Das saarländische Klimaschutzgesetz soll wesentlicher Baustein in der Transformation zur Klimaneutralität sein. Umweltministerin Petra Berg nennt die Ziele „hochambitioniert“. Ohne Beteiligung der Menschen und ohne Einschränkungen werde es nicht gelingen.
Frau Berg, nach der Vorstellung eines saarländischen Klimaschutzgesetzes hat es von vielen Seiten Kritik gegeben: Zu unkonkret, zu wenig ambitioniert. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Das saarländische Klimaschutzgesetz – wie wir sagen: Gutes-Klima-Gesetz – ist für ein solches Gesetz in einer sehr kurzen Zeit erstellt worden. Es ist ein abstraktes Gesetz und auch genau so gewollt: um einen Rahmen zu setzen. Der Bundesgesetzgeber hat mit seinem Gesetz bereits einen Rahmen geschaffen, wir wollen mit unserem Gesetz speziell die Bedingungen im Saarland ins Auge fassen. Unser Ziel ist, Ökologie, Ökonomie und soziale Teilhabe miteinander zu verbinden. Das Saarland hat besondere Voraussetzungen: Es ist Industrieland und sehr dicht besiedelt. Wir wollen jetzt den Turbo einschalten, das Gesetz ist eine gute Grundlage, um sofort in die Umsetzung zu gehen. Es ist von unserem Haus federführend vorbereitet worden, aber es betrifft alle Ressorts. Deshalb soll es einen Rahmen schaffen, damit alle Maßnahmen koordiniert werden und eine große Verbindlichkeit geschaffen wird. Mit dem Gesetz legen wir uns selbst Fesseln an. Wir werden an den Zielen gemessen werden, das ist auch unser Anspruch. Wir wissen aber auch, dass Klimaschutz nur gelingen kann, wenn wir die Menschen mitnehmen. Es ist also auch ein Beteiligungs- und ein Mitmachgesetz. Ohne die Menschen wird das große Ziel, unser Land zukunftsfest zu machen und dem Klimawandel entgegenzutreten, nicht gelingen.
Die Ziele liegen teilweise unter dem, was der Bund vorgibt. Warum?
Die Ziele, die wir uns gesetzt haben, sind nicht aus der Luft gegriffen. Wir betrachten das Saarland als Industrieland und Wirtschaftsstandort, als ein Land, in dem man auch in Zukunft gerne leben und arbeiten will. Als Industrieland haben wir derzeit noch hohe CO2-Emissionen, die es zu reduzieren gilt. Die Ziele sind geringer als die im Bundesgesetz, aber um die Bundesziele zu erreichen, kommt es darauf an, in den Ländern realistische Ziele zu setzen. Nicht jedes Land hat die gleichen Voraussetzungen. In der Stahlindustrie arbeiten wir bereits mit Hochdruck daran, die Emissionen zu senken. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, sich realistische Ziele zu stecken. Unsere Ziele sind hochambitioniert und nicht einfach zu erreichen. Sie erfordern ein sehr schnelles, sehr stringentes und in der Umsetzung kontrollierbares Handeln.
Es wird auch kritisiert, dass die Kommunen vernachlässigt würden. Sie haben einen „Kommunalen Klima Club“ einberufen. Was soll das bringen?
Wir kennen die Situation der Kommunen und wissen um die prekäre FinanzÂlage. Auf der anderen Seite wissen wir, dass einige Kommunen schon auf einem sehr guten Weg sind. Das gilt es zu vernetzen. Wir als Land werden dort Unterstützer- und Beraterleistungen erbringen, damit auch Kommunen Potenziale erschließen können und Klimaschutz gelingt. Wir haben auf Landesebene das Ziel ausgegeben, Klimaneutralität sehr schnell zu erreichen und wollen das auch in den Kommunen, damit die öffentliche Hand vorbildhaft vorangeht. Wir können nicht von den Menschen erwarten, dass sie ihre Häuser klimaneutral ertüchtigen, wenn das Land immer noch in einem alten Baubestand lebt.
Die konkreten Ziele sollen in einem ergänzenden KlimaschutzÂkonzept formuliert werden. Kommt da punktgenau rein, was wer bis wann erreicht haben soll?
