Ex-Zweitligaprofi Philip Türpitz macht einen Neuanfang in Berlin – der 31-jährige muss jedoch wegen einer Verletzung noch auf sein Debüt in der Regionalliga Nordost warten.
Der Neue tat auf Anhieb das, wofür man ihn geholt hatte: Im ersten Testspiel für die VSG Altglienicke erzielte er nach einer Viertelstunde bereits das Führungstor. Ein Auftakt nach Maß also für Philip Türpitz beim Tabellenneunten der Regionalliga Nordost, der seinem Spitznamen „Torpedo“ gleich Ehre machte. Fußballkenner fragten sich allerdings auch: Was macht ein ehemaliger Zweitligaspieler in der Viertklassigkeit?
Doch der 31-Jährige musste zuletzt erstmals die ganze Ungemütlichkeit des Profifußballs erleben – sein letzter Arbeitgeber, Drittligist Türkgücü München, ging nicht nur mitten während der Spielzeit 2021/22 in die Insolvenz, sondern meldete sich im März 2022 obendrein auch vom Spielbetrieb ab. Ein ganzer Kader stand praktisch auf der Straße und musste sich nach einem neuen Verein umsehen. Türpitz ließ sein Netzwerk arbeiten, durfte als Gast etwa beim VfL Osnabrück, 1. FC Nürnberg II und FC Erzgebirge Aue üben. Die Sachsen hatten Interesse an einer Verpflichtung, aber: „Erst war der Präsident weg, dann musste auch der Trainer gehen – in der danach folgenden Übergangsphase konnte ich noch mittrainieren, aber es gab keine Entscheidung.“
„Der Trainer weiß, was er bekommt“
Interimscoach Carsten Müller hatte dabei noch betont: „Er hat einen sehr ordentlichen Eindruck gemacht und aufgezeigt, dass er ein sehr guter Fußballer ist – ich wäre für eine zeitnahe Entscheidung, aber das steht nicht in meiner Macht.“ Es wurde also auch in Aue nichts mit einer neuen Anstellung – da ergab sich der Kontakt zur VSG Altglienicke über deren sportlichen Berater Lothar Hamann und Trainer Karsten Heine. Mit beiden hatte Türpitz bereits in seiner Zeit beim Chemnitzer FC zu tun gehabt. Dennoch: ein Viertligist, der zur Halbzeit der Saison im Mittelfeld der Tabelle dümpelt? „Wer mich kennt, der weiß, dass ich spielen, spielen, spielen will“, erklärt der Profi seine Beweggründe, und: „Der Trainer weiß, was er bekommt, ich weiß, was mich in dieser Beziehung erwartet – das sind für mich wunderbare Voraussetzungen.“
Seinen Durchbruch und seine besten Zeiten feierte der gebürtige Schwabe dabei ebenfalls im Nordosten Fußballdeutschlands. Zunächst spielte er dort eben für den CFC (2014-17), anschließend wurde er von Ligakonkurrent 1. FC Magdeburg verpflichtet und erlebte den bisherigen Höhepunkt seiner Laufbahn. Mit den Elbstädtern gelang ihm nicht nur der Aufstieg in die 2. Liga – 17 Tore und neun Vorlagen waren auch seine maßgebliche Beteiligung an dem Erfolg. Torjäger Christian Beck (heute BFC Dynamo, ebenfalls RL Nordost) brachte es dabei „nur“ auf 13 Treffer – und attestierte seinem damaligen Teamkollegen einen „Schuss wie ein Pferd“. Im Unterhaus des deutschen Fußballs lief es dann ebenfalls nicht schlecht – eins seiner sieben Tore sollte ihm dabei endgültig zu Kultstatus beim FCM und seiner Anhängerschaft verhelfen. Als die Magdeburger im April 2019 beim Hamburger SV gastierten – 10.000 Fans hatten sie begleitet – gelang Türpitz in der Nachspielzeit das Tor zu einem wahrhaft historischen 2:1-Sieg. Am Ende sollte es allerdings nicht zum Klassenerhalt reichen, und der Spieler stand vor der Frage: Bleibe ich dort, wo ich den Status als „Aufstiegsheld“ genieße – oder wechsele ich, um meine Karriere voranzutreiben? Er entschied sich für den ablösefreien Wechsel zum SV Sandhausen und den Verbleib in der 2. Liga. Doch im Badischen sollte er, obwohl deutlich näher an seiner familiären Heimat, zumindest sportlich nicht ankommen. In der Startelf des SVS stand Türpitz jedenfalls nur selten, traf dreimal in 30 Einsätzen – und wechselte nach anderthalb Jahren doch zurück in die 3. Liga. Zur Rückrunde 2020/21 sicherte sich der FC Hansa Rostock seine Dienste – mit Coach Jens Härtel und fünf Spielern (unter anderem Jan Löhmannsröben) erwarteten ihn dort einige Weggefährten aus Magdeburger Zeiten. Im vertrauteren Umfeld lief es sogleich besser: Bei seinem Debüt erzielte Türpitz den 3:2-Siegtreffer gegen den SC Verl in letzter Minute, ebenso verhielt es sich in der Partie gegen den SV Meppen. Und bei der SpVgg Unterhaching war er als Schütze des einzigen Tores wieder für einen wichtigen Dreier verantwortlich. Am Ende stand der Aufstieg des FC Hansa in Liga Zwei – doch die Rostocker vollzogen in der Folge einen personellen Schnitt, der auch ihn betraf. So wechselte Türpitz vor der Saison 2021/22 zu Türkgücü München: „Der Verein hatte bereits im Winter Interesse an mir signalisiert und sich nun sehr frühzeitig intensiv um mich bemüht“, begründete er die Wahl, und: „Nachdem ich bereits für Vereine aus dem Westen (Schalke 04 II, SF Lotte; Anm. d. Red.), Osten und Norden der Republik gespielt habe, bin ich nun sehr froh, wieder in der Nähe meiner Heimatregion und somit meiner Familie aktiv sein zu können.“ Sein optimistischer Blick in die Zukunft aufgrund der in München formulierten Ziele sollte sich wegen der finanziellen Probleme dort bald eintrüben. Es folgten die beschriebenen Monate der Vereinslosigkeit und Probetrainings sowie des Fithaltens. Erst in dieser Winterpause hatte die Unsicherheit dann ein Ende – worüber sich Türpitz selbst ein wenig wundert: „Schließlich habe ich auch zuletzt bei Türkgücü gute Leistungen geboten und mit die meisten Treffer erzielt.“ Über den „Umweg“ der Regionalliga soll die Karriere nun nochmal einen Kick bekommen. So wurde die Zusammenarbeit vorerst bis zum Sommer (mit der Option auf Verlängerung) vereinbart.
Noch einmal ein Karriere-Kick
Nach dem Tor im ersten Test folgte allerdings ein Rückschlag: Eine Oberschenkelverletzung verhinderte bislang sein Pflichtspieldebüt für die VSG. Obendrein ließen die Altglienicker in der ersten Regionalligapartie des Jahres beim 1:1 gegen den Tabellenletzten aus Halberstadt gleich schon mal wichtige Punkte für einen Angriff auf die Spitze liegen – und Türpitz konnte auch vergangenen Sonnabend zur richtungweisenden Aufgabe beim Ligaprimus Energie Cottbus (s. auch Kurzmeldungen) nicht auflaufen. So ist es möglich, dass der Mann für die wichtigen Tore diesmal erst eingreifen kann, wenn der Status des „Aufstiegshelden“ nicht mehr erreichbar ist – zumindest in dieser Spielzeit.