„Natürliche“ Intelligenz steuert, „künstliche“ rudert
Kennen Sie den größten gesundheitlichen Risikofaktor? Schlechte Ernährung, Rauchen, Bewegungsmangel, Genetik, der falsche Lebenspartner oder Chef. Alles richtig. Aber der natürlichste und zugleich gefährlichste „Feind“ der Gesundheit ist das Alter. Etwas überspitzt: Die genannten Risikofaktoren lassen einen schlicht schneller altern und nicht selten auch früher sterben.
Die – trotz aller Risikofaktoren – zunehmende und individuell erwünschte höhere Lebenserwartung mit konsekutiv gesellschaftlicher „Überalterung“ hat ihren Preis: immer mehr ältere Menschen mit hoher Krankheitslast und immer weniger jüngere Mitmenschen als helfende und heilende Entlaster. Eine lange absehbare Entwicklung.
Anstatt die Problematik tatkräftig und nicht nur wortgewaltig und halbherzig anzupacken, versucht man uns neuerdings mit der übermenschlichen Potenz digitaler „Wundermittelchen“ zu vertrösten. Selbstredend brauchen wir auch moderne digitale Technik, Infrastruktur und Vernetzung, um unter anderem die zunehmenden medizinischen Daten schneller und effektiver zu nutzen.
Wenn Politiker aber effekthaschend verkünden, digitale Patientenakten und digitale Impfpässe und ähnliches würden uns per se gesünder machen, dann bekomme ich Bauchgrimmen und Kopfschmerzen. Eine wissenschaftlich basierte, kritisch evaluierte moderne Medizin und gut aus- und weitergebildetes Personal sind und bleiben entscheidend.
Ich bin ein großer Fan der Möglichkeiten und des Komforts einer (möglichst seriösen) digitalen Welt. Online-Banking etwa ist super. Aber wenn mein Bankberater mir versprechen würde, alleine dadurch würde viel mehr Geld auf meinem Konto landen, dann würde ich das bestenfalls als „Verdummungsversuch“ betrachten.
Und dass schulische Bildung durch massenweise Ausgabe von Laptops den entscheidenden Impuls bekommt, dass städtischer Verkehr und Klima durch Myriaden wild verstreuter E-Scooter gerettet werden und topgestylte digitale Speisekarten in Restaurants, die kein Personal mehr finden, satt machen, will mich irgendwie nicht überzeugen.
Die besten Technologien sind willkommene und notwendige Hilfsmittel, aber primär vertraue ich zumindest in den wichtigsten Lebensbereichen immer noch auf die Kraft und Kompetenz von Menschen – sei es medizinisches Personal, Pädagogen, Erzieher und viele mehr.
Salopp formuliert: „Personal“ vor „Digital“. Gemeint ist mehr bürgernahes Fachpersonal und weniger bürgerferne Bürokraten. Nebenbei: Digitale Technik macht sich übrigens deutlich besser in gepflegten und ansehnlichen Krankenhäusern, Schulen oder Kitas.
Schönes Bauen und Renovieren ist immer noch möglich und kein digitales Hexenwerk, wie viele „Politbauten“ anschaulich belegen. Apropos Bauen: Dass befahrbare Straßen wieder Regel und Langzeitbaustellen wieder Ausnahme werden, würden viele im realen Alltag mehr schätzen als digital präsentierte bauliche Computeranimationen und Visionen.
Aber genug lamentiert! Kleine Anekdote zum Schluss. Kürzlich wollte ich spontan zu einem Fußballspiel, um einen saarländischen Topverein anzufeuern. Noch knapp vor Spielbeginn schaffte ich es vor die vier Kassenhäuschen; kein Mensch davor, drinnen jeweils zwei handyversunkene, gelangweilte Personen. Auf mein „Bitte noch ein Ticket“ sagte man, ich müsse das im Internet auf irgendeiner „Plattform“ aussuchen, mich registrieren und bestellen, dann über ein digitales Bezahlsystem das Geld überweisen, dann auf eine E-Mail warten, eventuell noch mit Passwort öffnen und ausdrucken oder mit dem Bildschirmnachweis durch die Stadionkontrolle gehen.
Da ich kein Smartphone bei mir hatte und mittlerweile der Anstoß schon erfolgt war, habe ich es noch mit Kredit- und EC-Karte versucht, was sonst oft Probleme gelöst hat. Aber keine Chance! Ungläubig habe ich mich noch umgeschaut, ob irgendwo eine versteckte Kamera im Spiel sei.
Ich bin dann zur Abkühlung ein großes Eis essen gegangen, das hat wie in „alten“ Zeiten geklappt und geschmeckt! Und nur ein Drittel des Eintrittspreises gekostet. Das Fußballmatch ging übrigens katastrophal „in die Hose“.