Sie ist die „Queen of Metal“. Sängerin Doro Pesch feiert ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum, wir reden mit ihr über ihre Anfänge, ihre Sportroutine und erfahren, was sie mit auf eine einsame Insel nehmen würde.

Da steht sie, diese 1,54 Meter große, 59 Jahre junge Rockröhre aus Düsseldorf und hadert mit – nichts. Vielmehr versprüht Doro Pesch pure Lebensfreude. Die Musikerin mit Weltkarriere, deren Markenzeichen die blonde Mähne und ihr – inzwischen veganes – Leder-Outfit sind, feiert 40-jähriges Bühnenjubiläum. Einen Grund zu feiern gibt es indes häufiger: „Seit wir unser 20-jähriges Jubiläum in der Philipshalle in Düsseldorf, heute Mitsubishi Electric Halle, gefeiert haben, bei dem viele Bands wie Motörhead spontan mitgemacht und Fans nach dem nächsten Jubiläums-Event gefragt haben, feiern wir nun alle fünf Jahre“, erzählt die gebürtige Düsseldorferin beim Videocall-Interview und es scheint, als käme ihre Energie durch den Bildschirm.
Doro steht für Heavy Metal und ihre Karriere ist beeindruckend: vom Spaß am Singen und dem frühen Wissen, dass aus ihr einfach eine Musikerin werden müsse, über die Gründung der ersten Band mit 15 oder 16 Jahren, bis hin zum ganz und gar nicht erwarteten Erfolg und einem Leben zwischen Bühne, Tourneen und Festivals im In- und Ausland. Da gibt es die Wochen und Monate im Tourbus, in dem man, wie sie einfließen lässt, nun wirklich nicht schlafen könne, weshalb sie letztendlich seit vier Jahrzehnten mit Schlafmangel lebe. Dazu die viele Zeit im Studio, wo sie ihre Songs einspielt und inzwischen wieder mit Freude auf den alten Medien Vinyl und Kassette aufnimmt – das muss doch Spuren hinterlassen, fragen wir. Wahrscheinlich mehr, als hätte sie ihren „normalen“ Job als Grafikerin behalten. Über den Wechsel sagt sie: „Mein Chef und meine Kollegen haben das zwar erst nicht verstanden, aber als sie auf einem meiner ersten Konzerte waren, fanden sie es toll.“
„Heute körperlich besser drauf“
Nun steht sie ein Jahr vor ihrem nächsten runden Geburtstag, aber von Alterskummer gibt es keine Spur. „Ich bin total happy mit meinen 59 Jahren“, verrät sie. „Ich weiß so viel mehr, habe sehr viel Spaß gehabt und habe ihn immer noch. Nur war ich damals einfach naiver.“ Manches, gesteht sie, mussten sie und ihre Band einfach lernen. Etwa dass die Betonung des Wortes „Musikgeschäft“ auf der zweiten Silbe liege. Es sind Erfahrungen, die dazugehören und die sie durchgemacht hat, um heute entspannt darüber sprechen zu können.

