Nirgendwo ist die Vielzahl autochthoner Weine so groß wie in Italien. Die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse zwischen Nord und Süd bringen am Stiefel eine Vielzahl an Weinen hervor, die man nur hier findet.
Italien ist seit vielen Jahren einer der größten europäischen Exporteure für Wein. Frankreich hatte im Jahr 2020 einen Anteil von 29,2 Prozent am Weltmarkt, direkt dahinter auf Platz zwei lag Italien mit 21,1 Prozent. Am Stiefel im Mittelmeer hat der Weinbau eine sehr lange Geschichte. Etwa um 1000 v. Chr. brachten die Griechen die ersten Reben hierher.
Sassicaia, Tignanello, Solaia und Ornellaia sind heute die Flaggschiffe Italiens. Weltbekannte Weine! Diese sind aber keine sogenannten autochthonen Weine, für die Italien so bekannt ist wie kaum eine andere Region. Eine autoch-thone Rebsorte ist eine einheimische, die in einem bestimmten Land oder einer Region ihren Ursprung hat und auch (fast) nur dort verbreitet ist. Für die oben genannten Weine werden hingegen auch die großen französischen Reben wie Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, petit Verdot oder Merlot verwendet und auch hier angebaut. Zwar sind sie auf dem Weltmarkt die begehrtesten und teuersten Weine Italiens, das italienische Weingesetz klassifiziert sie allerdings nach den heimischen Reben. Deshalb sind diese weltberühmten Kreszenzen nach dem heimischen Weingesetz keineswegs hoch ausgezeichnet, sondern nur als „Vini di tavola", also als Tafelweine klassifiziert. Das ist in Italien die unterste Qualitätsstufe!
Doch echte Weinkenner wissen, auch Zweit- und Drittweine großer Häuser können ganz besondere Tropfen sein. Und dies meist zu einem ganze anderen Preis wie die eigentlichen Flaggschiffe. So kaufe ich beispielsweise sehr gern den „Le Volte dell’Ornellaia", eine Cuvée aus den Rebsorten Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Merlot. Wie im Bordelais etwa der Pavillon rouge, der Zweitwein von Chateau Margaux, sind diese Weine von Reben, die noch keine 40 Jahre alt sind. Aber ansonsten klasse Tropfen zu einem sehr guten Preis!
Mehr als 500 heimische Rebsorten
Etwa 1.000 Rebsorten sind registriert, mehr als 400 Rebsorten sind im Regelwerk des italienischen Weinministeriums zugelassen. In Italien gibt es zahlreiche Weine aus sogenannten autochthonen Rebsorten, also solchen, die aus einer bestimmten Gegend stammen, in der sie auch seit Langem und traditionell heimisch sind. Wir reden also von Aglianico und Zanello, von Nebbiolo und Sangiovese, von Bosco und Vermentino, von Frappato und Ruchè und von Timorasso und Raboso. Sage und schreibe mehr als 500 dieser „autochthonen" heimischen Rebsorten gedeihen in Italien. Diese gehören allerdings nicht zu den am meisten angebauten Rebsorten, das sind Barbera, Malvasia, Montepulciano, Nebbiolo, Sangiovese sowie die Sorte Raboso. Die Liste der Rebsorten in Italien ist aufgrund der sehr langen Geschichte des Weinbaus in Italien sehr umfangreich und wer sich dort durcharbeiten möchte, steht fast schon vor einer Lebensaufgabe.
Das italienische Weinrecht klassifiziert folgendermaßen: Denominazione di Orgine Controllata e Garantita (DOCG), die höchste Stufe des Weinrechts in Italien. Strengste Vorschriften, strenge Mengenbegrenzungen. Denominazione di Orgine Controllata (DOC), wird seit 1964 vergeben. Darin sind Vorschriften über die Grenzen der Anbaugebiete, die zugelassenen Rebsorten und die Art des Ausbaus. 1997 wurde eine Kategorie für Regionalweine eingeführt: Indicazone Geografica Tipica (IGT), wichtigste Vorschriften dabei sind Mindest-Alkoholgehalt und Hektar-Höchsterträge. Vino da Tavola (VdT) sind Weine mit geringsten Anforderungen. So muss etwa der Jahrgang nicht auf dem Etikett stehen.
