Das Ende des Verbrenners könnte verschoben werden: Die EU will noch in diesem Jahr das Enddatum 2035 für neue Verbrennerzulassungen überprüfen. Denn die deutsche Automobilbranche ist strikt dagegen – es koste zu viele Arbeitsplätze.
Schlappe 1,6 Milliarden US-Dollar kostet den US-Autokonzern GM die Kehrtwende des US-Präsidenten – weg mit der Elektroförderung, zurück zum Verbrenner. Eine Entscheidung, die die deutsche Autobranche nur in Teilen begrüßen würde. Die verbindliche Festlegung der EU auf ein Ende der Neuzulassung von Verbrennerfahrzeugen, etwas verkürzt „Verbrenner-Aus“ genannt, auf das Jahr 2035 sehen viele dennoch als verfrüht an. 2040, 2050 sind Zahlen, die in der Branche wie auch bei Zulieferern kursieren. In einem gemeinsamen Papier haben noch im September der deutsche Automobilverband VDA und die Gewerkschaft IG Metall eine Abkehr vom geplanten 100-prozentigen Verbot von Verbrenner-Neuzulassungen in der EU ab 2035 angemahnt.
Trotzdem beeilen sich viele Kritiker, im gleichen Atemzug zu sagen, man wolle an einer zukünftigen Elektromobilität nicht rütteln. Nur soll sie eben lieber übermorgen statt morgen stattfinden, um die Veränderungsprozesse in der Automobilwirtschaft strecken und damit abfedern zu können. VDA und Gewerkschaft weisen auf die „Herausforderungen durch den zunehmenden internationalen Wettbewerb, hohe Kosten am Standort Deutschland, Zoll- und Handelskonflikte sowie ein immer noch schwächelndes europäisches Marktumfeld“ als Ursachen hin. In China müssten deutsche Hersteller um Marktanteile kämpfen, die USA würden ihre Handels- und Industrieinteressen entschieden durchsetzen, und der europäische Markt komme weiterhin nicht an die Absatzzahlen von 2019 heran. „In der Folge sind deutsche Werke nicht ausgelastet. Aktuell gehen jeden Monat in Deutschland Arbeitsplätze in der Automobilindustrie verloren, von Juni 2024 bis Juni 2025 waren es über 50.000.“
Die deutsche Transformation stockt. Das liegt nicht zuletzt an der fehlenden Nachfrage. 3,3 Prozent des deutschen Fahrzeugbestandes werden laut ADAC batterieelektrisch angetrieben. Doch auch ohne Förderung von Elektrofahrzeugen für geringe und mittlere Einkommen, wie nun von der Koalition in Berlin beschlossen, tut sich etwas. Bis Mitte des Jahres wurden in Deutschland laut den Zahlen des Verbandes Internationaler Kraftfahrzeughersteller 297.000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen. Der Anteil von Elektroautos an den Neuzulassungen steigt kontinuierlich. Da nun auch verstärkt deutsche Hersteller kleinere, erschwinglichere E-Autos anbieten und diese zudem von der Bundesregierung gefördert werden könnten, wird sich der Anteil weiter erhöhen. Das aber reiche nicht, sagt der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK).
Auf der Haben-Seite sieht ZDK-Präsident Thomas Peckruhn Bewegung in einer Debatte um sozial ausgewogene Förderungen der Elektromobilität. Positiv bewertet der ZDK, dass sich die geplante Kaufprämie auf Fahrzeuge mit einem Nettolistenpreis unter 45.000 Euro beschränken soll. „Gerade in diesem Segment besteht das größte Potenzial, neue Käuferschichten zu erreichen und die Elektromobilität in die Breite zu tragen“, so Peckruhn. Auch die geplante Berücksichtigung von Gebrauchtwagen und die Förderung von Batteriechecks stoßen auf Zustimmung. Das von der SPD ins Spiel gebrachte „Social Leasing“ aber sei nicht zu Ende gedacht. „Viele der angedachten Zielgruppen werden nicht in der Lage sein, ein junges gebrauchtes Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrags zu übernehmen. Wir bezweifeln, dass das Programm eine nachhaltige Wirkung entfalten wird.“
Die Idee sieht vor, dass Haushalte mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ein neues Elektroauto für etwa 100 Euro im Monat leasen können. Der Staat würde den Löwenanteil der Kosten subventionieren. Finanziert werden soll dieses Programm aus Mitteln des Europäischen Klimasozialfonds (KSF), der zur Abfederung von CO₂-Preissteigerungen gedacht ist, sowie ergänzend aus deutschen Fördermitteln. Geplant sind bis zu 500 Millionen Euro jährlich, was bei einer Förderung von rund 10.000 Euro pro Fahrzeug etwa 300.000 Leasingverträge ermöglichen könnte.
