Die Formel 1 rückt enger zusammen und wird ausgeglichener. In drei Rennen gab es drei verschiedene Sieger, wobei unter anderem Mercedes-Star Lewis Hamilton siegte. Mit dem Puszta-Grand Prix in Ungarn geht am Sonntag das 13. von 24 Rennen über die Bühne.
Aus den vergangenen drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden, einem sogenannten Triple Header, sind drei verschiedene Sieger hervorgegangen: In Spanien Max Verstappen (Red Bull), in Österreich George Russell (Mercedes) und in England Lewis Hamilton. Für den Ex-Sieggarant der Sterne war sein Heimrennen wie ein Aufwachen aus dem Koma. Unfassbare zweieinhalb Jahre, exakt zwei Jahre, sieben Monate und zwei Tage, zusammengefasst 946 Tage, oder 57 Rennen ohne Sieg musste der einstige Dauersieger ausharren, bis er seinen 104. GP-Triumph eingefahren hatte. Die „Enthaltsamkeit“ des siebenmaligen Weltmeisters dauerte somit vom 5. Dezember 2021 in Saudi-Arabien (wo er das WM-Duell gegen Verstappen verlor) bis zum 7. Juli 2024 in Silverstone.
Die Durststrecke ist beendet
„Die Sterne funkeln“, hieß die Schlagzeile in der vorletzten Juni-Ausgabe des Magazins FORUM. Anlass zu dieser Überschrift gaben die Plätze drei und vier von Hamilton und Teamkollege George Russell beim Spanien-GP. Mit seinem Sieg im Motorsport-Mutterland und seinem Triumpf beim Heimrennen brachte Hamilton jetzt die Sterne zum Leuchten. Der Fluch seiner Mega-Durststrecke ist beendet. Ausgerechnet auf dem Traditionskurs und seiner Heimstrecke stellte der Brite einen Formel-1-Rekord auf und schrieb Geschichte: Hamilton gewann als erster Fahrer neunmal auf der gleichen Strecke einen Grand Prix. Mit dieser Bestmarke übertraf der 39-Jährige den F1-Rekord von Michael Schumacher, der achtmal in Magny-Cours/Frankreich erfolgreich war. Für Hamilton war es außerdem sein zwölfter Podiumsplatz beim Großen Preis von Großbritannien in Folge und sein 150. Podestplatz mit dem Mercedes-Team. In der WM ist er aktuell Achter (110 Punkte) hinter Russell (111).
Nach seiner Triumphfahrt in Silverstone empfand Hamilton nur Genugtuung. „Dieser Sieg bedeutet mir sehr viel. Es war der emotionalste Sieg, den ich je erlebt habe. Noch nie hat mich ein Sieg so berührt. Es war einer der wichtigsten Siege überhaupt für mich. In meiner Karriere hatte ich so tolle Momente, aber in den letzten zweieinhalb Jahren war ich nicht mal in der Nähe eines Sieges. Ich habe manchmal daran gezweifelt, ob wir überhaupt noch einen Sieg in diesem Jahr holen können. Daher ist es etwas ganz Besonderes für mich“, so ein etwas emotionaler Hamilton am Sky-Mikrofon. Der Dauerbrenner mit 344 GP-Starts kam bei verschiedenen Interviews ins Grübeln und bekannte: „Wenn du über einen so langen Zeitraum nicht gewinnst, dann schleichen sich Zweifel ein. Es ist nicht leicht zu verkraften, dass du alles gibst, aber es reicht ein um das andere Mal einfach nicht. Das war mental schwierig und es gab wirklich Momente, als mir durch den Kopf ging, dass ich vielleicht nie wieder einen Grand Prix gewinne.“ Hamilton in der Mercedes-Presseaussendung: „Wenn man bedenkt, wie hart alle gearbeitet haben, um sich zurückzukämpfen, war das ein echter Befreiungsschlag der Emotionen. Endlich wieder erfolgreich zu sein, ist das beste Gefühl, das ich je hatte.“ Das Rennen selbst sei „schwierig“ gewesen. „Die wechselhaften Bedingungen machten es zu einer echten Herausforderung. Wir haben aber einen kühlen Kopf bewahrt und zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen, das hat uns geholfen, das Rennen nach Hause zu fahren.“
