Jahrhundert-Handballer Joachim Deckarm wurde zu seinem 70. Geburtstag in und von seiner Heimatstadt Saarbrücken gewürdigt. Das rauschende Fest zeigte einmal mehr den großen Zusammenhalt der Handball-Familie.
Es war der erste Gänsehaut-Moment des Abends, als Joachim Deckarm im Rollstuhl von seinem Freund Heiner Brand in die Halle geschoben wurde. In die Halle, die Joachims Deckarms Namen trägt. Fast 2.000 Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen und zollten dem einst besten Handballer der Welt mit lang anhaltendem Applaus ihren Respekt.
Am 25. Januar, nur sechs Tage nach seinem 70. Geburtstag, wurde zu Ehren des einst besten Handballers der Welt ein berührendes Geburtstagsfest veranstaltet. Der Handballverband Saar hatte das Event auf die Beine gestellt, sein Ehrenpräsident Hans Joachim Müller und Christian Schwarzer, Weltmeister von 2007 und Jugendkoordinator beim HV Saar, haben es federführend organisiert. Fast zwei Jahre lang hatten sie das Event zusammen mit weiteren Verantwortlichen wie HV Saar-Präsident Christoph Rehlinger und mit den Vereinen ATSV und TVA Saarbrücken minutiös vorbereitet. Schon morgens ging es mit Minihandball und einem Sportparcours los, es folgten eine Handball-Demonstration zwischen Handballspielern mit und ohne Handicap sowie zwei Duelle saarländischer Landesauswahlen gegen Auswahl-Teams aus Lothringen. Im Zentrum stand allerdings das Spiel der mit zahlreichen Ex-Nationalspielern bestückten Handball-Allstars gegen die aus aktiven Zweit- und Drittligaspielern und Ex-Bundesligaspielern des TV Niederwürzbach zusammengesetzten Saarland-Allstars.
Fast zwei Jahre Planungszeit
„Sein Mannschaftsgeist und seine Fairness prägten seine sportliche Karriere, während er trotz eines schweren Schicksalsschlages Lebensmut und Humor bewahrte“, sagte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, als sie Joachim Deckarm zusammen mit dem saarländischen Sportminister Reinhold Jost in der Halbzeit des Abendspiels den Saarländischen Verdienstorden verlieh. „Joachim Deckarm ist nicht nur ein Vorbild im Sport, sondern auch für zahlreiche Menschen. Das Saarland ehrt ihn heute zu Recht mit diesem Festival und der Verleihung des Saarländischen Verdienstordens als fantastischen Sportler und großartigen Menschen“, ergänzte Rehlinger. Deckarm, der auch schon in die Hall of Fame des Deutschen Sports aufgenommen wurde, hatte sich tags zuvor in das Goldene Buch der Stadt Saarbrücken eingetragen. Auch Oberbürgermeister Uwe Conradt würdigte den Handballer daraufhin mit einer bewegenden Laudatio.
Deckarms Karriere war gespickt mit zahlreichen Erfolgen, er war mit dem VfL Gummersbach Deutscher Meister, Pokal- und Europapokalsieger, holte mit der Nationalmannschaft (104 Spiele, 391 Tore) 1978 den WM-Titel. Mit gerade einmal 24 Jahren wurde er schon zum weltbesten Handballer gekürt. Nach dem folgenschweren Zusammenprall mit dem Ungarn Lajos Panovics im Rahmen eines Europapokalspiels am 30. März 1979 und dem schweren Schädel-Hirn-Trauma kämpfte er sich zurück ins Leben, womit er viele bis heute beeindruckt. Auch deshalb sind zahlreiche Wegbegleiter dem Ruf nach Saarbrücken gefolgt und erwiesen der lebenden Legende ihre Ehre: Allen voran Panovic, inzwischen ein guter Freund Deckarms und der Präsident des Deutschen Handball Bunds, Andreas Michelmann. Er war während der Heim-EM am Tag vor dem Halbfinale Deutschlands gegen Dänemark (26:29) angereist, um die deutsche Handball-Familie zu repräsentieren.
