Die rechtskonservative Regierung in den Niederlanden arbeitet bereits seit Juli, eine andere hat in Paris ihre Arbeit aufgenommen, in Wien wird noch verhandelt. Neue Bündnisse und eine neue Asylpolitik stärken die Kräfte rechts der Mitte in deutschen Nachbarländern.
Noch ist nicht klar, wer künftig die Alpenlande regiert. Nach den gescheiterten Gesprächen zwischen der rechtsextremen FPÖ und dem Grünen-Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der in Österreich die Regierungsbildung beauftragt, sollen es nun die Zweitplatzierten richten: Karl Nehammer, noch geschäftsführender Kanzler der ÖVP, soll nun stattdessen eine Regierungsmehrheit zustande bekommen. Derweil hat der neue österreichische Parlamentspräsident, Walter Rosenkranz von der FPÖ, bereits seine Arbeit aufgenommen und seinen ersten ausländischen Gast begrüßt: Viktor Orban, autoritär regierender Premier der rechtspopulistischen Fidesz-Partei Ungarns. Orban, in seiner Funktion als derzeitiger EU-Ratspräsident, kam zum „Arbeitsgespräch“, das allerdings lediglich Vertreter der FPÖ umfasste, inklusive Parteichef Herbert Kickl. Ein „fatales Signal“, fand Grünen-Chef Werner Kogler. SPÖ-Vorsitzender Andi Babler wurde deutlicher: Rosenkranz werde seiner Rolle sicher nicht gerecht, wenn er zuallererst einen Regierungschef einlade, der sein Land in den vergangenen Jahren in eine „korrupte Elitenherrschaft“ umgebaut habe, so Babler in einer Pressemitteilung. Auch die liberalen Neos kritisierten den Schritt. Orban jedoch winkte seinen lautstark demonstrierenden Gegnern vor dem Parlamentsgebäude zu und verschwand zum Gespräch mit der FPÖ-Parteispitze hinter verschlossenen Türen, so der österreichische „Standard“. Über Inhalte ist nichts bekannt. Die FPÖ und die Fidesz-Partei bilden seit Kurzem eine neue Fraktion im Europaparlament, die „Patrioten für Europa“.
Retailleau fordert „mehr Ordnung“
Der Rechtsruck rund um Deutschland erhält Kontur. Dieser hat einen gemeinsamen Nenner: die Migration. In Frankreich macht der stramm rechtskonservative Innenminister Bruno Retailleau von sich reden, der öffentlichkeitswirksam mehr „Ordnung“ verlangte. Seiner Meinung nach geschieht dies vor allem durch eine rigide Migrationspolitik. Der religiös-konservative Republikaner gehört der neuen Regierung Michel Barnier an. Barnier wurde Anfang September nach langem Zögern von Macron ernannt. Die Hoffnung war, dass es dem ehemaligen Brexit-Chefunterhändler der EU Barnier mit seinem Verhandlungsgeschick und Talent zum Kompromiss gelingen würde, genügend Partner für eine handlungsfähige Regierung zu finden. Über eine absolute Mehrheit, die politische Vorhaben von Präsident Macron einfach umsetzen kann, verfügt die Regierung nicht. Möglicherweise wird Barnier daher je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch das rechtsextreme Rassemblement National von Marine le Pen angewiesen sein. Staatschef Emmanuel Macron, der mit den Neuwahlen seine Position stärken wollte, wird dadurch innenpolitisch geschwächt.
