Der Kader für die kommende Saison wird noch einige Veränderungen erfahren, doch László Bénes ist als Stammspieler fest eingeplant. Der erste prominente Neuzugang bei Union Berlin hat bewegte Wochen hinter sich.
Den Sonderurlaub nach der Europameisterschaft hat sich László Bénes mehr als verdient. „Es war schon sehr viel, was zuletzt alles passiert ist. Der verpasste Aufstieg, die Vertragslage, dann die Freude an dieser EM und das so bittere Aus zum Schluss“, sagte der Slowake mit Blick auf die turbulenten letzten Wochen. Vor allem das hochdramatische Achtelfinal-K.o. bei der EM in seiner deutschen Wahlheimat beschäftigte den Mittelfeldspieler noch lange nach dem Abpfiff. Mit Außenseiter Slowakei stand er schon fast im Viertelfinale, die große Überraschung gegen Turnier-Mitfavorit England war nur noch wenige Sekunden entfernt – bis Jude Bellingham mit einem spektakulären Fallrückzieher in der fünften Minute der Nachspielzeit zum 1:1 traf und die Three Lions in die Verlängerung rettete.
„Unglaublich bitter ist das. Es tut richtig weh, denn es hat nur so wenig gefehlt. Ich denke, wir hätten es verdient gehabt, weiterzukommen“, sagte Benés der „Hamburger Morgenpost“: „Das wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern. Wir waren nur ein paar Sekunden von einem historischen Erfolg entfernt.“ Die Slowaken haben bei einem großen Turnier noch nie die Runde der besten Acht erreicht, diesmal standen sie so knapp davor. Ein Geniestreich von Real-Madrid-Star Bellingham und das spätere Siegtor von Bundesliga-Torschützenkönig Harry Kane machte die Hoffnungen auf den Coup zunichte. Bénes wollte aber nicht nur mit dem Pech oder gar Schicksal hadern, er blickte auch mit Stolz auf die EM zurück und mit großen Hoffnungen in die Zukunft. „Wir haben in der Vorrunde Belgien geschlagen, hatten England fast schon besiegt und gezeigt, dass die großen Nationen in Zukunft mit uns rechnen müssen.“
Der 26-Jährige, der bei der EM zweimal eingewechselt wurde, will in der Nationalmannschaft auf dem Weg zur WM 2026 mehr Verantwortung übernehmen. Er befindet sich im besten Fußballalter – und er hat ab sofort ein gewichtiges Argument gegenüber Nationaltrainer Francesco Calzona: Mit seinem Wechsel zu Union Berlin spielt Bénes nun in der Bundesliga und nicht in der Zweiten Liga wie sein Ex-Club Hamburger SV, was seine Chancen im Nationaltrikot deutlich erhöhen werden. Er hat sich bei den Eisernen einen Stammplatz erkämpft. Davon sind sie alle bei Union überzeugt – inklusive des Spielers selbst. Sowohl Trainer Bo Svensson als auch Sportdirektor Horst Heldt hätten ihm das Gefühl vermittelt, „dass ich als Offensivspieler sehr gut in die Mannschaft passen würde“, sagte der im Mittelfeld vielseitig einsetzbare Bénes: „Sportlich und finanziell passt für mich bei Union alles.“
An Angeboten dürfte es ihm nicht gemangelt haben. Für ihn persönlich verlief die Vorsaison mit 24 Scorer-Punkten (13 Tore, 11 Torvorlagen) in 27 Spielen herausragend. Doch am Ende stand als Teambilanz wie schon in seiner Premierensaison mit dem HSV der verpasste Aufstieg in die Bundesliga. Diese bittere Erfahrung erneut machen zu müssen, habe „sehr, sehr wehgetan und schmerzt noch immer“, gab Bénes zu: „Ich habe es mir so sehr gewünscht, mit dem HSV in der Bundesliga spielen zu können. 24 Monate habe ich für dieses Ziel gebrannt.“ Doch am Ende reichte es wieder knapp nicht. Und Bénes stand vor der Wahl: ein erneuter Anlauf mit den Hamburgern oder der eigene Absprung ins Oberhaus. Es sei der Zeitpunkt gekommen, „an dem man auch an seine eigene Karriere denken muss“, berichtete er. Leicht sei ihm die Entscheidung gegen den HSV nicht gefallen, denn dort habe er sich sehr wohlgefühlt. „Der HSV bleibt in meinem Herzen.“ Er sei „sehr stolz“ gewesen, „bei einem so großen Verein wie dem HSV spielen zu dürfen“, sagte er.
