Der Frauensport ist zweifelsohne im Kommen. Doch die Unterschiede zu den Bedingungen bei den Männern sind weiterhin signifikant. Lösungsansätze gibt es – aber auch reichlich Hindernisse.

Selina Freitag konnte sich ein süffisantes Lächeln kaum verkneifen. Im TV-Interview erzählte die Skispringerin, dass sie für ihren Quali-Sieg beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen einen Präsentbeutel mit Duschgel, Shampoo und vier Handtüchern bekommen habe. „Dann ist es so wie: Wir hatten jetzt leider keinen 500er übrig“, sagte Freitag: „Ich möchte auch nicht groß drüber meckern, aber da sieht man die Unterschiede.“ Denn der Sieger bei den Männern, der Österreicher Jan Hörl, durfte sich über eine Prämie von 3000 Schweizer Franken freuen. Das Video mit Freitags Aussagen ging viral, viele Medien griffen es auf. Die Funktionäre und Verbände gerieten unter Druck, die Kritik war groß.
„Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich morgens schon mit einem Klingelbeutel zur Bahnschranke gegangen und hätte gespendet oder spenden lassen“, sagte zum Beispiel der frühere Top-Skispringer Sven Hannawald. Sportdirektor Horst Hüttel vom Deutschen Skiverband zeigte sich einsichtig. „Handtuch und Duschgel ist ein bisschen unglücklich gewählt. Da ist es gescheiter, man gibt gar nichts“, sagte Hüttel. Sie habe mit ihren Aussagen „niemanden angreifen“ wollen, sagte Freitag mit etwas Abstand. Dass das Beispiel viel über den Ist-Zustand im Skispringen und generell im Frauensport aussagt, ist ihr bewusst. Sie habe viele positive Rückmeldungen erhalten, aber auch Kommentare gehört und gelesen, „dass ich doch froh sein soll, überhaupt etwas bekommen zu haben“.
Preisgeld-Unterschied nicht wegzudiskutieren

Gemessen am Zuschauerinteresse ist der Preisgeld-Unterschied im Sport tatsächlich ein nicht einfach so wegzudiskutierender Faktor. Als die Boxerin Tina Rupprecht Anfang April im WM-Vereinigungskampf gegen die Japanerin Sumire Yamanaka die Gürtel der wichtigsten Verbände WBO, WBA, WBC und IBF auf sich vereinte, sahen 2500 Fans in der Magdeburger Arena und ein paar Hunderttausend Zuschauer im MDR zu. Hätte ein männlicher deutscher Boxer sich zum „Undisputed Champion“ gekürt, wäre es als ein Jahreshighlight verkauft worden. Für eine größere Beachtung des Frauenboxens kämpft auch Nina Meinke, die bei ihrem gewonnenen WM-Fight im Federgewicht im vergangenen Jahr erstmals über zwölf Runden gehen musste – und das auch wollte. Die bei Männern übliche Distanz ist bei Frauen-Kämpfen noch eine absolute Ausnahme. „Wir reden alle von Gleichberechtigung. Und wenn man irgendwann die gleichen Gagen und Gleichberechtigung möchte, dann müssen wir auch die gleiche Zeit boxen“, sagte die Nichte von Ex-Boxweltmeister Sven Ottke.
Die Fußballerinnen spielen schon immer so wie die Männer 90 Minuten, von gleichen Gagen sind sie aber noch weit entfernt. Doch es bewegt sich etwas. Der Deutsche Fußball-Bund hebt die Titel-Prämie für die im Sommer stattfindende Europameisterschaft um 100 Prozent auf 120.000 Euro pro Spielerin an. „Die Entwicklung des Frauenfußballs auf allen Ebenen genießt beim DFB höchste Priorität“, sagte Verbandspräsident Bernd Neuendorf. Dafür brauche es eine „nachhaltige Entwicklung der Strukturen und Bedingungen“, aber eben auch „mehr Leistungsanreize“, sagt Neuendorf. Beim Thema Geld gibt es insgesamt langsame, aber stetige Angleichungen.
Der Deutsche Handball-Bund (DHB) zahlt in diesem Jahr, in dem die WM der Frauen in Deutschland stattfindet, an seine Nationalspielerinnen das gleiche Tagegeld für Lehrgangs- und Wettkampftage wie ihren männlichen Pendants. Von einem „überfälligen Schritt“ sprach Verbandspräsident Andreas Michelmann. Denn noch immer steht der Frauensport bei den Themen Bezahlung, Strukturen, Professionalisierung, Nachwuchs und Sichtbarkeit meist klar im Schatten der Männer. Ein Problem ist, dass die Austragung von Großereignissen wie eine Welt- oder Europameisterschaft, die das mediale Interesse steigert und auch Vorbilder für sporttreibende Mädchen schafft, für die Verbände meist noch defizitär ist. Es bedarf noch größerer Unterstützung seitens der Bundesregierung.

