Ob große Marken wie Olympus und Universal Music oder Models wie Jacky Wruck, Simone Kowalski oder Evelyn Burdecki – Fotograf und Art Director Guido Raschke aus Bielefeld ist gefragt, wenn es um ästhetische, authentische Beauty- und Fashion-Aufnahmen geht.

Herr Raschke, wie sind Sie zur Fotografie gekommen und wie haben Sie das technische Know-how erlernt?
Die Fotografie ist für mich ein perfekter Ausgleich zu meinem Hauptjob als freiberuflicher Art Director im Bereich visuelle Kommunikation. Ich habe Grafikdesign studiert und vor über zehn Jahren die Fotografie für mich als wunderbare Möglichkeit entdeckt, meinen kreativen Output frei auszuleben – losgelöst von der Auftragsarbeit als Gestalter, Animationsdesigner oder Art Director im Tagesgeschäft. Bildaufbau, Anschnitte, Komposition und Farbgestaltung folgen sowohl in der Grafik als auch in der Fotografie gleichen Regeln. Das verbindet die beiden Bereiche.
Schon früh war mir klar, dass ich keine Lust auf klassische Reportage-, Landschafts- oder Produktfotografie habe. Das „Einfangen von Momenten“, bei dem der Fotograf oder die Fotografin eine Situation festhält und den Auslöser drückt, hat mich persönlich nie besonders gereizt – auch wenn ich großen Respekt vor den Leuten habe, die das perfekt können. Mich hat es immer mehr fasziniert, eine Situation oder Idee zu inszenieren, sie zu gestalten und künstlerisch damit zu spielen und dabei eng mit Menschen zusammenzuarbeiten, die wirklich Lust darauf haben, vor der Kamera zu stehen. In Profession sind das Models oder Schauspieler, eher nicht der Brautvater, der sich ungern für ein Hochzeitsfoto hinsetzt oder der Außendienstler für ein Businessporträt. Das hat mich dann wohl zur Fashionfotografie gebracht, weil hier die Verbindung aus Inszenierung, kreativem Prozess und der Zusammenarbeit mit Menschen, die leidenschaftlich gern vor die Kamera wollen, perfekt zusammenkommt. Meine Affinität zum Modedesign spielt da natürlich auch eine Rolle, schon im Studium hat mich Mode als kreative Sprache – ebenfalls eine Form der visuellen Kommunikation – fasziniert, da sie viel erzählen und ausdrücken kann.

Natürlich gibt es bei meinen Shootings auch immer Platz für den besonderen Augenblick – die Sekunde, in der alles stimmt: ein Blick, eine Pose, ein zufälliger Moment. Gerade wenn ich Porträts fotografiere, arbeite ich genau darauf hin. Über die Jahre hat dieser Bereich bei mir immer mehr Raum bekommen, und ich liebe es, ausdrucksstarke, natürliche, simple Porträts zu machen.
Was das Technische angeht, war ich von Anfang an Autodidakt. Klar, mein Beruf hat mir das Verständnis für Ästhetik und Bildgestaltung mitgegeben, aber die fotografischen Basics – von Kameratechnik bis Studioarbeit – habe ich mir selbst beigebracht. Vieles kam durch Tutorials, durch das Studium von Vorbildern und vor allem durch eigene Projekte. Es ist ein ständiges Experimentieren und Lernen, und das macht für mich auch den Reiz aus – man wird nie fertig, sondern entwickelt sich immer weiter.