Wir haben bereits in externer Anhörung den Trägern öffentlicher Belange ein Strategie- und Maßnahmenpapier zur Verfügung gestellt, damit die Ziele deutlich werden. Es wird dazu eine breite Beteiligung geben. Es werden dort Maßnahmen für sechs Sektoren sehr konkret beschrieben, wie Ausbau erneuerbarer Energien oder Maßnahmen in der Landwirtschaft, und wir haben beschrieben, was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Das verschafft uns Flexibilität, um immer wieder Maßnahmen anzupassen. Die brauchen wir auch, denn wir erleben tagtäglich, dass es Interessen- und Zielkonflikte gibt, die in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Wir haben also auf der einen Seite die abstrakten Grundlagen, das Gesetz, und auf der anderen Seite das konkrete Konzept, das ermöglicht, die CO2-Einsparungen genau zu ermitteln. Wir wissen nicht, wie sich Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren ändern, und werden sicher immer wieder die Maßnahmen anpassen müssen.
Was passiert, wenn man über Monitoring feststellt, dass man an der ein oder anderen Stelle die Ziele nicht erreicht?
Dann muss man entweder bei den Maßnahmen selbst nachsteuern oder man muss sehen, wo man an anderen Stellen nachsteuern kann. Ein Beispiel: Wir haben für den Ausbau erneuerbarer Energien Flächen ins Auge gefasst. Wenn das Ziel trotzdem nicht erreicht wird, müssen wir an anderen Stellen Flächen betrachten – bei allen Zielkonflikten, die es dann geben mag. Das große Ziel ist, die Erderwärmung zu stoppen, dem Klimawandel zu begegnen und dass Klimafolgemaßnahmen gelingen, auch wenn das an der ein oder anderen Stelle Einschränkungen mit sich bringt.
Die Reaktionen waren ziemlich erwartbar. Den einen geht es nicht weit genug, andere sagen: Es gibt schon europäische Vorgaben und ein Bundesgesetz, warum jetzt noch ein saarländisches? Muss das wirklich sein?
Ja, es muss sein, denn wir haben saarländische Besonderheiten. Wir haben uns bei der Transformation der Industrie einen hohen Anspruch gesetzt. Wir sind da Vorreiter, andere Länder nehmen sich ein Beispiel sowohl an der Finanzierung als auch an der Umsetzung. Wir müssen gleichzeitig die ländlichen Regionen betrachten. Bei all dem müssen wir die Menschen mitnehmen, und dabei sind Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit Mittel der Wahl. Es wird auch keine Kurzstrecke sein, sondern ein Marathon. Dabei müssen wir das den Menschen in unserem Land, in ihrer konkreten Betroffenheit im häuslichen Umfeld, im Beruf sehr genau erklären, denn es wird, wie gesagt, nicht ohne Einschränkungen gehen.
Eigentlich sollte man nach den nun schon Jahrzehnten der Diskussionen annehmen, das sei verstanden worden. Warum ist es immer noch so mühsam?
Das hat sicher mit menschlicher Emotionalität zu tun. Wir haben im letzten Jahr im Dürresommer erlebt, wie sensibel Menschen auf das Thema Wasser oder Boden reagiert haben. Kaum hat es dann zwei Tage geregnet, haben die Menschen geschimpft. Menschen reagieren oft sehr kurzfristig. Die Warnungen der Vergangenheit haben nicht zu besonderer Nachhaltigkeit geführt. Als wir dann eigentlich auf einem guten Weg waren, kamen die großen Krisen, erst Corona, dann aber vor allem der Krieg, der für die Menschen mit großen Einschränkungen verbunden war und ist und große Ängste hervorgerufen hat, auch was Versorgungssicherheit betrifft. Menschen haben wieder stärker beim Discounter eingekauft, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir müssen den Menschen immer wieder klarmachen, dass es um viel mehr geht als die kurzfristige persönliche Situation. Das erfordert auch ein hohes Maß an Solidarität. Menschen, die in ärmeren Verhältnissen leben, sind in den Beiträgen, die sie leisten können, eingeschränkt, Menschen in einer besseren wirtschaftlichen und finanziellen Situation müssen einen stärkeren Beitrag leisten.
Es gibt die verbreitete Ansicht, dass die Probleme vor allem durch technologischen Fortschritt gelöst werden können. Hieße im Umkehrschluss, dass wir gar nicht so viel an unserem Verhalten ändern müssten. Wie ordnen Sie das ein?
Ich muss da widersprechen. Technologien werden ein Instrument sein, um die Klimafolgeanpassung zu meistern. Aber das Verhalten jedes Einzelnen in der Gesellschaft wird die Schraube sein, mit der es gelingt – oder misslingt. Wenn sich der Mensch, jeder für sich und mit seinem Anspruch an die Gesellschaft, nicht ändert, wird es nicht gelingen.