Die CDU/CSU will prüfen, ob sie in einer möglichen Regierung aus dem Atomausstieg wieder aussteigen kann. Die Hoffnung liegt auf Mini-Reaktoren. Deren Wirtschaftlichkeit ist noch nicht erwiesen, das Problem des Atommülls bleibt bestehen.
Mit einem Ausstieg aus dem Atomausstieg will die CDU/CSU in den kommenden Wahlkampf zum Bundestag einsteigen. Die Partei, die nach dem Umweltdesaster von Fukushima die Atomkraft in Deutschland stoppte, will sie nun wieder einführen.
Die letzten Atomkraftwerke sind vom Netz: 2021 gingen in Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf die Lichter aus, 2023 in den Kraftwerken Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Die Meiler stehen noch. Die Christdemokraten wollen nun prüfen, ob es technisch und finanziell vertretbar ist, sie wieder anzufahren und gegebenenfalls neue zu bauen. Und nicht nur das. In dem Papier „Neue Energie-Agenda“ legt die Partei dar, dass sie zusätzliche neue Atomtechnologien fördern will. So heißt es dort: „Wir befürworten zudem Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten und fünften Generation sowie von SMR (Small Modular Reactors) und beteiligen uns hierzu an europäischen Partnerschaften und internationalen Initiativen.“
Politisch ist der Atomausstieg der Regierung Angela Merkel aus dem Jahr 2011 derzeit nicht umstritten. Eigentlich. Keine demokratische Partei außer der CDU/CSU beschäftigt sich mit der Wiederaufnahme der Atomkraft. Auch die FDP-Bundespartei lehnte auf ihrem Parteitag im April 2024 einen Antrag mehrerer Landesverbände zum Wiedereinstieg in die Atomkraft ab, wenn auch mit knapper Mehrheit. Der Bau eines neuen Kraftwerks dauere Jahrzehnte, Atomkraft sei nicht die kostengünstigste Lösung, hieß es.
Energieverband skeptisch
Selbst Kraftwerksbetreiber glauben nicht mehr an diese Technologie zur Energiegewinnung. Die Kosten für den Bau neuer Atomkraftwerke explodieren, die Bauzeiten verzögern sich. Das AKW Hinkley Point in England, gebaut vom französischen Konzern EDF, verzögert sich in der Fertigstellung seit Jahren. Baubeginn war 2016 mit geschätzten Kosten von 21 Milliarden Euro, heute wären es 50 Milliarden Euro. Der erste Meiler soll 2031 ans Netz gehen.
Das autoritär geführte China drückt im Gegensatz dazu aufs Gaspedal und investiert 450 Milliarden US-Dollar, baut die Reaktoren innerhalb weniger Jahre. 150 Meiler sollen in den kommenden 35 Jahren ans Netz gehen, um den immensen Energiehunger des Landes zu befriedigen.
Die Chefin des Bundesverbandes der Energiewirtschaft, Kerstin Andreae, bezeichnete Atomkraft als „sehr kostenintensiv“, im Gegensatz zu den Erneuerbaren wie Solar- und Windenergie, auf die immer mehr Akteure der Energiewirtschaft setzen. Dafür hat der mögliche Kanzlerkandidat der Christdemokraten jedoch wenig Sympathie übrig. In der Sendung „Maybrit Illner“ bezeichnet CDU-Chef Friedrich Merz Windräder als „hässlich“, sie gehörten nicht in die Landschaft und seien nur eine „Übergangstechnologie“ bis zur Fusionstechnologie. Diese aber steckt seit Jahrzehnten in den Kinderschuhen, die Forschung an der Technologie selbst und an adäquaten Materialien für den Reaktorbau gilt als sehr kostenintensiv.
Im Falle eines Wahlsiegs will Friedrich Merz bei der Atomkraft nun eine engere Zusammenarbeit mit Frankreich und anderen Nachbarländern anstreben. Man könne auch über eine deutsche Beteiligung an französischen Unternehmen reden, die dabei seien, modernste kleine, modulare Atomkraftwerke zu bauen, sagte Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union in Halle in Sachsen-Anhalt.
Kleine Atomreaktoren, die SMRs, könnten als Alternative für große Kraftwerksblöcke dienen. So sehen es zumindest einige US-Tech-Konzerne wie Google und Amazon, die bereits heute Hunderte von Millionen in Mini-Atomreaktoren stecken. Künstliche Intelligenz entwickelt sich zu einem wahren Stromfresser, sodass schnelle Lösungen hermüssen. Ob diese Reaktoren jedoch wirtschaftlich sind, ist derzeit fraglich. Der französische Energiekonzern EDF hat ein SMR-Projekt verworfen, die Gestehungskosten, also die Kosten für Errichtung und Betrieb im Verhältnis zum erzeugten Strom in der gesamten Lebensdauer, waren zu hoch. Industrieallianzen auf europäischer Ebene sollen nun die Fertigung der Reaktoren in industriellem Maßstab innerhalb der EU beschleunigen. Das senkt immerhin die Fertigungskosten.
CDU will „Kostenwende“
Wer auf Atomkraft setzt, sollte sich jedoch auch um die Endlagerung sorgen. Ein Thema, das aufgrund der Schlagzeilen über kontaminiertes Wasser im ältesten deutschen Atommülllager Asse an Brisanz gewinnt. In Deutschland ist die Suche nach einem entsprechenden Ort noch immer nicht abgeschlossen. Die entsprechende Bundesgesellschaft (BGE), die sich darum kümmert, schränkt auf ihrer Suche nach und nach die dafür angemessenen Flächen ein. Derzeit kämen nur noch etwa 44 Prozent der Flächen in Deutschland für ein Endlager infrage, heißt es seitens der BGE. Aus 60 Jahren Atomkraft sind in der Republik 27.000 Kubikmeter hochradioaktiver Atommüll übriggeblieben, der über Hunderttausende von Jahren strahlen wird. Hinzu kommt radioaktiver Müll aus Atomkraftwerken, die abgebaut werden. Dieser wird aktuell in 16 oberirdischen Standorten in ganz Deutschland zwischengelagert. Wann die Suche nach einem endgültigen und sicheren Endlager abgeschlossen sein wird, ist unklar.
Der CDU aber geht es in ihrem Papier vor allem um Energiesicherheit und eine „Kostenwende“. In der „Agenda“, die die CDU-Abgeordneten Andreas Jung und Jens Spahn verantworten, heißt es: „Ohne eine Kostenwende hin zu mehr Effizienz scheitert die Energiewende. Die Engstirnigkeit und Regelungswut der Ampel-Koalition, die beispielhaft beim Heizungsgesetz sichtbar wurde, findet keine Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung.“ Aus dem Papier spricht bereits der beginnende Wahlkampf, gelegentlich erinnert es an den verrohten Diskurs über das Gebäudeenergiegesetz.
Inhaltlich soll der weitere Anstieg der Strompreise laut CDU verhindert werden. Von einem Klimabonus ist die Rede, im Grunde das angedachte und nie umgesetzte Klimageld der Ampel. CO2-Bepreisung soll als Kernstück dabei helfen, die Stromsteuer zu senken. Synergien eines „integrierten Energiesystems“ sollten besser genutzt werden, als dies die Ampel mit dem „einseitigen Fokus“ auf Wind- und Solarstrom getan habe. Das Ziel, bis 2045 emissionsfrei zu sein, wird jedoch nicht infrage gestellt. Ob die Atomkraft mit ihren immensen Ewigkeitslasten dabei mithelfen kann, bleibt jedoch fraglich.