Ich kenne kaum ein anderes Land, in dem so flächendeckend Reben gepflanzt sind wie am Stiefel. Dazu kommt, dass aufgrund der klimatischen Verhältnisse die Weine im Norden andere sind als die im Süden. Diese unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse sind der Grund für Italiens Vielfalt, und vielfältiger als in Italien geht kaum! So sind die Weinbaugebiete von Piemont, Aostatal, Lombardei, Trentino-Südtirol, Venetien, Ligurien und Friaul nicht weit weg von Frankreich und Österreich. Folglich gibt es hier auch andere Reben als auf Sardinien und Sizilien.
Allerdings ist Italien nicht Deutschland und die Sichtweise etwas lockerer. In der Mitte zugeordnet sind Emilia Romagna, Toskana, Marken, Umbrien, Latium und Abruzzen-Molise. Alleine schon die größere Nähe zum Meer lässt hier andere Reben wachsen, und dadurch entstehen auch andere Weine. Im Süden sind es dann meist andere Weine, die in den Anbaugebieten von Kampanien, Apulien und Basilikata, Kalabrien sowie den Inseln Sardinien und Sizilien wachsen. Wer sich einen Weinkeller mit italienischen Weinen anlegen will, muss sich einer Auswahl stellen, die größer ist als es für ein Leben reicht. Da muss man sich viel anlesen und viel probieren!
Guter Grappa reift in Holzfässern heran
Der Siegeszug der italienischen Weine ging Anfang der 1970er-Jahre von der Toskana aus, danach kamen das Friaul und das Piemont dran. Heute gibt es Liebhaber italienischer Weine, die alle Regionen schätzen. Und echte WeinFreaks lieben Italien, weil es nur hier ihren Lieblingswein gibt. Manch einer hat dabei auch irrationale Argumente. Der erzählt, er habe einen tollen Weißwein vom höchsten Weinberg Europas getrunken, denn das Dorf Morgex im Aostatal hat Weinberge auf einer Höhe von mehr als 1.000 Meter. Der berühmteste ist der Blanc de Morgex.
Andere schwärmen von Trentino-Südtirol. In vielen saarländischen Restaurants findet man beispielsweise Weine von Lageder. Der Chardonnay Löwengang ist weltberühmt. Viele italienische Restaurants hierzulande schwören oft auf die Cantina Sociale di Terlano von dort. Diese Winzergenossenschaft arbeitet auf sehr hohem Niveau, beliebt ist der klassische Terlaner DOC.
Die Toskana lasse ich an dieser Stelle einmal ganz bewusst beiseite, denn diese Weine kennt fast jeder Weinliebhaber! Doch auch in der Emilia-Romagna gibt es ganz hervorragende Tropfen. Schon seit vielen Jahrzehnen einen großen Namen hat die Fattoria Paradiso. Ob Weiß oder Rot – diese Weine sind besonders! Umbrien ist das Land der Heiligen, hier liebt man Wildtauben und es wachsen Olivenbäume. Orvieto und der rote Torgiano sind berühmte Weine von dort.
Den meisten Wein in Italiens Regionen produzieren die Winzer in Apulien. Vor allem einen granatfarbenen Roten aus der Traube Aleatico. Doch auch ganz im Süden und auf Sizilien und Sardinien finden sich ganz besondere Weine. Ebenso in den Regionen, die ich nur kurz erwähnt habe.
Nicht zu vergessen: Nach dem Essen mit einem guten Wein darf in einem guten italienischen Restaurant zum Espresso ein Grappa nicht fehlen. Überall, wo es Wein gibt, gibt es Tresterbrand. So auch in Italien. Grappa hat einen Mindestalkoholgehalt von 37 Volumenprozent und einen Maximalgehalt von 60. Sehr gern genommen werden die Grappas roter Trauben. Das liegt auch daran, dass diese ein Fass gesehen haben und entsprechend Geschmack angenommen haben. Der Geschmack variiert je nachdem, ob sie aus Kirschholzfässern oder Eichenholzfässern stammen und ob es sich um weiße oder rote Trauben handelt. Die aus Kirschholzfässern sind eher etwas süßlicher, die aus Eichenholz herber. Auch die Farbe kommt anders daher. Etwa bräunlich, wenn sie aus Kastanienholzfässern stammen.
Ich habe immer die besten Erfahrungen mit Grappa von Berta gemacht. Beheimatet ist diese Distillerie im Piemont. Hinter dem Grappa Berta steckt nicht etwa ein einzelner Betrieb, sondern ein Zusammenschluss unter dem Namen Destillerie Berta. Die Mitglieder der vierten Generation sind in Mombaruzzo für die Produktion von feinstem Grappa zuständig. Man produziert hier hochwertigen Gappa von Rohmaterial aus ganz Italien!