Der BYD Sealion 7 rollt mit großem und modernem Lithium-Eisenphosphat-Akku und hochwertiger Ausstattung vom Band. Doch beim Verbrauch des neuen Elektro-SUV aus China kommt das böse Erwachen.

Sitze ich wirklich in einem chinesischen Auto? Wenn das Logo auf dem Lenkrad abgeklebt wäre, kämen mir vermutlich ganz schnell eher andere Hersteller in den Sinn. Da ist zum einen der 15,6 Zoll große hochauflösende Riesenbildschirm – wie bei Tesla. Die gemütliche indirekte Beleuchtung in der Türinnenseite – wie bei VW. Der kristallartige Gangwahlhebel, der an BMW erinnert. Und natürlich das üppige Glasdach, das neuerdings jeder Hersteller einbaut, der Premium-Optik verbreiten möchte. All das kombiniert ergibt den BYD Sealion 7, einen Coupé-SUV, mit dem der weltgrößte Elektroautohersteller endlich auch auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte.
Der Innenraum wirkt hochwertig
Der „Seelöwe“ gehört zur maritimen Elektro-Serie des Herstellers, genau wie der Kompaktwagen Dolphin („Delfin“) und die Limousine Seal („Robbe“). Der Kleinwagen Seagull („Möwe“), den es in China für unter 10.000 Euro zu kaufen gibt, hätte vermutlich eher das Zeug zum Verkaufsschlager. Doch dieser soll erst im Laufe des Jahres nach Deutschland kommen. Ein genaues Datum steht bislang noch nicht fest. Fürs Erste schickt BYD also ein bulliges SUV ins Rennen. Das ist einerseits verständlich, weil die Autoklasse so beliebt ist, andererseits aber auch ein bisschen riskant wegen des Überangebots bei der Konkurrenz. Ist der Sealion also nur einer von vielen oder kann er eigene Schwerpunkte setzen? Der Innenraum wirkt auf jeden Fall hochwertig. Während andere Hersteller oft mit Klavierlack und Fingerabdruck-anfälligem Plastik arbeiten, hält sich BYD in diesem Punkt stark zurück. Am Lenkrad gibt es „richtige“ Tasten – selbst bei Mercedes ist das nicht überall der Fall. Je nach Modell muss man sich dort mit Touchfeldern herumschlagen, die nach jeder Berührung verschmiert wirken.
Ein Hauch von Tesla, ein Hauch Porsche

Außen wirkt der Sealion fast ein bisschen beliebig. Ein Hauch von Porsche, ein Fünkchen Tesla – SUV halt. Fun Fact am Rande: Der Designer heißt Wolfgang Egger und ist ein Deutscher. Es dürfte also kein Zufall sein, dass die maritime BYD-Serie nicht besonders „chinesisch“ wirkt. Das Spannende beim Sealion ist aber ohnehin nicht die Optik, sondern das, was unter der Karosserie passiert. Dort sitzt ein LFP-Akku (Lithium-Eisenphosphat-Akku), der entweder mit einer Kapazität von 82,5 Kilowattstunden oder 91,3 Kilowattstunden erhältlich ist. LFP-Akkus kommen ohne den Konfliktrohstoff Kobalt aus, lassen sich schnell laden und sollen bei Unfällen besonders sicher sein. BYD lässt die Bauteile in Versuchen sogar eigens mit einem Nagel durchbohren – konventionelle Akkus drohen bei solchen Szenarien normalerweise in Flammen aufzugehen.
Klock – mit einem leisen Druck fällt die Tür zu, ein Geräusch wie in der Oberklasse. Auch die serienmäßige automatische Kofferraumklappe, ein spezielles Luftreinigungssystem und großzügige Platzverhältnisse im Fond lassen Premium-Stimmung aufkommen. Abschreckend hingegen finde ich die hochauflösende Kamera in der B-Säule, die mich direkt anstarrt. Wobei sie es nicht beim Beobachten belässt: Sobald ich meinen Blick auch nur kurz von der Straße abwende, erscheint eine Meldung: Bitte auf den Verkehr konzentrieren! Sogar das Radio wird in solchen Momenten leise. Und dann funktioniert das System nicht einmal richtig. Sobald ich meine Sonnenbrille aufsetze, häufen sich die Fehlermeldungen.
Mit heruntergeklappter Sonnenblende – und weggepackter Sonnenbrille – geht es auf die Autobahn. Hier bringt mich der Sealion schnell wieder in eine versöhnliche Stimmung. Er liegt sehr ruhig auf der Straße und fährt sich dank zahlreicher Assistenzsysteme nicht wie das 2,4-Tonnen-Gefährt, das er ist. Das liegt auch am Glasdach, das eine gute Rundumsicht bietet und sich bei zu viel Sonne auf Knopfdruck verdunkelt. Auch das Smartphone behält stets einen kühlen „Kopf“, weil die induktive Ladeablage über einen eigenen Luftschlitz gekühlt wird. Dadurch lädt das Gerät auch wirklich voll und schaltet nicht etwa wegen Überhitzung ab, wie es in anderen Autos oft passiert.

