Die Staatsoper Unter den Linden bringt im Juni die moderne Oper „Cassandra“ auf die Bühne, die Deutsche Oper „Wagner weltweit“ und „Lash – Acts of Love“.

Eine Frau warnt vor Unheil. Aber man hat nur Augen für ihre Schönheit und ignoriert ihre Warnung. So hat es der Gott Apollon gewollt. Er war es, der ihr eben wegen ihrer Schönheit die Weissagungsgabe schenkte, sie aber dann verfluchte, „auf dass niemand ihren Weissagungen Glauben schenken werde“, wie es in der griechischen Mythologie heißt. Diese Frau, Cassandra, hatte es gewagt, den Verführungsversuchen des Gottes zu widerstehen. Das stürzte nicht nur sie selbst ins Unglück, sondern auch ihre Stadt: Troja. Cassandras Warnung vor der List der Griechen und ihre Prophezeiung, dass die Stadt zerstört wird, wurden ignoriert.
Der Belgier Bernard Foccroulle hat aus dem antiken Stoff eine moderne Oper gemacht. Ein Stück über Frauen, deren Stimmen ungehört bleiben, und über eine Welt, die vor einer Katastrophe die Augen verschließt. Vor zwei Jahren wurde seine Oper „Cassandra“ am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel uraufgeführt. Am 19. Juni feiert sie nun ihre Deutschland-Premiere an der Staatsoper Unter den Linden. Aufgeführt wird sie von der Staatskapelle Berlin und dem Staatsopernchor unter der musikalischen Leitung von Anja Bihlmaier.
Warnung vor dem Klimawandel
„Cassandra“ verbindet den antiken Mythos der gleichnamigen antiken Seherin, dargestellt von Katarina Bradić mit der Geschichte der jungen Polarforscherin Sandra (Jessica Niles). Als Stand-up-Comedian sucht sie nach neuen Wegen, um Menschen für den Klimawandel zu sensibilisieren, und erntet dafür Beifall, muss sich aber auch skeptischen Fragen stellen. Ihre Warnungen bleiben selbst in ihrer eigenen Familie ungehört. Und Blake, der Mann, in den sie sich dann verliebt, findet, dass die Lage zu ernst ist, als dass man versuchen sollte, sie den Menschen mit Humor zu erklären.
Während sich Sandra wissenschaftlich mit dem Abschmelzen des Polareises auseinandersetzt, beschäftigt sich Blake für seine Doktorarbeit über König Agamemnon mit Cassandras Klageruf „Ototoi popoi da“. In Foccroulle verschmelzen die antike und die moderne Welt. Mit Katarina Bradić, Jessica Niles, Susan Bickley, Sarah Defrise, Valdemar Villadsen, Joshua Hopkins, Gidon Saks, Sandrine Mairesse und Lisa Willems sind mit nur einer Neubesetzung die Sängerinnen und Sänger der belgischen Uraufführung wieder in ihren Rollen zu erleben. Außerdem singt der Staatsopernchor, einstudiert von Dani Juris. Die eingespielten Videoprojektionen stammen von Marie-Eve Signeyrole und Artis Dzerve. Für das Licht ist Philippe Berthomé zuständig. Der Bühnenbildner Fabien Teigné entwickelte ein vielseitiges Szenenbild mit einem wandelbaren Kubus als zentralem Element. Die Kostüme gestaltete die Berliner Kostüm- und Bühnenbildnerin Yashi.