„Dann schleichen sich Zweifel ein“
Für Mercedes-Sportchef Toto Wolff ist der Sieg seines Paradefahrers „wie ein Märchen.“ Der Wiener Schlawiner ganz euphorisch: „Es ist ein großartiges Gefühl, vor dem britischen Publikum mit dem ikonischsten und erfolgreichsten britischen Fahrer in einem Mercedes zu gewinnen. Es ist unser letzter Sieg beim Großbritannien-GP zusammen mit Lewis, um uns zu verabschieden.“ Hamilton wechselt bekanntlich nächste Saison zu Ferrari. Sein Noch-Teamkollege George Russell, der in Silverstone auf Startplatz eins vor Hamilton stand, war von seinem Auftritt frustriert. „Ich bin enttäuscht. Etwa zehn Runden bevor ich aufgeben musste, konnte ich die Temperaturwarnungen auf meinem Lenkrad sehen. Wir kämpften mit einem Problem am Wassersystem und leider hat es den Kampf gewonnen“, analysierte Russell sein Missgeschick. Teamboss Wolff bei Sky dennoch fast überschwänglich: „Es ist unglaublich. Wir haben jetzt zwei Grand-Prix-Rennen hintereinander gewonnen, wo wir bei den letzten fünf Rennen nicht mal einen Platz auf dem Podium hatten. Die beiden letzten Rennen haben gezeigt: Mercedes hat seinen Speed und sein Selbstvertrauen wiedergefunden.“
Kurzer (Mercedes)-Blick zurück: Die Silberpfeile haben eine lange von Rückschlägen geprägte Zeit hinter sich. In den ersten acht Rennen haben die Stern-Fahrer Russell und Hamilton gerade mal 96 WM-Punkte (null Siege, null erste Startplätze, null Podien) eingefahren. Rang drei und somit ein Platz auf dem Podium war über längere Zeit höchstes Glücksgefühl. Auch der Saisonstart lief nicht wie erhofft und alles andere als rund. Hinter den roten angriffslustigen Bullen, den orangen McLaren und den sich aufbäumenden schwarzen Ferrari-Pferden funkelte der Stern lediglich als viertstärkste Kraft in der hell erleuchteten Vierrad-Königsklasse.
Vorjahres-Silverstone-Sieger Max Verstappen, von Rang vier gestartet, nahm seinen zweiten Platz nach dem Rennen ziemlich gelassen. „Wir haben während des Rennens einfach nicht die Pace gehabt, obwohl wir bei den Boxenstopps die richtigen Entscheidungen getroffen hatten. Ich bin zufrieden mit dem Podium.“ Bullen-Motorsportberater Doktor (der Rechtswissenschaft) Helmut Marko gegenüber Sky: „Max haben nach unserer Rechnung zwei Runden (zum Sieg) gefehlt, aber uns sind diese Runden ausgegangen.“ Dennoch beglückwünschte der 81-Jährige den Sieger: „Man kann Lewis nur gratulieren, vor allem, dass er diese lange Durststrecke so gut durchgehalten hat. Man hat heute seine größte Stärke gesehen, wie er mit den Reifen umgegangen ist, das Reifenmanagement komplett im Griff hatte.“
Verstappen gewann in Spanien seinen siebten Saisonsieg im zwölften Rennen. Der Red Bull-Superstar führt die Fahrer-WM zur Halbzeit mit einem satten 84-Punktevorsprung auf McLaren-Hoffnungsträger Lando Norris an (255:171), der in Silverstone Dritter wurde und in Miami seinen F1-Premierensieg feierte.