Sie fotografieren seit 2018 auch Kandidatinnen und Kandidaten von „Germany’s Next Topmodel“. Wie kam es dazu?
Das Ganze war echt eine Mischung aus Zufall und Beharrlichkeit. Anfang 2018 habe ich das erste Mal mit GNTM-Kandidatinnen gearbeitet. Zu der Zeit hatte ich schon einige Erfahrung als Fashion- und Porträtfotograf gesammelt und gerade mein zweites Studio eingerichtet. Ich wollte mit erfahreneren Modellen arbeiten, hab‘ mich aber nicht wirklich getraut, die „großen Namen“ direkt anzuschreiben. Es war oft frustrierend, wenn Anfragen unbeantwortet blieben oder Absagen kamen. Aber genau da habe ich gelernt: Dranbleiben ist der Schlüssel. Irgendwann habe ich einfach ein paar GNTM-Kandidatinnen über Instagram angeschrieben und gefragt, ob sie Lust auf ein Shooting haben. Und dann hat’s tatsächlich geklappt! Ich musste ein paar Vereinbarungen mit der Künstleragentur des Senders unterschreiben, und eine Woche später hatte ich mein erstes Shooting – zufällig mit der späteren Gewinnerin der Staffel, was damals natürlich noch keiner wusste.
Das Shooting lief so gut, dass sich das direkt in der GNTM-Whatsapp-Gruppe rumgesprochen hat, anscheinend war ich „der Fotograf mit der entspannten Atmosphäre und den starken Bildern“. Danach kamen die Anfragen fast von selbst, auch von klassischen Agentur-Modellen und von anderen Kandidatinnen aus früheren Staffeln. Irgendwann meinte sogar eine Teilnehmerin, sie dachte, ich gehöre fest zum Format dazu.
Was macht die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Sie so besonders?
Was die Teilnehmerinnen und inzwischen auch Teilnehmer besonders macht, ist ihre Vielfalt. Da ist alles dabei: von extrovertierten Naturtalenten, die vor der Kamera eine unglaubliche Präsenz haben, bis hin zu eher schüchternen, zurückhaltenden Typen. Die Kandidatinnen bringen super unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen mit, und jeder ist auf einem anderen Level, was die Entwicklung als Model angeht. Und genau das finde ich auch losgelöst von GNTM spannend: bei jedem Shooting individuell auf die Person vor der Kamera einzugehen und sie da abzuholen, wo sie gerade steht. Das macht jedes Shooting anders und immer wieder interessant.

Interessieren Sie sich auch für die Show?
Die Show selbst interessiert mich ehrlich gesagt nicht besonders, ich habe seit 2012 oder so keine Staffel mehr komplett geschaut. Früher fand ich die Fotoshootings spannend, die kreativen Ideen, die beeindruckenden Sets, die Einblicke in eine Fashion-Foto-Produktion, es wurde viel Wert auf die Fotos gelegt. Das hat sich in den letzten Staffeln sehr verändert, soweit ich das mitbekomme. Die entstandenen Fotos wirken mehr wie Beiwerk, manchmal werden sie dem Publikum nicht mal gezeigt. Für eine „echte“ Modelmappe sind die meisten Ergebnisse aus der Show jedenfalls nicht wirklich geeignet.
Bei GNTM können sich nun auch Männer, kleinere Models, Plus-Size- und Best-Ager-Models bewerben. Denken Sie, dass sich Diversität immer mehr durchsetzen wird und verschiedene Modeltypen in großen Kampagnen und auf den großen Laufstegen zur Normalität werden? Wie erleben Sie das?
Ich habe ja nicht nur durch GNTM, sondern generell in meiner Arbeit mit vielen unterschiedlichen Modeltypen zu tun gehabt. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, wie inspirierend und facettenreich diese Vielfalt ist. Dass Diversität im Model- und Modebusiness immer wichtiger wird, finde ich großartig. Es zeigt, dass wir endlich wegkommen von diesem einen starren Schönheitsideal. Heute ist viel mehr Platz für Plus-Size-, Best-Ager-, Petit-Models und viele andere Typen. Schönheit ist eben nicht „one size fits all“, sondern hat so viele verschiedene Formen und Facetten. Besonders in der Werbung sieht man, wie wichtig Einzigartigkeit und Wiedererkennungswert sind. Menschen mit einer starken Persönlichkeit oder einer individuellen Ausstrahlung bleiben einfach eher und länger im Gedächtnis als jemand, der nur ins klassische Schönheitsbild passt.