Das ist eine der wichtigsten Forderungen der Frauen-Teamsportkonferenz, die jährlich mit Vertretern der fünf größten deutschen Mannschaftssportverbände Fußball, Eishockey, Basketball, Handball und Volleyball abgehalten wird. Im deutschen Frauen-Basketball gehe es schon „in die richtige Richtung“, sagte Svenja Brunckhorst, die in Paris mit Gold im 3x3-Wettbewerb für eines der deutschen Olympia-Highlights gesorgt hatte. Brunckhorst hat mittlerweile bei Alba Berlin die neu geschaffene Stelle als Managerin für Mädchen- und Frauen-Basketball übernommen, sie weiß: „Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Frankreich ist an vielen Stellen noch sehr viel Luft nach oben. Aber ich glaube, dass die Liga und auch der Verband gewillt sind, Veränderungen herbeizuführen.“
Selbst im Fußball ist die Diskrepanz noch groß – und das hat Folgen. Während in den USA kürzlich ein neuer TV-Vertrag mit einem Finanzvolumen von 240 Millionen US-Dollar für die nächsten vier Jahre für Aufsehen sorgte und auch England diesbezüglich enteilt ist, droht Deutschland im Frauen-Fußball den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren. Bundesligaspielerinnen kassieren hierzulande durchschnittlich rund 4000 Euro im Monat – das bekommen die Bayern-Stars Manuel Neuer und Harry Kane umgerechnet alle zwei Stunden. Dabei wird Frauen-Fußball immer populärer, die Einschaltquoten bei Großturnieren sorgen bei ARD und ZDF regelmäßig für zweistellige Millionen-Zahlen. Beim Pokal-Halbfinale der Frauen zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen kamen 57.000 Zuschauer ins Volksparkstadion. „Die Kulisse war atemberaubend, davon träumt jedes kleine Mädchen“, sagte HSV-Kapitänin Sarah Stöckmann.
Gleichberechtigung ist mehr als die Bezahlung