Trotz verpasster Siege zuletzt in Österreich (Vierter) und Großbritannien (Zweiter) sprintet „Bulle Max“ mit Siebenmeilenstiefeln seinem vierten WM-Titel entgegen. „Mit 30 will ich viermaliger Weltmeister sein“, hatte der in Belgien (Hasselt) geborene „fliegende Holländer“ anlässlich seines 21. Geburtstags im Interview mit Sky Sports F1 seinen Wunsch geäußert. Dieses Ansinnen geht auf das Verstappen-Jahr 2018 zurück. Mittlerweile ist der Siebenfach-Champion 26 Jahre alt und ist schon dreimaliger Weltmeister. Verstappen liegt also gut in seinem Zeitplan.
Ferrari erlebte ein Desaster. Carlos Sainz (WM-Fünfter/146) kam über Platz fünf nicht hinaus, Charles Leclerc (WM-Dritter/150) landete weit im Niemandsland auf Rang 14. „Die letzten vier Rennen waren schlimmer als ein Albtraum“, gestand der Monegasse und „hofft, dass wir bald wieder zurückkommen.“ Nico Hülkenberg, einziger deutscher Fahrer im F1-Starterfeld, erwies sich erneut als Punktelieferant. Der Emmericher vom Niederrhein erreichte den starken sechsten Rang, wie zuvor schon in Österreich. „Acht Punkte sind mega, und ich bin happy“, so der Fahrer für den US-Rennstall Haas. In der Fahrer-WM liegt „Hulk“ mit 22 Punkten auf Rang elf – ein Punkt hinter Lance Stroll, Sohnemann des Aston Martin-Rennstallbesitzers Lawrence Stroll. Die Konstrukteurswertung führt vor dem Ungarn-GP Red Bull mit 373 Punkten an vor Ferrari (302) und McLaren (295). Mercedes (221) ist viertstärkste Kraft.
Desaster für Ferrari
In Ungarn erwartet der Formel 1-Tross das heißeste Wochenende des Jahres. Da heißt es für alle: kühlen Kopf bewahren. Sechs Stunden sitzen die Fans in der Gluthitze auf den Tribünen. Es rinnt der Schweiß. Ein Sonnenbrand ist meist unangenehmer Begleiter. Zwischen den Zähnen knirscht feiner Puszta-Sand. Auch kein Vergnügen. Seit 1986 gastiert die Formel 1 regelmäßig in Ungarn. Das Rennen von 1986 war der erste GP während des Kalten Krieges, der in einem kommunistischen Land ausgefahren wurde.
Der Hungaroring, nur rund 20 Kilometer vom Zentrum Budapest entfernt, ist auch bekannt als „flacher Teller“. Der Grund: Während die Zuschauer am Rand etwas erhöht sitzen, liegt die Strecke etwas niedriger in einem Tal. Dadurch sind 80 Prozent des Kurses von den Tribünen einsehbar. Die Strecke ist als anspruchsvoller Kurs mit nur wenigen Überholmöglichkeiten und als Reifenfresser bekannt. Der Verschleiß ist unfassbar hoch. Das liegt daran, dass die Start-Ziel-Gerade recht kurz ist und danach Kurve auf Kurve folgt, insgesamt 14. Sind die Piloten zu aggressiv, verlieren sie das Auto.
Am Sonntag (15 Uhr/Sky und RTL) erwarten die Fahrer 70 schweißtriefende Runden über 306,630 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 190 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 330 km/h. Rekordsieger beim Puszta-Grand Prix ist Lewis Hamilton mit acht Triumphfahrten gefolgt von Michael Schumacher (vier). Max Verstappen war in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich. Spätere Legenden wie Damon Hill, Jenson Button und Fernando Alonso feierten auf dem Hungaroring ihren jeweils ersten Grand Prix-Sieg. 2021 sorgte der Franzose Esteban Ocon im Alpine mit seinem F1-Premierensieg in der Puszta für die große Überraschung. Dass ein aktueller Fahrer am Sonntag beim Großen Preis von Ungarn seinen F1-Premierensieg feiert, wäre eine weitere große Überraschung, ist aber eher unwahrscheinlich.