Das Rentenniveau bleibt, das Eintrittsalter auch, so der Koalitionsvertrag. Neue Beitragszahler könnten das Einnahmeproblem der gesetzlichen Rente lösen. Woher diese kommen sollen, ist indes umstritten.

Mit schöner Regelmäßigkeit erhebt sich die Rente aus der Mottenkiste politischer Debatte, so auch zum Start der neuen Bundesregierung. Entstaubt hat sie diesmal die neue Arbeitsministerin, Bärbel Bas (SPD). Ihrer Meinung nach sollten künftig Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um sie zu entlasten.
Die Diskussion um die Zukunftssicherheit der deutschen Rente steht und fällt mit ihren Beitragszahlern. Aus rein demografischen Gründen ergibt sich dort zwangsläufig eine Unwucht: Zu wenige Beitragszahler zahlen künftig für zu viele Empfänger, weil die geburtenstarken Jahrgänge der 60er- und 70er-Jahre langsam in Rente gehen. Die nachfolgenden Generationen, die für die Beiträge aufkommen, zählen seither bei Weitem weniger Köpfe. Sie müssen nicht nur die in Rente gehenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stützen. Ihre eigene Vorsorgeleistung in der gesetzlichen Rentenkasse sinkt aufgrund der geringeren Zahl an nachrückenden Einzahlenden ebenfalls. Laut Statistik des Demografieportals des Bundes kommen nur noch etwas mehr als zwei Beitragszahler auf einen Rentner.
Rente für Beamte und Selbstständige
Um die Renten stabil zu halten, gibt es eine Vielzahl an Zahnrädern, an denen eine deutsche Regierung drehen könnte. Zum Beispiel die Zahl der sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen und damit Beitragszahlenden erhöhen. Ein anderes könnte sein, neue Gruppen als Beitragszahler miteinzubeziehen. Diese Idee ist keine, die die neue Arbeitsministerin alleine entwickelte. Schon in Gutachten der Sachverständigenkommission der Bundesregierung, den „fünf Wirtschaftsweisen“, aus dem Jahr 2023 finden sich Hinweise darauf.
Demnach sollte eine Reform laut Prof. Dr. Martin Werding von der Ruhruniversität Bochum mehrere Maßnahmen kombinieren, um vier Ziele zu erreichen: den Haushalt der gesetzlichen Rente stabilisieren, die Folgen der demografischen Alterung gezielt angehen, die finanziellen Lasten gerechter verteilen und soziale Härten vermeiden. Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler drehen in ihrer Empfehlung nun an drei Zahnrädern: erstens am Renteneintrittsalter, welches sie an die Lebenserwartung koppeln wollen, die in Deutschland ständig steigt. Zweitens könnte sich die Leistungsbemessung ändern, die jetzt proportional zum Einkommen liegt – je mehr man einzahlt, desto mehr bekommt man heraus. Eine progressivere Bemessung würde die Rentenleistung für Geringverdiener erhöhen und für Gutverdiener mindern. Drittens, und dies ist der Punkt von Bärbel Bas, geht es um das Einbeziehen von Selbstständigen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung.
Bezöge man Beamte in die gesetzliche Rente ein, ergäben sich jedoch mehrere Probleme. Zum einen werden die Beamtenpensionen durch den Staat direkt gezahlt, also durch Steuergelder. Auch die gesetzliche Rente erhält staatliche Zuschüsse, speist sich jedoch auch durch den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil. Bleiben diese Prinzipien gleich, würde sich die Zahllast für Kommunen, Länder und Bund deutlich erhöhen, weil sie gleichzeitig den Arbeitgeberanteil zahlen und den Arbeitnehmeranteil über einen höheren Bruttolohn auffangen müssten.