Bei anderen Dingen zeigt sich der Sealion weniger innovativ. So sieht man beim Blick in den Rückspiegel wegen des kleinen Fensters mehr Kopfstütze als Straße. Auch die Rekuperation lässt sich kaum spüren. Darunter versteht man die Energierückgewinnung, die beim Bremsen entsteht. Viele Elektroautos bieten diese Funktion; bei manchen braucht man kaum noch zu bremsen, weil sie stark rekuperieren, sobald man den Fuß vom Strompedal nimmt („One-Pedal-Driving“). Auf dem Papier bietet der Sealion zwar ebenfalls diese Funktion, doch auf der Straße spürt man sie kaum. Der SUV rollt also (fast) ganz normal aus, als wäre er ein Verbrenner.
Maue Reichweite auf der Autobahn
Das Infotainment-System dagegen gehört zu den besten, die es aktuell auf dem Markt gibt. Das fängt schon beim Head-up-Display an – inbegriffen in der teuersten Ausstattungslinie „Excellence AWD“. Normalerweise bin ich kein Fan dieser Miniprojektoren, die Fahrdaten direkt auf die Frontscheibe beamen. Beim Sealion wirkt der Mini-Tacho aber überhaupt nicht aufdringlich. Er sitzt genau an der richtigen Stelle, wirkt gestochen scharf und kommt sogar mit animierten Pfeilen daher, wenn man abbiegen soll. Vorbildlich!
Auch das Navi ist auf der Höhe der Zeit. Trotz des großen Bildschirms beschränkt sich das System auf die wichtigsten Infos, sodass – anders als bei vielen Wettbewerbern – nicht der Name jedes x-beliebigen Dorfs angezeigt wird. Das erleichtert die Übersicht. Darüber hinaus kann man das Hauptdisplay auf Knopfdruck von der Horizontalen in die Vertikale bringen – genau das Richtige für erwachsene Spielkinder oder diejenigen, die ihren Insassen gegenüber angeben möchten. Die Ladeplanung gestaltet sich ebenso vorbildlich: Gibt man ein Ziel ein, das außerhalb der Akku-Reichweite liegt, fügt das Navi automatische Stopps an der Stromtankstelle hinzu. Wobei sich diese Pausen noch weiter eingrenzen lassen: Wie schnell soll die Ladestation sein? Welcher Anbieter wird bevorzugt? Bis wie viel Prozent soll der Akku laden?

An der Ladestation angekommen, zeigt sich der Sealion von seiner schnellen Seite. Die Werbebroschüre verspricht zehn bis 80 Prozent in 24 Minuten – ein Wert, den der flotte Seelöwe tatsächlich erreicht. Damit ist er zwar nicht ganz so schnell wie die Konkurrenz aus Südkorea – und auch noch weit vom fünfminütigen „Blitzladen“ entfernt, das BYD in seine künftigen Modelle einbauen will. Doch selbst 24 Minuten sind eine passable Zeit, die kaum ausreicht, um sich an der Raststätte die Beine zu vertreten, einen Kaffee zu holen und die Toilette aufzusuchen.
So schnell sie lädt, so schnell ist die BYD-Batterie allerdings auch schon wieder leer: Nicht einmal 400 Kilometer schaffe ich auf der Autobahn – trotz moderater Fahrweise. Der Verbrauch liegt mit 27 Kilowattstunden recht hoch, zumal ich alleine im Auto bin und nicht viel Gepäck an Bord habe. Am Schnelllader sind folglich 70 Euro fällig, um den Sealion wieder aufzuladen – ja, das liegt nicht nur am Auto, sondern auch an den teuren Ladetarifen. Trotzdem ist der Sealion auch sonst kein Sparfuchs. Er bewegt sich auf dem Preisniveau eines VW ID.5 und ist sogar etwas teurer als ein Tesla Model Y – womöglich bereits eine Folge der EU-Zölle.
Immerhin wird man als Kunde nicht von zu viel Auswahl erschlagen. So gibt es nur drei verschiedene Ausstattungsvarianten, und selbst bei der einfachsten – ab 49.900 Euro – ist im Grunde alles enthalten, was man braucht. Nur wer größere Felgen, einen Allradantrieb, Ledersitze oder ein Head-up-Display möchte, zahlt drauf.