Die SV Elversberg demontiert Hertha BSC und schlägt den Hauptstadtclub deutlich mit 4:0. Für dieses Ergebnis reichte eine überragende erste Halbzeit – gegen desolat verteidigende Berliner.

Ein Blick in die Berliner Medien reicht, um zu erkennen, wie die SV Elversberg den Club aus der Hauptstadt am Sonntag beim 4:0-Heimsieg in der Zweiten Liga zerlegte. Von verkehrten Rollen ist die Rede, von Demontage und Debakel. Der Dorfclub spielt wie der Hauptstadtclub, die Berliner wie eine Dorfmannschaft. Eine Metapher die für die Berliner sicher schwer zu verdauen ist. Die SV Elversberg hingegen zeigte erneut, was mit Kontinuität innerhalb des Vereins und ehrlicher Arbeit möglich ist. Das Spiel gegen die Berliner ist eine Blaupause für die sensationelle Arbeit der sportlich Verantwortlichen, des Trainers und der Mannschaft. „Auch wenn wir das Gefühl haben, in dieser Liga angekommen zu sein, ist es für uns immer wieder schön, gegen solche Namen anzutreten“, sagte SVE-Trainer Horst Steffen sogar noch vor dem Spiel. „Ich freue mich darauf, dass wir gegen Hertha wieder die Chance haben, zu beweisen, was wir als Außenseiter leisten können“, sagte Horst Steffen. Und das tat die SVE – und wie.
Hertha völlig neben der Spur
Steffen änderte gegenüber dem torlosen Remis in der Vorwoche gegen den SSV Ulm 1846 Fußball seine Startelf auf zwei Positionen. Florian Le Joncour ersetzte in der Innenverteidigung den gelbgesperrten Maximilian Rohr. Zudem setzte Steffen im rechten Mittelfeld anstelle von Manuel Feil auf die Dienste von Lukas Petkov. Bei seinem ersten Auswärtsspiel als Coach der „Alten Dame“ vertraute Trainer Stefan Leitl bei der SV Elversberg derselben Startaufstellung, die er auch bei seinem Debüt gegen den 1. FC Nürnberg auf das Feld geschickt hatte. Mit Blick auf die Bank gab es bei den Herthanern allerdings zwei kurzfristige Ausfälle im Sturm: Ex-SVE-Jugendspieler Luca Schuler fehlte aufgrund muskulärer Probleme, Smail Prevljak hatte im Training einen Schlag auf das Sprunggelenk bekommen.
Die Messe war nach der ersten Halbzeit dieses Spiels gelesen und die Kräfteverhältnisse überdeutlich klargestellt. Die Gastgeber erwischten einen Traumstart in die Partie. Bereits in der elften Minute eröffnete Muhammed Damar den Torreigen mit einem sehenswerten Lupfer über Hertha-Keeper Tjark Ernst. Der Treffer fiel nach einem schnellen Konter, bei dem der Elversberger völlig frei Richtung Tor laufen konnte. Hertha wirkte geschockt und fand keine Mittel, um das Spiel der Saarländer zu unterbinden. In der 29. Minute erhöhte Robin Fellhauer mit einem Traumtor auf 2:0. Nach einem Einwurf und einer unzureichenden Klärung durch Linus Gechter hämmerte Fellhauer den Ball unhaltbar ins linke untere Eck. Nur acht Minuten später legte Tom Zimmerschied das 3:0 nach. Nach einer schönen Kombination über Elias Baum chippte der Elversberger den Ball gekonnt über Ernst (37.). Kurz vor der Pause setzte Semih Sahin mit einem verwandelten Elfmeter den Schlusspunkt einer aus Elversberger Sicht perfekten ersten Hälfte. Nach VA-Überprüfung blieb es bei der Strafstoßentscheidung – und Sahin ließ Ernst vom Punkt keine Chance (45.+3). Mit einem historischen 4:0-Pausenstand ging es in die Kabinen – nie zuvor hatte Elversberg in der 2. Bundesliga zur Halbzeit so hoch geführt. Elversberg überragend, die Berliner desolat. Die Fans der Berliner quittierten die Leistung ihres Teams dementsprechend: Die Fahnen wurden eingerollt, der Support weitestgehend eingestellt.
In der zweiten Halbzeit schalteten die Gastgeber einen Gang zurück, ohne jedoch die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. Hertha versuchte zwar, mehr Druck aufzubauen, blieb aber weitgehend harmlos. Die beste Chance für die Berliner hatte Derry Scherhant in der 57. Minute, doch sein Schuss wurde von Elversbergs Keeper Nicolas Kristof pariert. Elversberg verwaltete den Vorsprung souverän und ließ keine nennenswerten Chancen mehr zu. Die Partie plätscherte ohne weitere Höhepunkte dem Ende entgegen.
Topspiel auf dem Betzenberg
„Ich glaube, uns haben alle Grundtugenden gefehlt“, sagte Fabian Reese beim Pay-TV-Sender Sky. Hertha sei in allen Mannschaftsbereichen unterlegen gewesen, fügte der 27-Jährige hinzu. Leitl bleibt nach dem 0:0 beim Debüt gegen den 1. FC Nürnberg damit auch im zweiten Spiel als Hertha-Coach sieglos. Der Vorsprung auf den Relegationsrang beträgt nach dem 24. Spieltag nur noch vier Zähler. „Wir müssen dieser Wahrheit ins Gesicht gucken, jeder Einzelne im Team“, sagte Reese und schlug angesichts der Tabellensituation Alarm. Leitl gratulierte nach dem Spiel zu einem „hochverdienten Sieg“ und zeigte sich brutal enttäuscht: „Wir waren nicht in der Lage, die Energie aus dem ordentlichen Heimspiel gegen Nürnberg hier mitzunehmen. Wir haben die Mannschaft taktisch auf alle Dinge vorbereitet, wir waren aber nie in der Lage sie umzusetzen. Die zweite Hälfte war stabiler. Insgesamt war es sehr enttäuschend. Aber es geht weiter.“

Horst Steffen hingegen war natürlich sehr zufrieden mit seiner Mannschaft. „Ich bin sehr glücklich über die Art und Weise, wie wir die Räume bespielt und genutzt haben, wie wir die Chancen genutzt haben und welche Freude die Jungs an den Tag gelegt haben. Wir haben wenig zugelassen, sauber kombiniert und sind viel gelaufen. Ich habe über 90 Minuten ein tolles Spiel der Jungs gesehen und freue mich an diesem Tag über eine tolle Leistung.“ Besonders angetan war Steffen vom Anlaufen seiner Mannschaft: „Wir haben es vorne schon so gut gemacht im Verteidigen, dass wir hinten nicht in große Bedrängnis gekommen sind.“ Besonders interessant: Bei einem Blick auf das Minenspiel der Trainer war nicht zu erkennen, wer hier heute gewonnen oder verloren hat – schon gar nicht, dass es ein geschichtsträchtiges Ergebnis war. Vielleicht ist aber auch das genau der Grund, warum die SV Elversberg dort steht, wo sie steht. Horst Steffen wird schon das kommende Spiel auf dem Betzenberg im Kopf gehabt haben. Am Freitag kann die SVE im absoluten Topspiel der 2. Liga beim 1. FC Kaiserslautern das nächste Ausrufezeichen setzen. Es wäre theoretisch sogar der Sprung auf den direkten Aufstiegsplatz möglich.