Wer sich einen Überblick über das Repertoire der Staatsoper Unter den Linden verschaffen möchte, hat dazu Gelegenheit am 21. und 22. Juni. An diesen Tagen lädt die Oper bei freiem Eintritt zu einem musikalischen Sommerwochenende unter freiem Himmel auf den Bebelplatz ein. Bei der diesjährigen 19. Ausgabe des Open-Air-Events präsentiert die Staatsoper die Live-Übertragung von Charles Gounods Oper „Roméo et Juliette“ mit einer erstklassigen Besetzung – unter anderem mit Juan Diego Flórez und Nino Machaidze, unter der musikalischen Leitung von Stefano Montanari. Gezeigt wird auch das Konzert der Staatskapelle Berlin unter ihrem Generalmusikdirektor Christian Thielemann mit der 1. und 3. Sinfonie von Johannes Brahms. Vor dem Konzert der Staatskapelle tritt das Opernkinderorchester der Staatsoper, geleitet von Giuseppe Mentuccia, mit Werken von Peter Tschaikowsky auf.
Auch die Deutsche Oper hat im Juni eine Premiere auf dem Programm: „Lash – Acts of Love“. Es ist die erste Oper der vielfach ausgezeichneten deutsch-britischen Komponistin Rebecca Saunders. Das Stück basiert auf den bildmächtigen Texten des Videokünstlers und Schriftstellers Ed Atkins. Die Uraufführung ist am 20. Juni. Unter musikalischer Leitung von Enno Poppe interpretieren die drei Sängerinnen Anna Prohaska, Sarah Maria Sun und Noa Frenkel sowie die Schauspielerin Katja Kolm die vier Facetten der im Zentrum der Oper stehenden weiblichen Protagonistin.
„Lash – Acts of Love“ erzählt folgende Geschichte: Eine Frau befindet sich in einem Schwebezustand infolge eines Todesfalls. Sie spricht von ihren Fantasien und Erinnerungen – auf der Suche nach Sinn und Trost, um so den Tod in seiner Sinnlosigkeit aufzuhalten. Durch die unmittelbare Erfahrung ihres eigenen Körpers, ihrer eigenen Sterblichkeit, entdeckt sie den Verlust als Grundvoraussetzung dafür, die Welt zu erfahren – und zu lieben.
Oper über eine Söldnertruppe

Auf die Bühne gebracht wird „Lash – Acts of Love“ durch das irische Regiekollektiv Dead Centre mit den beiden Regisseuren Ben Kidd und Bush Moukarzel, der Bühnen- und Kostümbildnerin Nina Wetzel und dem Videokünstler Sébastien Dupouey. Bereits 2023 haben Dead Centre an der Deutschen Oper die Uraufführung von Giorgio Battistellis „Il Teorema Di Pasolini“ inszeniert. „Mit ,Lash‘ gehen sie nun noch einen Schritt weiter hin zu einer Opernästhetik, die sich in einem Spannungsfeld von konkreter Narration und dem Erschaffen von eher abstrakten Wahrnehmungs- und Erfahrungsräumen und den darin erschaffenen Hör-, Seh- und Gefühlswelten bewegt“, teilt die Opern-Leitung mit.
Berliner Premiere feiert „Wagner weltweit“ am 13. Juni in der Tischlerei der Deutschen Oper. Mit dieser Oper erschafft das Hamburg-Berliner Musiktheaterkollektiv „Sounding Situations“ (Jens Dietrich, Milena Kipfmüller, Klaus Janek) eine multiperspektivische Musiktheaterproduktion über die Aktivitäten der russischen Söldnergruppe „Wagner“. „Social-Media-Heldensagen treffen auf eine unsichere Gegenwart, in der Söldner sich als Musikanten, ihre Waffen als Instrumente und den Krieg als Oper bezeichnen“, kündigt die Deutsche Oper an. Das Kollektiv „Sounding Situations“ erforscht dabei mit einer Opernsängerin, einem Schauspieler sowie Musikerinnen und Musikern aus der „Echtzeit“-Bewegung Populismus, Propaganda und Mythologien der Gruppe Wagner – und versucht zu zeigen, was das alles mit Richard Wagners „Ring der Nibelungen“ zu tun hat. Das Ganze ist eine Koproduktion von Kampnagel, Deutscher Oper Berlin und der Hochschule für Bildende Künste Hamburg.