Doch Gleichberechtigung bedeutet nicht nur eine bessere Bezahlung und größeres Interesse. Ex-Nationaltorhüterin Almuth Schult beklagte jüngst in einem Interview, dass sie aufgrund ihrer Kinder bei der Vereinssuche benachteiligt sei. „Ob das Clubs zugeben oder nicht, aber das ist einfach mein subjektiver Eindruck“, sagte die langjährige Torhüterin des VfL Wolfsburg: „Viele Vereine befürchten, dass es Widrigkeiten und Schwierigkeiten mit Müttern geben könnte.“
Bei Olympia in Paris hatten die Organisatoren stillenden Athletinnen ein privates Zimmer bereitgestellt, eine Kinderkrippe gab es auch. Noch wichtiger: Die Anzahl der Teilnehmer war erstmals in der Geschichte von Olympischen Spielen paritätisch – sprich: Es gab eine 50:50-Aufteilung zwischen Männern und Frauen. Bei den Spielen 1900, ebenfalls in Paris, lag der Anteil der teilnehmenden Frauen noch bei lediglich 2,2 Prozent. Die Olympischen Spiele der Neuzeit wurden von Männern für Männer erfunden, Gründervater Pierre de Coubertin hätte Frauen am liebsten nur auf den Zuschauerrängen oder als schmückendes Beiwerk bei der Siegerehrung gesehen. Diese Zeiten haben sich aber natürlich geändert. Die Anzahl der Mixed-Wettbewerbe wurde erhöht, auch das führte zu einer größeren Präsenz der Frauen im olympischen Scheinwerferlicht.
Doch auch in Paris wurde deutlich, dass alte Denkweisen bei manchen noch immer verankert sind. Ein britischer TV-Kommentator lästerte während der Übertragung von den Schwimmwettbewerben: „Nun, die Frauen sind gerade fertig geworden. Sie wissen ja, wie Frauen sind ..., sie lungern herum und schminken sich.“ Immerhin: TV-Sender Eurosport setzte den Kommentator von der Berichterstattung nach dem Skandal ab. Womöglich auch auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees. Dass jüngst mit Kirsty Coventry erstmals eine Frau ins höchste IOC-Amt gewählt wurde, wertete Noch-Präsident Thomas Bach als Zeichen der gestiegenen Gleichberechtigung im olympischen Sport. Dass das Gros der Spitzenfunktionäre und auch der Trainer weiterhin männlich ist, dass Männer weiterhin in mehr Disziplinen Medaillen gewinnen können – das gehört aber auch zur Wahrheit in der Geschlechterdebatte.
In Deutschland machen Mädchen und Frauen nach offiziellen Angaben rund zehn Millionen der Mitgliedschaften in deutschen Sportvereinen aus. Das entspricht mehr als 23 Prozent der weiblichen Bevölkerung. „Der Sport der Frauen erlebt weltweit einen medialen und kommerziellen Boom“, schrieb der Deutsche Olympische Sportbund in einem Statusbericht anlässlich des Frauentages am 8. März. Doch es gebe weiterhin „viel zu tun“, wie der DOSB einräumte: „Es fehlt oftmals noch an gleichberechtigter finanzieller Förderung (Equal Pay) und adäquaten Trainings- und Wettkampfbedingungen (Equal Play).“ Hinzu kommt, dass sexistische und queerfeindliche Kommentare weiterhin „zur traurigen Realität im Sport“ gehörten, stellte der DOSB fest: „Besonders besorgniserregend ist der zunehmende Antifeminismus.“

DOSB mit eigenen Förder-Projekten
Der DOSB fördert den Frauensport und die gleichberechtigte Teilhabe im Sport durch verschiedene Projekte wie die Initiative „Klischeefrei im Sport – no stereotypes“. Zahlreiche Studien würden belegen, „dass Sport insbesondere für Frauen und Mädchen so viele positive Effekte hat – von gesundheitlichen Aspekten zu gesteigertem Selbstwertgefühl und wichtigen Werten fürs Leben, die sie beim Sport lernen“, sagte Michaela Röhrbein, Vorständin Sportentwicklung im DOSB.
Doch noch immer sehen sich Mädchen und Frauen beim Zugang zum Sport oft größeren Hindernissen ausgesetzt als es bei Männern und Jungen der Fall ist, wie es die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer Analyse feststellte. Die Menstruation und der Schutz sowie das Stützen der Brüste sind unter anderem Faktoren dafür. Und so kommt das Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Strategiepapier „Frauen und Mädchen im Sport“ zu dem Schluss, „dass insgesamt das Potenzial von Frauen im gesamten Sport und in der (Sport-) Wissenschaft in vielen Bereichen eine ungenutzte Ressource darstellt“. Es bestehe Handlungsbedarf, da der Sport „im Hinblick auf Chancengleichheit, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichbehandlung von Frauen und Mädchen eine Vorbildwirkung für die Gesellschaft einnehmen und somit einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen könnte“.