Der Verein der Kammermusikfreunde Saar-Pfalz lädt vom 27. September bis zum 3. Oktober zu den Internationalen Kammermusiktagen Homburg.
Der Satz klingt banal, ist es aber allenfalls vor dem Nachdenken: „Der Spaß eines solchen Festivals ist, dass man Dingen begegnet, denen man nicht begegnet, wenn man nicht hingeht“, sagt Tim Vogler. Das Festival, das der Frankfurter Musikprofessor meint, sind die Internationalen Kammermusiktage Homburg. Klar, man kann sich zuhause aufs Sofa setzen und zum Beispiel Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ auf CD, Vinyl, mit dem MP3-Player oder einer anderen Technik anhören. Aber, findet Tim Vogler, das ersetzt nicht das Erlebnis, Musikerinnen und Musiker live spielen zu hören und ihnen dabei zuzusehen. „Kein Konzert ist gleich, jedes ist etwas Besonderes“, verspricht der 57-Jährige.
Seit 38 Jahren spielen er und seine Kollegen im Vogler Quartett. Seit 20 Jahren kuratiert das Quartett die Internationalen Kammermusiktage Homburg. Zurzeit hat Tim Vogler innerhalb des Ensembles die Federführung für diese Konzertreihe. Immer schon sei es darum gegangen, sowohl renommierte und erfahrene Künstler als auch junge Talente ins Programm zu nehmen. Dass er und seine Kollegen Frank Reinecke, Stefan Fehlandt und Stephan Forck Professoren an Musikhochschulen sind, habe dabei einen für diese Reihe unschätzbaren Vorteil: „Wir haben einen Überblick, wer gut ist. Und es ist eine gute Sache, dass wir diese jungen Leute dann auch einladen können“, erklärt Tim Vogler. Der Verein, der die Veranstaltungsreihe ermöglicht, die Kammermusikfreunde Saar-Pfalz, vertraut auf die Expertise des Vogler Quartetts. Das wisse man sehr zu schätzen.
Populäres und Überraschungen
„Die künstlerische Bandbreite ist groß. Und junge Leute brauchen eine Chance, auf solchen renommierten Veranstaltungsreigen Erfahrung sammeln zu können“, sagt Vogler. Es geht bei den Kammermusiktagen im Homburger Saalbau aber nicht nur um die Mischung von Musikern aus unterschiedlichen Generationen. Wichtig ist den Kuratoren auch die gute Kombination aus populären Kompositionen und Überraschungen. So werden in diesem Jahr bekannte Werke wie eben Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ gespielt, aber es gibt „auch Platz für neue Musik und Raritäten“, kündigt Vogler an. Zu letzteren gehört für ihn Max Reger – „ein großer, humorvoller, vielseitiger Komponist, der viel zu wenig gehört wird“.
Etwas Ungewöhnliches selbst für Menschen, die sich schon länger mit Kammermusik beschäftigen, werde das Liv Quartett aus Frankfurt sein, versichert Vogler. Es handelt sich dabei um vier Klarinettistinnen, die zum Teil noch studieren und Stücke für ihr Instrument arrangieren, die eigentlich für Streichquartette gedacht sind. Wie faszinierend das ist, habe selbst ihn als Violinisten überrascht. „Man kennt ja inzwischen Saxofon-Quartette, aber Klarinetten bisher eher noch nicht“, sagt Vogler. Sein Kollege Stefan Fehlandt bescheinigt den jungen Musikerinnen, „sich mit viel Mut, Leidenschaft und großem Erfolg einer enormen Bandbreite musikalischer Stile zwischen Originalkompositionen und Bearbeitungen“ zu widmen.