Trotzdem denke ich, dass es auch weiterhin bestimmte Schönheitsideale geben wird. Es gibt einfach Muster, die unser Auge ansprechend findet, wie Symmetrie oder bestimmte Proportionen. Diese Ideale verändern sich jedoch ständig, sie verschwimmen, werden neu definiert und brechen mit aktuellen Normen. Und genau das macht es so interessant! Die Mode- und Werbewelt ist immer in Bewegung und schafft damit mehr Platz für Vielfalt und neue Perspektiven.
Haben Sie das Gefühl, Models werden in den letzten Jahren mehr als Persönlichkeiten wahrgenommen und nicht nur als bloße „Kleiderständer“? Hat sich hier etwas verändert in den letzten Jahren?
Auf jeden Fall, ich glaube schon, dass Models heute definitiv mehr als Persönlichkeiten wahrgenommen werden – aber natürlich hängt das auch vom Kontext ab. Es wird immer auch die klassischen „Kleiderständer“-Jobs geben, und aus der Sicht eines Modedesigners ist das auch völlig in Ordnung. Da sollen das Outfit, das Design, die Mode im Fokus stehen, und das Model ist Leinwand und hat die Aufgabe, die Intention und die „Sprache“ des Designers zu unterstreichen, ohne selbst zu sehr abzulenken. Idealerweise arbeitet beides zusammen.
Das Rollenbild des Mannequins hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Models in den Achtzigern wurden zu Persönlichkeiten, die weit über den Laufsteg hinaus bekannt waren. In den 1990ern und 2000ern erreichte das seinen Höhepunkt, als Supermodels eine Prominenz hatten, die locker mit den größten Film- und Musikstars mithalten konnte. Auch heute geht es nicht mehr nur um das reine Aussehen. Persönlichkeit und Authentizität spielen große Rollen, besonders in einer Zeit, in der Social Media Models eine Plattform bietet, sich selbst zu inszenieren und mit eigener Stimme sichtbar zu machen. Dadurch entstehen individuelle Marken, die für mehr stehen als nur für einen Look. Klar, es gibt immer noch die klassischen Laufsteg- oder Editorial-Models, aber insgesamt wird Persönlichkeit heute viel mehr geschätzt und sogar gezielt gesucht.

Einerseits erlebt man in der Werbung mehr Diversität, andererseits sieht man bei Instagram und Co. oftmals dasselbe Schönheitsideal. Und sogar die ersten am PC erschaffenen KI-Models feiern Erfolge. Mango machte vor Kurzem Schlagzeilen, da die Marke ihre Kleidung nicht an echten Models abbildete, sondern an KI-Models. Was denken Sie, wie die Fashion- und Werbefotografie in der Zukunft aussehen wird?
Ich denke, die Entwicklung in der Fashion- und Werbefotografie wird in den nächsten Jahren ziemlich spannend, weil gerade zwei gegensätzliche Trends aufeinanderprallen. Einerseits ist Diversität immer mehr gefragt – echte Menschen mit unterschiedlichen Körpertypen, Geschichten und Hintergründen. Das macht Werbung glaubwürdiger und lässt die Zielgruppen sich stärker damit identifizieren. Authentizität ist da der Schlüssel. Andererseits gibt es aber auch diesen krassen Drang nach Perfektion, der vor allem auf Social Media seine Blüten treibt. Glatte Haut, perfekte Proportionen – und das oft bis zum Absurden, vorangetrieben durch Filter und Bearbeitung.
Dass erste Brands nun KI-Modelle einsetzen ist nur konsequent und zeigt, dass hier eine neue Ära begonnen hat. KI-Modelle sind immer verfügbar, kostengünstig und perfekt steuerbar – das ist für viele Unternehmen natürlich verlockend. Aber diese Perfektion und „KI-Gleichschaltung“ kann auch sehr schnell langweilig oder unnahbar wirken. Eine Übersättigung hat da in meinen Augen bereits längst begonnen.
Ich sehe seit einiger Zeit einen gegenläufigen Trend: Anstatt unreine Haut, Fältchen und vermeintlich „unschöne” Körperproportionen auf Tiktok, Snapchat und Instagram mit Filtern auszubügeln, zeigen sich immer mehr Leute roh und ungeschminkt, und das kommt richtig gut an. Diese „Imperfektion“ ist ein Statement, das sagt: „Hey, so bin ich – echt und ungeschönt“. Ich finde das eine richtig gute Entwicklung, weil sie den ganzen Beauty-Wahn wieder etwas runterholt.
Ich merke das auch bei meiner Arbeit: Es gibt immer mehr den Wunsch nach natürlicheren Bildlooks. Hautretusche ist nicht mehr so krass wie früher, kleine Makel bleiben oft bewusst drin. Ich denke aber, KI-Modelle werden sich trotzdem etablieren. Sie bieten einfach eine unschlagbare und mächtige Möglichkeit, gerade wenn es um Effizienz und Kosten geht. Auch einer KI kann man ja kleine Makel und Unzulänglichkeiten antrainieren – das ist schon ein starker Trend. Ich nutze KI-Tools schon länger, aber eher unterstützend, zum Beispiel, um Bilder zu erweitern oder Dinge umzusetzen, die früher mega aufwendig waren. Ich persönlich werde KI aber wohl niemals komplett generativ nutzen, um ganze Menschen beziehungsweise Models damit zu erzeugen. Die fotografiere ich viel lieber.
Wie viel Zeit nimmt die Bearbeitung eines Fotos ungefähr in Anspruch?
Wie lange ich an der Bearbeitung eines Fotos sitze, hängt total davon ab, was ein Bild braucht, bis ich zufrieden bin und „Fertig!“ sage. Manchmal ist alles super schnell in Minuten erledigt – ich passe nur die Belichtung, die Tonwerte und den Farblook an. Wenn es eine aufwendige Beautyretusche oder komplexe Komposition ist, kann die Bearbeitung auch mal 45 Minuten oder länger dauern, vor allem, wenn jedes Detail hochauflösend stimmen muss. Ich bearbeite in der Regel das, was beim Shooting nicht ganz gepasst hat oder was ich dort vor Ort verbockt habe. Da ich ja aus dem Grafikdesign komme und weniger der klassische Fotograf bin, ist das „Knipsen“ für mich schon immer nur ein Teil des Ganzen. Für mich ist ein RAW-Foto aus der Kamera selten ein fertiges Bild, sondern eher ein Zwischenprodukt. Es ist dann nicht nur Nachbessern, sondern auch kreativer Feinschliff, ein laufender Prozess beim Machen, ein Eintauchen in das Bild. Ich habe dabei selten eine ganz konkrete Vorstellung, wie das Endergebnis exakt aussehen soll, meist ist alles im Flow bis zu dem Punkt, an dem ich eben merke: Fertig! Und genau das macht für mich den Reiz aus: Ein Foto nicht nur zu „knipsen“, sondern es zu etwas entwickeln. Die Kamera ist da für mich wirklich nur ein Werkzeug im gesamten Prozess.

