Ende Juli kommt „Rave On“ in die Kinos – ein Film, der mehr sein will als eine Beschäftigung mit der Technoclub-Szene, aber tief hineinführt in diesen Teil der Berliner Kultur.

Ein Film über Techno, über die Clubszene? Ja, das ist „Rave On“ von Viktor Jakovleski und Nikias Chryssos. Aber wer nun abwinkt, weil ihn beides nicht interessiert, sollte trotzdem weiterlesen. In dieser Geschichte geht es nämlich um mehr – um die Frage nämlich, woran ein Künstler glaubt und was er bereit ist zu tun für das, was ihn beseelt.
In „Rave On“ erzählen Viktor Jakovleski und Nikias Chryssos die Geschichte von Kosmo, einem Techno-Künstler, und seinem letzten Versuch, künstlerische Anerkennung zu bekommen. Vordergründig ist sein Ziel simpel: Er will seinem Idol, der DJ-Legende Troy Porter, die Testpressung seiner neuesten Schallplatte überbringen. Doch dazu muss er in den berüchtigten Club Schallwerk, von dem er sich seit langer Zeit ferngehalten hat. Die anschließende Odyssee durch den Club wird zu einer Konfrontation mit sich selbst: Kosmo trifft alte und neue Weggefährten, befreit sich von den Fesseln seiner Vergangenheit und kommt zu einer Aussöhnung mit seiner eigenen Kreativität und der Musik, die er einst so liebte.
Dancefloor-Gefühl im Kinosessel
„In unserem Film entführen wir die Betrachterinnen und Betrachter in die ekstatische, psychedelische Welt eines Technoclubs und machen diesen Ort erlebbar. Das Publikum erlebt den Rave hautnah mit. Dafür erzählen wir aus der Perspektive unserer Hauptfigur. Was Kosmo sieht, hört und erlebt, erleben wir mit ihm und durch ihn: visuelle Verschiebungen, Spiegelungen, Halluzinationen, Farben, Zeitlupen – mal schön und kosmisch, mal albtraumhaft. Dabei klebt die Kamera anfangs an Kosmo wie Kosmo selbst an seiner Platte – wie ein Begleiter, der ihm ständig über die Schulter schaut. Im Lauf der Geschichte wird Kosmos Zustand gelöster, und auch die Kamera wird freier, taucht immer mehr in die Masse der Menschen ab, befreit sich, hebt sich ab“, erklären die Regisseure ihren Film.
Um dieses Gefühl authentisch einzufangen, hat das Team streckenweise „guerillastyle“ auf zwei selbst organisierten Technopartys gedreht. „Zuschauerinnen und Zuschauer, die selber noch nie in einem Technoclub waren, können somit aus sicherer Entfernung teilnehmen: vom Kinosessel oder dem heimischen Sofa aus“, versprechen die Filmemacher. Aber auch „verdiente Raverinnen und Raver“, wie sie sagen, „sollen sich in dem Film wiedererkennen.“
„Zwischen den Zeilen geben wir Einblick in die Geschichte und Entwicklung dieser Musik. Was früher Subkultur war, drängt immer mehr in den Mainstream und wird zu einer globalen Industrie, in der Social Media, Außendarstellung und Mode eine große Rolle spielen“, heißt es im sogenannten Regiekommentar. Kosmo sieht diese Entwicklung kritisch – und der Film lädt sein Publikum dazu ein, sich dazu ebenfalls eine Meinung zu bilden.
„Während das Ritual des Gemeinschaftstanzes spirituelle und körperliche Bedürfnisse befriedigen kann, verleihen ihm die Ursprünge von Techno in Räumen, die von und für Minderheiten- und Queer-Gemeinschaften bestimmt waren, eine einzigartige kulturelle Kraft“, erklären Jakovleski und Nikias Chryssos. Kosmos, Verachtung für Starkult und Kommerz sei „womöglich etwas aus der Zeit gefallen“. Aber er sei eben auch ein Idealist und Nostalgiker in einer sich rasant verändernden Welt. „Dabei spiegelt diese Verbitterung auch seinen eigenen inneren Zustand wider: Wie die meisten erfahrenen Künstler – uns eingeschlossen – bestätigen können, äußern sich Ängste vor Versagen und Ablehnung oft äußerlich als Zynismus und innerlich als Selbstzweifel“, verraten die Regisseure.
Kosmos Besessenheit, seinen Wert beweisen zu müssen und mit seiner Mission, wieder zurück ins Geschäft zu kommen, auf keinen Fall zu scheitern, manifestiert sich in seinem obsessiven Streben nach Anerkennung durch sein Idol Troy Porter. In dieser Figur haben Viktor Jakovleski und Nikias Chryssos die Charaktere bekannter Techno-Pioniere gebündelt. „Während die Geschichte selbst archetypische Züge aufweist, legen wir großen Wert auf die Authentizität der Charaktere, des Settings, der Musik und der Dialoge. Man stelle sich etwa Alice im Wunderland im Berghain vor, die Geschichte einer kathartischen Erfahrung, die universal nachvollziehbar ist“, erklären sie.