Die Niederlande wollen ab Ende November Grenzkontrollen einführen und illegal eingereiste Migranten nach Belgien und Deutschland zurückschicken. Das hat nun Premierminister Dick Schoof in Den Haag angekündigt. Die Grenzkontrollen gehören zu den Plänen der Verschärfung des Asylrechts, die Schoof dem Parlament vorlegte. Darauf hatten sich die vier Regierungsfraktionen, darunter die rechtsextreme Partei des Populisten Geert Wilders, geeinigt. Wilders’ PVV (Partei für die Freiheit) hatte die Parlamentswahlen zwar gewonnen, musste jedoch Zugeständnisse machen, unter anderem sollte der Populist Wilders kein Amt antreten, er bleibt Fraktionschef im Parlament. Seine radikalen und teilweise verfassungsfeindlichen Forderungen wie das Verbot von Moscheen und Islamunterricht hat er für die Regierungsbildung vorerst hintangestellt.
Was bleibt, ist eine neue Asylpolitik. Die Verschärfung des Asylrechts ist ein zentrales Ziel der rechten Koalition, an der erstmals auch die Wilders-Partei beteiligt ist. Die Zahl der Asylsuchenden liegt stabil bei etwa 40.000 pro Jahr. Es gibt seit Jahren große Probleme bei der Unterbringung der Menschen wegen Sparmaßnahmen und allgemeiner Wohnungsnot.
Die neue niederländische Regierung will im Verlauf ihrer Asylrechtsverschärfung auch Teile Syriens zu sicheren Gebieten erklären und Geflüchtete in ihre Heimat zurückschicken. Menschen ohne Asylstatus sollen schneller abgeschoben und Geflüchtete mit Aufenthaltsgenehmigung in bescheidenen Unterkünften wie etwa Containerwohnungen untergebracht werden. Kritik gibt es von der Opposition – und von Spediteuren. Diese weisen darauf hin, dass die Grenzkontrollen der deutschen Bundespolizei schon jetzt für Verzögerungen sorgen. Und Verzögerungen beim Transport bedeuten Verluste bei den Transportunternehmen.
Zahl unerlaubter Einreisen sinkt
Sie lassen jedoch die Zahl der illegal Eingereisten sinken, seit die Bundespolizei die Grenzen stichprobenartig kontrolliert. Ein Grund dafür ist aber auch, dass die unerlaubten Einreisen an den europäischen Außengrenzen zurückgehen, berichtete nun die EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Die Zahl sank in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 42 Prozent auf rund 166.000 unerlaubte Grenzübertritte.
Wie die Migrationspolitik in der EU künftig aussieht, bestimmen die Staaten gemeinsam in Brüssel. Sie hatten sich bereits nach mühsamen Verhandlungen und jahrelangem Hin und Her auf einen Asylpakt verständigt, der nun durch neue rechtsgerichtete Regierungen in der EU wieder aufgeschnürt wird. Dringend notwendig Fachkräfteeinwanderung und Asylrecht muss politisch ausbalanciert sein. Dazu will die EU laut eigener Aussage auch Sonderwege beobachten, die die einzelnen Staaten durchaus einschlagen können. Beispiel Italien. Dort wurde das Asylverfahren nach Albanien ausgelagert. Die rechtspopulistische Regierung unter Giorgia Meloni rühmte sich nun, die Einwanderung nach Italien um 61 Prozent reduziert zu haben. Frontex-Zahlen zeigen jedoch: Die Zahlen auf anderen Routen, beispielsweise Richtung Spanien und Griechenland, steigen teils deutlich, die sogenannte Westroute laut Frontex um 152 Prozent. Außerdem entschied ein römisches Gericht, dass der Europäische Gerichtshof im Falle des sogenannten „Albanien-Modells“ der italienischen Regierung entscheiden müsse, ob dies rechtlich zulässig sei.
Meloni gilt als Rechtspopulistin, die bislang zwischen immer autoritärerem Regieren in Italien und konziliantem Auftreten auf globaler Bühne gut balancieren kann. Ihre Politik verfängt. Indem die EU ihr Modell immerhin ins Auge fasst, verlagert sich die Asylpolitik aus Europa heraus. Ein großer Erfolg für die rechtspopulistischen und -extremen Parteien, deren kernpolitisches Anliegen damit Teil offizieller EU-Politik werden könnte. Die Abschottung schreitet voran.