Was verändern Sie an menschlichen Körpern oder Gesichtern?
So wenig wie möglich! Pickel, Hautrötungen oder blaue Flecken – sowas, das nur temporär ist – wird natürlich bearbeitet. Aber alles, was jemanden ausmacht und einzigartig macht, bleibt wie es ist. Manchmal passe ich auch Posen oder kleine Details an, wenn sie unvorteilhaft wirken und ich das Bild unbedingt „retten“ möchte. Zum Beispiel eine Falte, die nur wegen der Perspektive oder der Lichtsetzung besonders blöd aussieht, oder weil ich beim Shooting vielleicht unsinnige Anweisungen gegeben habe. Aber es geht immer mehr in Richtung Natürlichkeit – diese superperfekten Hochglanz-Bilder sind zwar noch gefragt, aber der Trend geht eindeutig zu authentischeren Looks. Und ich find’s cool, dass das immer mehr Leute genauso sehen.
Was waren für Sie die Shooting-Highlights in Ihrer Karriere?
Puh, Highlights zu priorisieren ist für mich echt schwierig! Es gibt so viele unterschiedliche Arten davon. Ich kann mich gut an intime Zweier-Shootings erinnern, bei denen einfach alles passte und wir über den Tag unzählige intensive Bilder kreiert haben. Dann bleiben natürlich die großen Projekte mit mehreren Models, Make-up-Artists, Stylisten und einem Filmteam im Kopf, in die man viel Herzblut und Energie gesteckt hat und wo der kreative Flow 120 Prozent gestimmt hat. Auch ein Highlight waren zum Beispiel No-Shootings, bei denen wir uns komplett verquatscht und vergessen haben, überhaupt Fotos zu machen.
Das lustigste Shooting, welches ich wohl nie vergessen werde, war das mit Evelyn Burdecki. Das war kurz bevor sie Dschungelkönigin in der RTL-Show wurde. Sie war so witzig und hatte so einen ansteckenden Humor, dass ich am Set permanent lachen musste. Es war eine echte Herausforderung, dabei die Kamera stillzuhalten – ich glaube, ich habe noch nie so viele unscharfe und verwackelte Bilder produziert!