So etwas sei nicht nur fürs Publikum, sondern auch für die Künstlerinnen und Künstler „ein Abenteuer“, sagt Vogler und erklärt: „Das hat hier Werkstattcharakter. Das gemeinsame Proben, das Miteinander – da entsteht etwas.“ Dazu passt das diesjährige Motto: „Face à Face“ – also von Angesicht zu Angesicht. Das ist „übrigens auch der Titel des Werkes von Bruno Mantovani im Eröffnungskonzert“, kündigt Fehlandt an. Darin geht der Komponist „auf diese vielfältigen Beziehungen ein, auf musikalischer und auf menschlicher Ebene“, erklärt er. „Sich gegenüberstehen, kommunizieren und interagieren, Perspektiven, Spiegel, spiegelnd – das sind Kategorien, die mir in den Sinn kommen. Und alle diese Begriffe sind in mehrfacher Hinsicht relevant, unter uns Musikern einerseits und im Kontakt mit dem Publikum, dem Ort und der Gesellschaft andererseits“, sagt er.
„Face à Face“ von Mantovani wird im Eröffnungskonzert am Mittwoch, 27. Oktober, ebenso wie Stücke von Jean Françaix vom Liv Quartett interpretiert. Eingebettet ist der Auftritt der jungen Musikerinnen in diesem ersten Konzert zwischen zwei Stücken, die das Vogler Quartett selbst zu Gehör bringt: Das Streichquartett op. 64 Nr. 6 Es-Dur von Joseph Haydn und Schuberts „Der Tod und das Mädchen“.
„Von Angesicht zu Angesicht“
Wobei Tim Vogler, Kollegen Frank Reineck, Stefan Fehlandt und Stephan Forck nicht Schuberts Kunstlied, geschrieben für Singstimme mit Klavierbegleitung, auf dem Programm haben, sondern das von ihm 1824 komponierte Streichquartett Nr. 14 d-Moll, op. D-810. Dieses Streichquartett ist ebenfalls unter dem Titel „Der Tod und das Mädchen“ in die Musikliteratur eingegangen, weil Schubert darin die Einleitung seines sieben Jahre zuvor komponierten Kunstlieds variiert.
Zu den Ensembles, die frischen Wind in die Kammermusiktage bringen, gehört auch „Kyklos Chambers“. Das Quartett ist ein Ergebnis des Corona-Lockdowns 2020. Orchester konnten phasenweise nicht mehr proben, Musikerinnen und Musiker konnten wie so viele Menschen ihren Beruf nicht ausüben. Shoko Maurakami (Violine), Till Breitkreutz (Viola), Lia Chen-Perlov (Violoncello) und Sophia Weidemann (Klavier) haben sich in dieser Zeit zusammengetan. „unbändige Spielfreude, interpretatorischer Tiefsinn und ein enthusiastischer Entdeckergeist für das Außergewöhnliche“ habe sie in der Krise zusammengebracht. Der Namen, den sich das Quartett gewählt hat, Kyklos aus dem Griechischen für Kreis und Umrahmung und Chambers aus dem Englischen für Kammern, steht „für die kammer-musikalische Flexibilität der Besetzung zwischen Streichtrio und Klavierquartett“, erklärt das Ensemble. Der Name weise aber auch auf den „ausgesprochen intensiven kammermusikalischen Geist“ hin, der Musikerinnen und Musiker verbindet.
„Ja“, sagt Tim Vogler, es gebe durchaus Berührungsängste, wenn von „Kammermusik“ die Rede ist. Aber das Homburger Publikum sei „über die Jahre reingewachsen“. Darüber hinaus freue man sich natürlich, wenn zu den treuen Gästen auch neue hinzukommen. Denn dann sei das gelungen, was dieses Festival auch ausmacht: Menschen neugierig zu machen. Sie im wahrsten Sinne des Wortes hinter dem Ofen hervorzulocken. „Denn in Pandemiezeiten haben wir ja gelernt, dass man sich auch zu Hause gut unterhalten kann“, weiß der Professor. Nun sei es Zeit, wieder runter vom Sofa und rein in eine einzigartige Musikwelt zu kommen.