktivismus von Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen lohnt?
Das ist eine Frage, die mir häufig gestellt wird. Und ja, natürlich – niemand kann bestreiten, dass wir effektiv sehr viel erreicht haben. Die Tierschutzbewegung ist weltweit aktiv, unsere Argumente sind beinahe für alle nachvollziehbar – und auch vielfältig. Neben dem Tierschutzgedanken ist es ja auch unsere Gesundheit, die von weniger oder sogar gar keinen Lebensmitteln tierischen Ursprungs profitiert. Das Letztere ist auch ein wichtiges Argument, warum immer mehr vegane Lebensmittel im Lebensmittelhandel erhältlich und auch als solche auffallend gekennzeichnet sind. Und auch in Zeiten der Klimakrise wird immer bewusster, wie krankhaft verschwenderisch die Haltung der sogenannten Nutztiere ist, wie viele Ressourcen sinnlos verschwendet werden und wie einfach es ist, ohne Minderung der Lebensqualität verantwortungsvoller zu handeln. Wenn ich die Situation vom Beginn meiner Aktivität mit jetzt vergleiche ist da ein unglaublicher Unterschied in so vielen Bereichen.
Welche Dinge regen Sie am meisten auf?
Fehlendes Verständnis trotz zahlreicher Fakten und Erkenntnisse, Egoismus und Ignoranz. Es ist doch absurd, dass ich als Veganerin oft als extrem bezeichnet werde, einzig und allein, weil ich das Töten von Lebewesen ablehne.
Was waren die schlimmsten Dinge, die Sie im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gesehen und erlebt haben?
Die Misshandlungen in Tierversuchslaboratorien sind natürlich kaum zu ertragen. Aber auch die Einblicke in Schlachthäuser, die man ja normalerweise nicht bekommt, sind unfassbar. Die Schweine, wie sie im Kohlendioxid ihre Münder und Augen weit aufreißen und ihre Körper hin- und herschlagen – es ist unfassbar, dass ihr Fleisch dann wenige Tage später fein zerteilt an vollkommen ahnungslose Menschen verkauft wird. Und das barbarische Abschneiden der Flossen von Haien – der schwer verstümmelte Körper wird dann zum Sterben wieder ins Meer geworfen – nur, weil das Profit bringt.
In Niederösterreich dokumentierten wir eine Treibjagd auf Fasane, an der sich rund 40 Jäger und Treiber beteiligten. Diese Hobbyjagd war besonders schrecklich und grausam, es war ein regelrechtes Gemetzel. Innerhalb weniger Minuten fielen vor uns mehrere Fasane auf den Boden. Ein Fasan landete direkt vor meinen Füßen. Das Tier war angeschossen worden und schwer verletzt, als es herunterstürzte. Während der Vogel verstarb, liefen mir die Tränen und ich fühlte mich so hilflos. Währenddessen erschossen die Jagdleute noch viele weitere Fasane und auch Hasen wurden umgebracht. Ich war so wahnsinnig wütend! Dieses sinnlose Töten von unschuldigen Lebewesen für den Jagdspaß muss gestoppt werden!
Auch der Anblick des Silberfuchses aus einer polnischen Pelzfarm, etwa acht Monate alt, war unerträglich. Sein kleiner Körper war übersät von Wunden und Verletzungen, er hatte deformierte Pfoten durch die Käfighaltung. In seinen Augen: pure Angst und Schmerz. Er konnte gerettet und versorgt werden. Zusammen mit weiteren Füchsen lebte er noch einige Jahre bei einem Lebenshof.
Es gibt so viel, was einen verzweifeln lassen könnte. Aber wegschauen ist keine Option. Es liegt an uns, diese Wahnsinnigkeiten zu beenden.
Wie schaffen Sie es, mit all den furchtbaren Bildern umzugehen?
Ich sehe diese Aufnahmen nicht, um mich damit zu quälen, sondern um dagegen vorzugehen. Jedes Leid ist ein Auftrag an uns, es abzustellen. Wir sind ein großes, effizientes Team. Wir teilen unsere Arbeiten gut auf, jede und jeder macht das, was er oder sie am besten kann. So haben wir Erfolge, die uns zeigen, dass wir etwas bewegen können. Wir stützen einander gegenseitig.
Und natürlich genieße ich auch die wunderbaren Momente des Lebens. Mit meiner Familie und meinen Freunden, meinem Partner, der Natur, die ich genießen kann, egal ob am Berg oder im Wasser. Ich bin dankbar, dass ich meine Arbeit so machen kann, und ich freue mich natürlich auch über Wertschätzung und Motivation.
Was waren Ihre größten Erfolge?
Jedes gerettete Tier! Menschen, die aufgrund meiner Öffentlichkeitsarbeit das eigene Konsumverhalten umgestellt haben oder selbst aktiv geworden sind.