Druck auf Brüssel wächst
Das Modell richtet sich an Personen oder Familien mit geringem Einkommen – laut SPD könnten Haushalte mit bis zu 45.000 Euro Jahreseinkommen anspruchsberechtigt sein. Vorbild ist Frankreich, wo ein vergleichbares Sozialleasing bereits Anfang 2024 eingeführt wurde. Dort konnten Menschen mit weniger als 15.400 Euro Jahreseinkommen kleine Elektroautos zu Leasingraten ab 100 Euro pro Monat nutzen. Das Programm wurde so stark nachgefragt, dass es zeitweise gestoppt und überarbeitet wurde.
Dies könnte die Binnennachfrage ankurbeln. Doch laut VDA und IG Metall sind weitere Maßnahmen erforderlich. Konkret geht es unter anderem um einen stärkeren bedarfsgerechten Ausbau der Ladeinfrastruktur in Europa für Autos und Nutzfahrzeuge, zugleich mit dem Netzausbau, um bessere Wettbewerbsbedingungen auf dem Strommarkt, um die Ladepreise zu senken, oder um die Schaffung einer Batteriewertschöpfungskette, um die Abhängigkeiten von Asien, allen voran China, zu senken. Und auch hier stellt man fest: „Die Elektromobilität bleibt der zentrale und richtige Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung der deutschen Automobilindustrie und ihrer Standorte in der Zukunft zu sichern.“
In Brüssel entscheidet sich, wie das bislang strikte Datum 2035 gehandhabt wird. Autobauern drohen bei Nichteinhaltung empfindliche Strafen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen signalisierte bereits Gesprächsbereitschaft, dies noch in diesem Jahr „überprüfen“ zu wollen. Alternativen liegen auf dem Tisch. Frankreich und Spanien beispielsweise schlugen vor, Fahrzeuge mit hohem europäischem Wertschöpfungsanteil zu belohnen – dies wäre aber zum Nachteil von Unternehmen, deren Lieferketten stark international ausgerichtet sind, so der VDA. Eine Bevorzugung von Plug-in-Hybriden lehnen beide Länder ab, da Studien der EU-Kommission bereits hinlänglich bewiesen hätten, dass diese 3,5-mal mehr CO2 ausstießen als bei Zulassungstests gemessen. Darüber hinaus wollen beide Länder am geplanten Ausstiegsdatum für neu zuzulassende Verbrenner festhalten. Die Zukunft des Automobils sei elektrisch.
Eine einheitliche Linie der Bundesregierung ist auch nach Koalitionsgesprächen nicht zu erkennen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will das Enddatum kippen, Vize Lars Klingbeil (SPD) grundsätzlich daran festhalten. Er mahnte jedoch auch mehr Flexibilität an. Wie diese konkret aussehen soll, ist jedoch noch immer unklar. In einem Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk forderte der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD), die Marke 2035 nicht als „harte Linie“ zu nehmen. Lies sitzt im Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns, an dem das Bundesland Niedersachsen Anteile besitzt. In Brüssel warte man auf einen Vorschlag aus Deutschland, der erhebliches Gewicht besitze, so Lies. Solange sich die Koalition jedoch uneins ist, kann dieses Gewicht in Brüssel nicht für Veränderungen sorgen. Dazu müsste die Regierung nun Gas geben – CO2-frei.