Obwohl der Jugend das Fitsein nachgesagt wird, zieht Doro ein anderes Fazit. „Ich bin heute körperlich viel besser drauf, trotz Schlafmangel“, sagt sie. Das Rauchen hat sie schon vor Jahren aufgegeben. Als es noch gar nicht in Mode war, ist sie zur Vegetarierin geworden, dann zur Veganerin. Außerdem geht sie joggen – in Deutschland im Wald, an ihrem Zweitwohnsitz in Florida, wo es so „muckelig“ warm sei, am Strand – Sport und Gymnastik der besonderen Art. Bei Tiktok und Co. gerade total gehypt, setzt der Rockstar außerdem schon seit Jahren auf Gesichtsyoga. „Die Unterlippe über die Oberlippe ziehen, Wangen mit der Hand nach oben ziehen und so bleiben“, gibt sie gleich eine kleine Anleitung. Dieses Grimassenschneiden, das man eigentlich überall und jederzeit in seinen Alltag integrieren könne, trainiere effektiv und sichtbar straffend die Gesichtsmuskulatur.
Seit Jahren ist sie mit Boxweltmeisterin Regina Halmich befreundet und die beiden teilen die Leidenschaft für den Kampfsport. Doro hat, kein Wunder also, die Einmarsch-Songs für Halmichs größte Kämpfe geschrieben. „Ich habe immer gern Sport gemacht. Ein Box-Fan bin ich schon, seit ich elf bin. Für Kämpfe von Muhammad Ali bin ich zu jeder Tages- und Nachtzeit aufgestanden“, blickt sie zurück. Gern habe sie auch Fußball gespielt, irgendwann jedoch habe dies mit der Musik zeitlich nicht mehr zusammengepasst. Die Liebe zum Spiel aber ist weiter da. Einem Düsseldorfer U17-Mächen-Team hat sie gerade Trikots gesponsert. Nach Jahren als Berufsmusikerin hat Doro den Kampfsport nun auch für sich entdeckt. Eigentlich wollte sie boxen, doch ein Security-Mann erwärmte sie fürs Kung-Fu. „Ein tolles Training, das ich nur weiterempfehlen kann. Es stärkt das Selbstvertrauen, fördert die Disziplin, ist auch ein Aufmerksamkeitstraining“, so die „Queen of Metal“, die ungemein gern lacht und für die die Bühne der einzige Ort ist, an dem sie flache Schuhe trägt. Gibt es bei Tourneen nicht genügend Zeit für Ruhepausen, dann sei das eben so, sieht sie das Ganze pragmatisch. „Es macht mir dann auch nichts aus. Wenn ich das Publikum sehe, ist alles gut. Wunden lecken kann ich vor und nach dem Auftritt“, so die Künstlerin. Ich-Zeit findet Doro trotz ihres weiterhin sehr vollen Terminkalenders immer. Langstreckenflüge etwa, verrät sie, nutze sie für Gesichts-Wellness. Abschminken, viel Feuchtigkeitscreme und Gesichtspeelings mit veganen Produkten, so nutzt sie die Zeit. Und verrät nebenbei, dass sie ein Faible für die Kosmetik-Abteilungen der Flughafen-Duty-free-Shops habe.
Outfits aus veganem Leder

Falten sind für sie kein Thema. „In der Rockmusik gibt es auch nicht so einen großen Druck auf Frauen in Sachen Aussehen“, beschreibt sie die entspannende Situation. Und es gäbe neben Bewegung und tierproduktfreier Ernährung noch ein ganz einfaches Mittel dagegen, lässt sie wissen: „Mit Lächeln bekommt man alle Falten weg“, so Doro, die noch nie einen schönheitschirurgischen Eingriff hat machen lassen. Sie ernähre sich außerdem ausgewogen und, wie erwähnt, fleischlos, ob ihrer Liebe zu Tieren. „Ich sponsere zwei Pferde auf dem Gut Aiderbichl bei Salzburg, dem größten Paradies für gerettete Tiere in Europa“, erzählt sie. Zur Veganerin wurde Doro vor nunmehr rund 20 Jahren durch eine Kampagnen-Anfrage der Tierschutzorganisation Peta. Erst einmal verwunderlich, denn ihre Bühnen-Outfits waren nun mal Leder pur. Die Tierschützer hätten sie über die Lederproduktion aufgeklärt, und daraufhin habe sie sich in das Thema vertieft. Seitdem verzichtet sie auf tierische Produkte, ist sozusagen eine Veganerin der ersten Stunde, ohne dogmatisch zu sein. „Früher, bei Tourneen in Südamerika, wurde sehr viel Fleisch aufgetischt. Ich habe mich dann einfach an Brot und Salat gehalten, da bin ich genügsam“, beschreibt sie so auch ihre Bodenständigkeit. Mittlerweile trägt sie nur noch veganes Leder, was anfangs gar nicht so einfach für ihre Designer und Designerinnen zu realisieren war. Die ersten neuen Outfits, erinnert sie sich, wurden aus Taucheranzügen hergestellt, da es die heutige Materialvielfalt einfach noch nicht gab.
Lemmys Asche als Kette um den Hals

