140 Jahre nach Auguste Renoirs Sommerurlaub auf Guernsey werden auf der Insel erstmals alle Werke gezeigt, die der Impressionist dort schuf.
Guernsey, die kleine Insel mitten im Ärmelkanal, ist momentan Ort eines ganz besonderen Kunstspektakels: Denn seit rund einem Monat ist dort die weltweit einzige Renoir-Ausstellung des Jahres zu sehen. Mit ihr wird der 140. Jahrestag des Aufenthalts von Pierre-Auguste Renoir auf Guernsey gefeiert. Dank der Zusammenarbeit mit den Museen von Guernsey und dem Musée des Impressionnismes Giverny bei Paris sind erstmalig alle Kunstwerke von Renoir an ihrem Entstehungsort zu sehen, die er während seines Aufenthaltes auf Guernsey im September 1883 schuf.
Der berühmte französische Impressionist malte in jenem Jahr während eines mehr als vierwöchigen Sommerurlaubs 15 Landschaftsbilder, von denen die meisten Ansichten die Bucht des Strandes von Moulin Huet zeigen. Zu der Zeit stand Renoir kurz vor dem Ende seiner impressionistischen Periode und war auf der Suche nach neuen Ideen. Auf Guernsey faszinierte ihn das Zusammenspiel von Licht, Natur, dem kristallklaren Wasser, den steilen Klippen.
Die Idee zu dieser einmaligen Ausstellung entstand 2019, als anlässlich des 100. Todestages des Künstlers in der Bucht von Moulin Huet ein Renoir-Wanderweg angelegt wurde. Dieser folgt den Spuren des Künstlers entlang der Bucht und ist durch fünf leere Bilderrahmen gekennzeichnet, die genau an jenen Stellen aufgestellt sind, an denen Renoir seine Bilder gemalt hat. Die Rahmen ermöglichen es dem Betrachter, Moulin Huet aus den Perspektiven zu sehen wie einst der Künstler.
Die Idee zu dem Renoir Walk hatte Art for Guernsey, eine gemeinnützige Initiative, die von einem Team leidenschaftlicher Fachleute geleitet wird. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, Gemeinschaften zusammenzubringen, Bildungsmöglichkeiten zu bieten und die kulturelle Diplomatie zu fördern. Ursprünglich nur als Hommage an den 100. Todestag des Künstlers gedacht, erfreute sich der Spazierweg schnell großer Beliebtheit bei Touristen und Einheimischen, sodass Art for Guernsey beantragte, die Rahmen dauerhaft an Ort und Stelle zu belassen. Zu diesem Zeitpunkt dachten die Mitglieder von Art for Guernsey auch zum ersten Mal an eine große Ausstellung mit Werken Renoirs anlässlich des Jahrestages seines Aufenthaltes auf der Insel.
Ein Meilenstein bis dorthin war der Erwerb eines der Meisterwerke, die der Künstler während seines Aufenthalts auf Guernsey gemalt hat. Auf Initiative von Art for Guernsey konnte 2020 mithilfe einer Gruppe lokaler Kunststammler „Rochers de Guernesey avec personnages (Plage à Guernsey)“ – deutsch: „Guernsey-Felsen mit Figuren (Strand in Guernsey)“ – erworben werden. Es gilt als eines der besten Gemälde aus Renoirs Zeit auf der Insel und ist eines von nur fünf Werken von Guernsey, die sich noch in Privatbesitz befinden.
Jetzt sind aber nicht nur 15 Renoir-Werke, die er einst auf der Insel malte, im Candie-Museum in Guernseys Hauptstadt St. Peter Port zu sehen – auch andere Orte beteiligen sich mit Ausstellungen. In der Priaulx-Bibliothek, ebenfalls in St. Peter Port, können Besucher sich durch „einen Tag im Jahr 1883“ bewegen. Hier wird eine Sammlung von Stichen, Fotografien und Dokumenten gezeigt, die die Atmosphäre der Insel zu der Zeit von Renoirs Besuch aufleben lassen.
Hommage an Guernseys berühmtesten Besucher
Bestandteil der Exposition sind zudem geführte oder individuelle Touren auf dem Renoir Walk, bei denen man Renoirs Schaffen bei einem Spaziergang nahekommt und dem Künstler gewissermaßen „beim Arbeiten über die Schulter schauen kann“.
Ein weiterer Teil der Ausstellung widmet sich der Fotografie: Der örtliche Fotograf Paul Chambers stellte sich der Herausforderung, das berühmte Licht in Renoirs Werken mit einer Fotoausrüstung aus dem 19. Jahrhundert einzufangen. Chambers Ziel war es, Renoirs Theorie zu überprüfen, nach der das damals neu aufkommende Medium der Fotografie niemals mit der Malerei mithalten könne, wenn es darum geht, die Bewegung des Lichts einzufangen. Chambers nahm die Herausforderung an, das zu erreichen, was Renoir für unmöglich hielt. Das Ergebnis ist in der Galerie von Art for Guernsey in der Inselhauptstadt zu sehen, wo auch Fotografien von Hobbyfotografen gezeigt werden, die in gleicher Mission unterwegs waren.
Einen ganz besonderen Teil der Ausstellung „Renoir in Guernsey 1883“ steuern Grundschüler bei. Seit September vorigen Jahres haben 530 Schüler der dritten Klasse in 13 Grundschulen an einem Projekt teilgenommen, das das Werk des Künstlers zum Leben erweckt. Die Kinder lernten dabei, eine Idee und eine Komposition für ein eigenes Kunstwerk zu entwickeln. Anschließend wurde ihnen das von Art for Guernsey erworbene Originalgemälde Renoirs gezeigt, um zu lernen, wie man es lesen kann. Danach hat jedes Kind ein eigenes Kunstwerk geschaffen, das einen besonderen Bezug zu Renoir hat. Alle 530 Kunstwerke der Grundschüler wurden auf Keramikfliesen gedruckt und sind nun in der Art-for-Guernsey-Galerie zu sehen. Dieser Ausstellungsteil hätte Renoir möglicherweise besonders gefallen, denn seine Familie konnte es sich nicht leisten, ihn trotz Talents künstlerisch ausbilden zu lassen. Pierre-Auguste musste stattdessen bereits im Alter von 13 Jahren die Schule verlassen, um Geld zu verdienen. Wenigstens konnte er als Lehrling bei einem Porzellanmaler in einer Pariser Fabrik Keramikgeschirr dekorieren und so Feinheiten des Malens erlernen.
„Renoir in Guernsey 1883“ ist ein Gemeinschaftswerk vieler, die es mit ihren Ideen, Leidenschaft und internationaler Unterstützung geschafft haben, eine Hommage an Guernseys berühmtesten Besucher auf die Beine zu stellen – 140 Jahre, nachdem der Maler der kleinen Kanalinsel mit seinen Gemälden ein Denkmal gesetzt hat.