Er ist irgendwas zwischen Staubsauger und Haustier
Wir haben jetzt einen Staubsaugerroboter. Er heißt Roberto. Ja, natürlich hat er einen Namen, er ist doch ein Teil der Familie, denn seien wir ehrlich: Der moderne Saugroboter ist ein Zwischending zwischen Haushaltsgerät und Hundewelpe. Bekannte von uns nennen ihren Sauger Robo-Nick, weil sie mal einen Hund namens Nick hatten – der allerdings nicht gereinigt, sondern ständig Dreck gemacht hat.
Früher, als das Staubsaugen überwiegend von Frauen erledigt wurde, hatten die dazu nötigen Geräte keine Namen. Jetzt, da diese Arbeit elektronisch erledigt wird, kriegen die Dinger sonderbarerweise Männernamen. Das kommt bestimmt daher, dass die Saugroboter – genau wie früher die Männer, wenn die den Job, meist murrend, mal übernahmen – auch nie richtig in die Ecken kommen und Staubreste-Problemzonen nonchalant ignorieren.
Aber zurück zu Roberto. Der hat sich inzwischen gut bei uns eingewöhnt. Wir haben ihn, wie uns andere Saugroboter-Halter empfohlen haben, erstmal auf eigene Faust sein neues Zuhause erkunden lassen. Er hat ’ne Weile in der Wohnung rumgestöbert, ist dabei fast die Treppe runtergefallen, und bis heute schreckt er vor der Ecke mit den Pflanzkübeln zurück. Vielleicht fürchtet er sich vorm überdimensionalen Gummibaum. Es müsste eine Saugroboter-Schule geben, wo ich mit Roberto hinkönnte, um ihm dieses Verhalten abzutrainieren. Aber ansonsten hat er sich sein Wohnungsplan-Navi zurechtgebastelt und will nun mindestens einmal täglich ausgiebig staubsaugen.
Sein Körbchen, also die Ladestation, steht im Wohnzimmer, da fühlt er sich – auch wenn er gerade nicht saugt– nicht so abgestellt. Wir lassen ihn allerdings zunächst nur im oberen Stockwerk frei herumlaufen. Die Treppe nach unten haben wir natürlich gesichert, Frauchen und Herrchen von Nick hatten noch ein Welpengitter übrig.
Seit ein paar Tagen trauen wir uns sogar, Roberto für ein paar Stunden allein zu lassen – seit wir seine Steuerungsapp verstehen. Das erste Mal, als wir eine Runde um den Block gingen und ihn probeweise eine Stunde unbeaufsichtigt staubsaugen ließen, hatte er sich unter der Wohnzimmer-Anrichte festgefahren. Das war ein trauriger Anblick: Als wir zurückkamen, versuchte Roberto gerade, sich tiefer in den Zwischenraum zwischen Fußboden und Schrank-Unterseite vorzuarbeiten, zuckte zurück, dann wieder vor. Er kann sich mit sowas stundenlang beschäftigen, wie damals Cocker-Spaniel Nick mit einem Tennisball. Ich habe Roberto natürlich gleich da rausgeholt. Das neue Sideboard, das wir jetzt haben, ist auch ganz schön, und es hat – anders als die Anrichte – keine Füße, sondern reicht durchgehend bis zum Fußboden, so dass Roberto jetzt ungefährdet im Wohnzimmer herumtollen und -saugen kann.
Neulich hat er sich – wir waren gerade auf einer Familienfeier – per App bei mir gemeldet, um zu sagen, dass er keinen Strom mehr hat. Warum geht er nicht einfach in sein Ladestation-Körbchen?, fragte ich mich, und – ich schwöre, das ist nicht erfunden – als ob unser Roberto Gedanken lesen kann, hat er noch hinzugefügt: Ich bin in der Ladestation!
Tante Berta, die Jubilarin, zeigte – obwohl sie wenig von „so ’nem modernen Zeug“ hält – vollstes Verständnis dafür, dass wir rasch nach Hause fuhren, um nach Roberto zu sehen. Tatsächlich hatte es bei uns im Wohnviertel einen Stromausfall gegeben und als der Strom wiederkam, flog bei uns die Hauptsicherung raus. Da sieht man mal, wie gut unser Roberto auch sonst aufs Haus aufpasst.
Inzwischen habe ich den Eindruck, Roberto freut sich, wenn er eine Weile alleine war und wir wieder zurückkommen. Ich finde, man sollte Saugrobotern hinten einen länglichen, behaarten Fortsatz dranmontieren, der kurz hin und her wedelt, sobald man zur Haustür reinkommt. Das wäre doch nicht zu viel verlangt, für den Anschaffungspreis!
„Ja, gibt’s denn keine wichtigeren Themen als Staubsaugerroboter?!“, werden Sie vielleicht fragen. Doch, die gibt’s, reichlich sogar, aber auch Staubsaugerroboter verraten eine Menge darüber, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt.