In Berlin fehlen weiterhin Wohnungen – vor allem solche, die auch bezahlbar sind. Das geht aus dem aktuellen Wohnraumbedarfsbericht des Senats hervor.

Die Erkenntnis hat nicht wirklich überrascht: Es gibt zu wenig Wohnungen in Berlin, vor allem zu wenig, die sich Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen leisten können. Oder wie es der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler (SPD), formuliert: „Der aktuelle Wohnraumbedarfsbericht zeigt, dass das derzeitige Wohnungsangebot nicht ausreicht, um die Nachfrage der verschiedenen Zielgruppen zu decken.“ So fasst Gaebler den Wohnraumbedarfsbericht seiner Senatsverwaltung zusammen. Der Bericht beschäftigt sich mit den Entwicklungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt „unter besonderer Berücksichtigung der Wohnraumversorgung von Empfängerinnen und Empfängern von Transferleistungen, Haushalten mit niedrigem Einkommen sowie Personen mit spezifischem Wohnbedarf“, wie die Verwaltung erläutert.
In der Analyse sind sich die Stadtregierung und die Opposition im Abgeordnetenhaus in dieser Sache ziemlich einig. „Der neue Wohnraumbedarfsbericht des Senats zeigt schockierende Zahlen. Der Berliner Wohnungsmarkt wird mehr und mehr zur armutsfreien Zone. Menschen mit wenig Geld können praktisch nicht mehr umziehen, weil es an bezahlbaren Angeboten fehlt. Ganze Bezirke werden sozial entmischt“, kommentiert der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker den Bericht.
„Schockierende Zahlen“
Der Bericht stützt sich auf Zahlen aus dem Jahr 2023: Da verzeichnete Berlin 2023 mit 3.782.202 Einwohnern den höchsten Bevölkerungsstand seit dem Zweiten Weltkrieg. Das mittlere monatliche Haushalts-Nettoeinkommen betrug 2.575 Euro. Je nach Haushaltsgröße lag das mittlere monatliche Haushalts-Nettoeinkommen zwischen 1.800 Euro bei EinPersonen-Haushalten und 4.525 EUR bei Haushalten mit vier und mehr Personen.
Zwischen 2014 und 2023 wurden 149.981 Wohnungen in Berlin fertiggestellt. „Die jährliche Anzahl nahm seit 2014 stetig zu und erreichte 2019 mit 18.999 fertiggestellten Wohnungen ihren bisherigen Höchststand. Seit 2020 liegt die Zahl der jährlichen Fertigstellungen bei etwa 16.000 Wohneinheiten“, heißt es im Bericht.
„Die Versorgungssituation der Bedarfsgemeinschaften wurde auf Basis der seit dem 1. Oktober 2023 im Land Berlin geltenden Richtwerte für die Bruttokaltmieten sowie auf Basis des Mietspiegeldatensatzes 2024 untersucht“, erklärt die Senatsverwaltung die Vorgehensweise beim Erstellen des Berichts. Die „angemessene“ Bruttokaltmiete liege zum Beispiel für eine Person bei 449 Euro und bei rund 750 Euro für vier Personen. Insgesamt konnten so 1.190.767 „angemessene Wohnungen“ identifiziert werden. Der Bericht kommt zum Schluss: „Damit sind theoretisch 84 Prozent der mietspiegelrelevanten Wohnungen im Bestand im Land Berlin angemessen.“
Darüber hinaus wurde die Situation von Bedarfsgemeinschaften bei Neuvermietungen betrachtet. Erstmalig wurden neben rund 60.000 Mietinseraten von Juli 2023 bis Juni 2024, die vorwiegend auf Online-Inseraten basieren, auch etwa 34.000 Wohnungsangebote der landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften einbezogen. Somit konnten insgesamt 23.500, also rund 25 Prozent, angemessene Mietangebote bei Neuvermietung im Laufe eines Jahres erhoben werden.
Bei Haushalten ohne Transferleistungsbezug, also bei Menschen, die kein Geld von der Agentur für Arbeit und keine staatlichen Leistungen bekommen, betrug die durchschnittliche Mietbelastungsquote 18,7 Prozent netto und kalt beziehungsweise 25,6 Prozent brutto und warm. Zur Ermittlung dieser Zahlen hat die Senatsverwaltung auf die Daten des Mikrozensus zurückgegriffen.
Zur Bewertung von Neuvermietungen wurden rund 60.000 Mietinserate von Juli 2023 bis Juni 2024 ausgewertet. „Im Ergebnis zeigt sich bei Neuvermietung eine deutliche Unterversorgung: Während Durchschnittsverdienende sich etwa jede vierte angebotene Wohnung (27,8 Prozent) leisten konnten, war dies bei Haushalten mit einem Einkommen von 60 Prozent des mittleren monatlichen Haushaltsnettoeinkommens nur jede zwanzigste angebotene Wohnung (4,8 Prozent)“, heißt es im Bericht.
Zu den „Personen mit spezifischem Wohnungsbedarf“ gehören auch Studierende. Im Bereich des studentischen Wohnens zeige sich nach wie vor „Nachholbedarf nach preiswertem Wohnraum trotz einer verbesserten Versorgungsquote“, hat die Senatsverwaltung festgestellt. Auch für Menschen, die auf barrierefreie oder zumindest barrierearme Wohnungen angewiesen sind, gibt es zu wenig Angebote. Die Senatsverwaltung sieht da „rein rechnerisch eine Versorgungslücke von aktuell rund 57.000 Wohnungen“.
Auch für Menschen, die derzeit keine eigene Wohnung haben, aber in Berlin leben – „mit und ohne Fluchthintergrund“, wie der Bericht vermerkt – fehlen Wohnungen. Oder wie es im Beamtendeutsch heißt: Es gibt einen „Nachfrageüberhang“. Demnach fehlen hier rund 34.720 Wohnungen. Auch andere Bedürftige stehen vor einem Problem. „Die hohen Auslastungsquoten der Berliner Schutzplätze weisen darauf hin, dass weitere Kapazitäten für die Unterbringung für von Gewalt betroffenen Frauen notwendig sind“, wurde festgestellt.
In Berlin könnten außerdem rund 720 Personen mit besonderen Problemen, aus den Betreuungsangeboten der sogenannten Eingliederungshilfe entlassen werden, wenn ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen würde. Tut er aber nicht. Also bleiben diese Menschen in Betreuung. „Rund 4.100 junge Menschen stehen kurz- und mittelfristig vor der Verselbständigung im Bereich der Jugendhilfe und werden perspektivisch preisgünstigen Wohnraum nachfragen“, formuliert der Bericht ein weiteres Problem, das bald relevant wird. Und: Bei Haftentlassenen ist von jährlich rund 1.300 Personen auszugehen, die ohne eigenen Wohnraum aus der Haft entlassen werden.
Landeseigene Unternehmen stärken
Senator Christian Gaebler hat auf diese klare Analyse nur vage Antworten. „Um allen Menschen ein für sie bezahlbares Zuhause zu ermöglichen, müssen wir weiter daran arbeiten, das Angebot auszuweiten“, sagt er. Hier seien die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und private Projektentwickler „in der Verantwortung, neue Wohnungen in allen Teilen der Stadt zu bauen“. Für mehr Wohnungsbau habe der Senat „ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen“. Der Senator nennt unter anderem die neue Wohnungsbauförderung, die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren durch das Schneller-Bauen-Gesetz und die Bereitstellung von landeseigenen Grundstücken für den Wohnungsbau.“
Neben dem Neubau von Wohnungen gebe es in Berlin „zahlreiche mietenpolitische Maßnahmen“. So hat der Senat die ganze Stadt zum Gebiet mit einem „angespannten Wohnungsmarkt“ erklärt. Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ist in ganz Berlin grundsätzlich nur noch im Ausnahmefall möglich. Durch Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung gilt die Mietpreisbremse in ganz Berlin. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Mietpreisbremse begrenzt grundsätzlich die Miethöhe bei Wiedervermietung auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. In einer eigens vom Land Berlin eingerichteten Mietpreisprüfstelle können Mieterinnen und Mieter sich im Falle einer überhöhten Miete kostenlos beraten lassen. Seit Mai 2023 gilt darüber hinaus die Kappungsgrenzen-Verordnung. Das heißt: Die Mieten dürfen deshalb innerhalb von drei Jahren nur um maximal 15 Prozent steigen, bis sie auf dem ortsüblichen Niveau angelangt sind.

Für die Linke im Abgeordnetenhaus reicht das nicht aus, um das Problem wirklich zu lösen. „Dagegen hilft vor allem ein bundesweiter Mietendeckel, der die Mieten auf ein bezahlbares Niveau senkt und Mieterhöhungen gesetzlich verbietet. Damit sollte Berlin bereits morgen bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen anfangen“, fordert Niklas Schenker. Auch die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne, wie sie in einem Volksentscheid bereits gefordert wurde, bleibe weiter „ein wichtiges Instrument“, um mehr Wohnungen zu bezahlbaren Preisen für besondere Bedarfsgruppen anbieten zu können.
Die Linke will außerdem ein kommunales Wohnungsbauprogramm für jährlich 10.000 neue, bezahlbare Wohnungen starten. „Die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen Berlins müssen gestärkt werden, um endlich mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen. Für besonders teure Viertel braucht es eine verpflichtende Vorgabe, damit dort künftig ausschließlich Sozialwohnungen entstehen“, sagt Schenker. Auch diese Forderungen überraschen nicht wirklich.