Übrigens: Ganz korrekt ist ihr Alter mit 59 Jahren eigentlich nicht. Für ein spirituelles TV-Format auf einem Privatsender wurde sie vor Jahren gefragt, ob sie eine Rückführung machen wolle, worauf sie sich einließ. „Ich habe das bei einer Koryphäe auf diesem Gebiet, Ursula Demarmels, gemacht. Es ging ganz schnell. Auf einmal war ich ein kleiner Junge in Dubrovnik, bei der nächsten Sitzung ein junges, gut gekleidetes, verheiratetes, trunksüchtiges Mannsbild im Format eines Gérard Depardieus, ebenfalls in Dubrovnik, Mitte des 17. Jahrhunderts, hatte Familie und war Hals über Kopf in eine Prostituierte verliebt – was für ein Gegensatz zu meinem heutigen Ich“, schmunzelt sie. Humbug? Als sie mit einem Fernsehteam später in der kroatischen Küstenstadt gewesen sei, habe sie Orte von damals wiedererkannt, die ihr auch von einer Historikerin im Team bestätigt wurden. „Ursula Demarmels fragte mich nach den Sitzungen, was ich daraus gelernt habe und für mich war klar, dass die Seele keinen Anfang und kein Ende hat und man alles im Leben gut machen muss. Ich fand es großartig, Mann gewesen zu sein, man geht einfach nur vorwärts, schaut nicht nach links und rechts“, beschreibt sie humorvoll ihr Sein vor knapp 400 Jahren.
Ob sich die „Doros“ miteinander verstehen würden? Eher nicht, vermutet die jetzige Doro, wahrscheinlich hätte der umtriebige kroatische Lebemann kein Verständnis für die Power-Doro des 21. Jahrhunderts. Dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich nicht erklären ließen, ist für die Sängerin klar. „1998, lange Zeit vor den Rückführungen, habe ich den Song ‚Tausend mal gelebt‘ geschrieben“, sagt sie.

Bei einem runden Jubiläum wie diesem liegt es nahe, Doro nach den wichtigsten Dingen in ihrem Leben zu fragen. Die Antwort: Es sind die immateriellen Werte, die für sie zählen. Liebe und tiefe Freundschaften, im Privaten wie zu ihren Fans, die für sie Familie sind. Dies seien denn auch Gründe, vermutet Doro, für ihren langjährigen Erfolg. Verewigt hat sie dies schon vor Langem, in ihrem Lied „Für Immer“ von 1993. Auch die viel beschworenen drei Dinge, die sie mit auf eine einsame Insel nehmen würde, sind vermutlich nicht das, was man von einem international erfolgreichen Rockstar denken würde. „Bücher, vor allem Motivationsbücher, meine Band und meine Fans“, beschreibt sie ihr Insel-Gepäck, in dessen „Handgepäck“ sich noch ein Wangenkuss vom Motörhead-Gründer Lemmy Kilmister befindet, den er ihr einst als Glücksbringer und gegen ihr Lampenfieber vor einem Auftritt bei einem „Monsters of the Rock“-Konzert gegeben hat. Immer mit dabei auch einen Teil der Asche des vor sieben Jahren verstorbenen Motörhead-Frontmanns in einer Patronenhülse, den sie und enge Freunde nach seinem Ableben geschenkt bekamen. „Ich trage ihn an einer Kette, sozusagen ganz nah am Herzen“, ist Doro immer noch tief bewegt.
Koffer packen ist auch aktuell wieder angesagt. Ab Ende Oktober sind mehrere Konzerte in Deutschland, Mexiko, USA und im Vereinigten Königreich geplant. Am 28. Oktober steht das große Jubiläumskonzert an und zwar an dem Ort, wo für die Doro Pesch alles begann, nämlich in Düsseldorf. Das Konzert findet einen Tag nach der Veröffentlichung ihres neuesten Albums „Conqueress – Forever Strong And Proud“ statt. Und dürfte sie sich dann noch ein Geschenk zum Jubiläum wünschen, dann „mindestens 20 neue Platten“ mit vielen Gästen, ganz oldschool auf Vinyl, CD und Kassette.