Zum anderen löst dies das Finanzierungsproblem der Rente nicht langfristig. Zwar würde sich, wenn Beamte mit einzahlen, dadurch die Zahl der Beitragszahler erhöhen, der Druck auf den Haushalt also kurzfristig verringern. Doch würden diese Effekte verschwinden, wenn die verbeamteten Beitragszahler in Rente gehen. Langfristig würden sich die Finanzierungsprobleme sogar noch verschärfen, da die Lebenserwartung von Beamten statistisch gesehen überdurchschnittlich hoch ist. Darüber hinaus würden die Haushalte der Länder und Kommunen während des Übergangs unter großen Druck geraten. Eine solche Reform könne jedoch nach Meinung der Wirtschaftsweisen kostenneutral durchgeführt werden, wenn die Beiträge neuer Beamter für die Finanzierung der Altersversorgung früherer Beamter zur Verfügung gestellt werden könnten. Eine solche Reform würde sicherstellen, dass alle Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung einheitlich auch auf die Beamten übertragen werden. Ein weiteres Potenzial zur Senkung der Ausgaben für die Beamtenversorgung läge in einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung und darin, dass die öffentliche Hand weniger ihrer Arbeitskräfte zu Beamten ernennt. Eine solche Schlechterstellung des Beamtenjobs aber würde mitunter dazu führen, dass sich künftig weniger Interessenten für eine solche Laufbahn fänden.
Österreichisches Rentenmodell
Kaum verwunderlich, dass die Interessenvertretungen der Beamtinnen und Beamten daher klar gegen einen Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse sind. Eine Systemumstellung sei „insgesamt mit enormen Kosten verbunden. Woher das Geld dafür gerade jetzt kommen soll, sagt Frau Bas nicht“, so Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. Die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, lobte jedoch den Vorstoß der Arbeitsministerin. Potenzial in Bas’ Vorschlag liegt jedoch darin, Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung zu bringen. Eine private oder freiwillige gesetzliche Versicherung ist für sie in der Regel optional. Ausnahmen gibt es beispielsweise bei freischaffenden Künstlern und Journalisten, die über die Künstlersozialkasse als Teil der gesetzlichen Rente verpflichtend Altersvorsorge betreiben. Selbstständige und Freiberufler sind einem erhöhten Risiko der Altersarmut ausgesetzt, eine Pflichtrente würde dieses Risiko auch im Sinne der Sozialkassen verringern. An dieser Stelle könnte Bärbel Bas offene Türen einrennen, während eine Umstellung für Beamte deutlich komplexer und kostenintensiver wäre.
Dennoch wurde dies schon einmal versucht: in Österreich, mit Erfolg. Dort zahlen alle, auch Beamte, mittlerweile in eine Rentenkasse ein. Die durchschnittliche Bruttorente in Österreich lag 2022 bei 1.646 Euro, rund 47 Prozent höher als in Deutschland (1.120 Euro). Der höhere Rentenbeitragssatz liegt seit 1988 konstant bei 22,8 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es derzeit 18,6 Prozent.

Dennoch gibt es deutliche Unterschiede und Voraussetzungen. So zahlt der österreichische Staat im Verhältnis mehr an Zuschüssen in die Rentenkasse ein als der deutsche. Mehr als 30 Prozent der Steuereinnahmen fließen in die österreichische Rente, in Deutschland zwischen 22 und 24 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig gibt es seit Jahren immer weniger Beamte und mit 3,2 Beitragszahlern pro Rentner eine bessere Quote als in Deutschland. Außerdem ist eine Rentenerhöhung nicht an die Löhne, sondern die Inflation gekoppelt, fällt also gemeinhin niedriger aus. Und wer in Österreich Rente erhalten will, muss mindestens 15 Jahre eingezahlt haben, in Deutschland reichen fünf.
Das Prinzip „eine Kasse für alle“ könnte insgesamt zwar gesellschaftlich als gerechter empfunden werden. Die Umstellung der Rente in Österreich war jedoch langwierig und kostenintensiv. Die neue Bundesregierung hat eine grundlegende Reform der Rente zunächst auf die lange Bank geschoben, das Rentenniveau soll bei 48 Prozent und das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren bleiben. Eine Rentenkommission soll sich zunächst mit Reformvorschlägen befassen, so steht es im Koalitionspapier von Schwarz-Rot.
Mit einer Pflichtversicherung für Selbstständige und Freiberufler wäre jedoch allen Seiten, dem Staat wie den Beitragszahlenden, Selbstständigen und Rentnern, in einem ersten Reformschritt geholfen.