In „Rave On“ gehe es um nicht weniger, als anhand einer Figur vom Phänomen Techno zu erzählen. „Wir nehmen den Zuschauer mit auf eine bewusstseinsverändernde, fantastische Reise, wie wir und viele andere sie erlebt haben“, sagen die Regisseure. Entstanden sei ein „Zeitdokument, das jetzt gemacht werden musste – denn gerade in Berlin verschwinden diese Orte der Freiheit immer mehr.“ Dabei habe die Idee des halbdokumentarischen Ansatzes, auf echten Partys zu drehen, bereits ganz am Anfang festgestanden. „Mir war früh klar, dass, wenn wir ein größtmögliches Maß an Authentizität liefern wollen, wir keine gestellten Film-Partys mit ,Musik an, Musik aus und alles auf Anfang‘ drehen können. Auch das Film-Grundlicht, das es in vielen anderen Filmen gibt, wollten wir umgehen und lieber die Dunkelheit zwischen den aufblitzenden Clublichtern und des Strobos miterzählen. Wir hoffen, dass genau das dem Film dieses einmalige Dancefloor-Gefühl verleiht. Auch die Begegnungen sollten spontan und unmittelbar wirken“, beschreibt Viktor Jakovleski seinen Ansatz.
Der Technoclub als Ort der Heilung
Gleichzeitig sei aber auch klar gewesen, dass die Geschichte keine reine Dokumentation sein soll und einen roten Faden braucht, „um den Zuschauer bei Laune zu halten“. Der rote Faden ist eine „Platte, die ziemlich simpel von A nach B muss“, also das Bemühen von Kosmo, seine Musik zu dem Mann zu bringen, den er verehrt. Nikias Chryssos erläutert das so: „Es war schon in der Entwicklung ein ständiges Austarieren zwischen dem Gefühl, so immersiv und frei wie möglich durch den Club zu gehen, und einer eher klassischen Dramaturgie zu folgen. Kosmos Mission war da ein guter Aufhänger.“ Für die Rolle des Kosmo konnte die Produktion den Schauspieler und DJ Aaron Altaras gewinnen.

Die Idee zu „Rave On“ ist in einem Technoclub entstanden. Er habe über viele Jahre beim „Clubben“ Inspirationen gesammelt und „mir den Kopf darüber zerbrochen, wie diese intensive Club-Erfahrung filmisch einzufangen beziehungsweise so reproduzierbar ist, dass ein Kinopublikum sie bestmöglich nachempfinden kann“, erzählt Viktor Jakovleski. Um dieses Nachempfinden sei es ihm auch schon bei seinem Dokumentarfilm „Brimstone & Glory“ gegangen, bei dem er ein Feuerwerk-Festival in der mexikanischen Stadt Tultepec auf die Leinwand brachte. Nach Jahren der Ideen- und Stoffsammlung habe er das alles seinem alten Freund Nikias erzählt – natürlich während eines Clubbesuchs. „Er war sofort angefixt und wir begannen, aus der Idee einen Film zu schreiben. Wir kamen dann irgendwann auf die Idee des Tracks auf der Platte, die zum DJ muss. Und so nahm die Geschichte der Rave-Odyssee durch den Club ihren Lauf“, erinnert er sich. Der Film soll aber vor allem ein Lebensgefühl spiegeln, das Viktor Jakovleski so beschreibt: „Der Club als Ort der Begegnung, als Ort der Heilung, und vor allem als Safe Space für alle, vor allem marginalisierte Gruppen, ist elementar wichtig und muss mit allem Elan verteidigt werden. Das gemeinsame Tanzen und Feiern schweißt zusammen und räumt Gegensätze aus. Wir benötigen diesen Ort gerade jetzt, in einer Zeit der Spaltung, mehr denn je.“
Für Nikias Chryssos ist ein solcher Club „ein Ort, der einen Gegenpol zur Leistungsgesellschaft und zum alltäglichen Funktionieren darstellt. Dunkelheit, Freiheit, Albernheit und Exzess. Eine Mischung aus Sicherheit und Gefahr. Ob Karneval, Oktoberfest oder Dorfparty – die Menschen suchen Rausch als Ventil. Beim Techno kommt noch das psychedelischere Element hinzu, das Verspulte der Sounds, die das Bewusstsein triggern und in andere Zustände führen. Man sollte den Ort nicht überromantisieren – aber ihn schützen, gerade in Zeiten, in denen er von außen bedroht ist. Von wirtschaftlichen Fragen, von Fragen der Gentrifizierung, aber auch politisch. Auch in diesem Sinn könnte unser Film eine Art Zeitdokument sein.“