Zu dieser gehören selbstverständlich auch die zahlreichen namhaften Ex-Profis der von Heiner Brand und Michael Biegler betreuten Handball-Allstars um Henning Fritz, Christian Ramota, Klaus-Dieter Petersen und Christian Schwarzer. Auch Stefan Kuntz, Fußball-Europameister von 1996, hatte sich dem von Schwarzer zusammengetrommelten Starensemble angeschlossen und steuerte sogar ein Siebenmetertor gegen Saar-Torwart Darius Jonczyk (HG Saarlouis) bei. Nach einem kläglichen Versuch per Hand allerdings erst im „Nachfassen“ mit seinem starken linken Fuß. Auf der anderen Seite scheiterte die aktuelle Nationalspielerin Amelie Berger (HSG Bensheim/Auerbach) am Gebälk des von Henning Fritz gehüteten Tores. Auch die exklusive Saarland-Auswahl mit den früheren Niederwürzbachern Matthias Schmitt, Jürgen Hartz, Marek Kordowiecki und die Brüder Jens und Peter Sieberger mit Ex-TVN-Trainer Jörn-Uwe Lommel war topbesetzt. Ebenfalls für die Saarland-Allstars liefen die aktuell in Diensten von Zweitligisten stehenden Marc Robin Eisel, Kian Schwarzer, Tim Schaller (alle Eulen Ludwigshafen), Johanna Brennauer (ESV 1927 Regensburg) und Lea Schuhknecht (TG Nürtingen) sowie die ehemaligen Bundesligaprofis Daniel Fontaine (Karriere beendet), Yves Kunkel (TV Homburg) und Lars Weissgerber (HG Saarlouis) auf. Zwar zeigten die jüngeren „Gastgeber“ viel Einsatzbereitschaft und Lauffreudigkeit, doch am Ende behielten die erfahrenen Handball-Allstars mit 33:29 Toren die Oberhand. Da half es auch nichts, dass sich das Schiedsrichter-Duo Aleksandra Jelicic und Anna Teich gegen Ende mit den Lokalmatadoren solidarisierten, in dem sie ihre Trikots überstreiften und sogar ein Tor für sie erzielten. Doch das Ergebnis war an diesem Abend natürlich zweitrangig, allein die stimmungsvolle Geburtstagsfeier und die Würdigung Joachim Deckarms Lebensleistung standen im Vordergrund. Hierfür waren zahlreiche weitere Handball-Prominente wie der frühere Nationalspieler und -trainer Armin Emrich und Kultfigur und Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar, aber beispielsweise auch Dart-Profi Gabriel „Gaga“ Clemens gekommen. Das SR- Fernsehen konnte für seine Live-Übertragung, die in der ARD-Mediathek abrufbar ist, Kult-Kommentator Florian Nass gewinnen.
„Ich hoffe, Joachim konnte das genießen“
„Ich hoffe, Joachim konnte das alles genießen und dass es ihm nicht zu viel Trubel war“, sagte Heiner Brand nach dem Abpfiff des Allstar-Spiels. Nach einer Feier im familiären Kreis und mit früheren Mannschaftskameraden war Joachim Deckarm auch beim EM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Österreich in Köln zugegen, wo ihm die rund 20.000 Zuschauer ein Geburtstags-Ständchen gesungen hatten. Es folgten die Termine in seinem Geburtstort Saarbrücken. „Die Aufmerksamkeit hat er auf jeden Fall verdient“, betonte Brand. „Wenn der Jo ruft, muss man als Saarländer einfach parat stehen“, sagte Jens Sieberger, der sich über die „geile Veranstaltung“ freute: „Wie die Leute mitgegangen sind, war einfach nur schön. Das ist das Saarland.“ „Die Solidarität der Handball-Familie über so viele Jahrzehnte ist was extrem Besonderes. Darauf können wir stolz sein“, ergänzte Bruder Peter. Fußballtrainer Stefan Kuntz sah hingegen noch „Entwicklungspotenzial“ – allerdings nur mit Blick auf seine Handball-Fähigkeiten: „Es ist Wahnsinn, was hier auf die Beine gestellt wurde. Der Rahmen war Jo Deckarm angemessen. Es war eine Mischung aus offizieller Würdigung und sportivem Rahmen und sehr ergreifend“, befand Kuntz und merkte mit Blick auf die abschließende feucht-fröhliche Feier im VIP-Bereich an: „Aus meiner Fußballer-Zeit kann ich sagen, dass man in der dritten Halbzeit gegen die Handballer keine Chance hat. Die sind meistens länger und da passt mehr rein – aber ich werde versuchen mitzuhalten.“