Dem HSV wird der Abschied seines Schlüsselspielers immerhin mit einer Millionen-Ablöse versüßt. Allerdings hätten sich die Norddeutschen sicherlich einen anderen neuen Club für Bénes gewünscht, denn als Nicht-Europacup-Starter zahlt Union nach Informationen des „Kicker“ lediglich drei Millionen Euro als Ablöse. Diese Summe war im Vertrag als Klausel verankert, international vertretene Clubs hätten offenbar tiefer in die Tasche greifen müssen. Es scheint, als habe Union einen guten Deal gemacht. Die drei Millionen Euro liegen etwas unter dem Marktwert, den sich Bénes mit starken Leistungen beim Hamburger SV erarbeitet hat. Und die Chancen, dass der Slowake den Sprung in die Bundesliga schafft, sind auch hoch. Die starke Technik, die Schnelligkeit, die Torgefahr – Bénes bringt vieles mit, was auch einen Topspieler im Oberhaus auszeichnet. Zudem hat er während seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach und während seiner Leihe beim FC Augsburg schon 65 Bundesligaspiele absolviert.
Durchschlagskräftig vor dem Tor
„Mit László gewinnen wir einen vielseitig einsetzbaren Mittelfeldspieler, der unter anderem mit seinen Standards immer wieder Chancen kreieren kann. Zudem hat er in den letzten Jahren bereits viele wertvolle Erfahrungen im deutschen Fußball sammeln können“, sagte der neue Geschäftsführer Heldt über den ersten prominenten Neuzugang unter seiner Regie. Daher sei man im Club auch „überzeugt, dass er unsere Mannschaft mit seinen Qualitäten verstärken wird“. Bénes könnte als Nachfolger von Brenden Aaronson eingeplant sein, der nach einem Jahr Leihe zu Leeds United nach England zurückkehrt. „Mit seinem Spielstil, seiner Schnelligkeit und insbesondere seinem entscheidenden Treffer gegen die TSG 1899 Hoffenheim eroberte er die Herzen der Unioner“, schrieb Union auf der Vereins-Internetseite zum Abschied. Allerdings hatte es dem technisch begabten Aaronson an Effektivität gemangelt, nur zwei Treffer und zwei Torvorlagen in 38 Einsätzen sind für einen Offensivspieler zu wenig. Bénes ist vor dem Tor deutlich durchschlagskräftiger und effektiver. Zudem hat er auch seine Gefahr bei Standardsituationen in der Vergangenheit bewiesen. Will Union zurück zu alter Stärke, sind ruhende Bälle auch ein wichtiger Schlüssel.
„Der Verein hat zwar ein schwieriges Jahr hinter sich, davor aber drei Jahre in Folge im Europapokal gespielt. Das spricht für die Ambitionen dieses Vereins“, sagte Bénes. Als Neuzugang trägt er den Rucksack der schwierigen Vorsaison nicht mit sich, entsprechend forsch kann er auch das Saisonziel formulieren: „Wir wollen so weit oben wie möglich mitspielen und, na klar, dann auch bestenfalls wieder international.“ Traditionell wird bei Union vor jeder Bundesligasaison aber das Primärziel „Klassenerhalt“ ausgerufen – und das wird auch für die Spielzeit 2024/25 so sein, wie Clubpräsident Dirk Zingler bestätigte: „Die Ziele des Vereins ändern sich nicht.“ Allerdings bekräftigte Zingler auch: „Wir sind ambitioniert und ehrgeizig.“ Man wolle „einfach gut“ spielen, „dann werden die Ergebnisse automatisch kommen“.
Bénes soll mit Toren und Torvorlagen mithelfen. Doch bis zu seinem Start in Köpenick will er sich von den körperlich wie mental strapaziösen letzten Wochen erholen. Am besten kann er das im Kreise seiner Familie. „Es macht großen Spaß, wenn ich nach einem anstrengenden Tag nach Hause komme und mir meine Tochter mit so viel Energie und guter Laune begegnet“, sagte er einmal: „In meiner freien Zeit verbringe ich gern Zeit mit der Familie.“ In der Sommerpause reist er stets in die Heimat zu seinen Eltern und den Eltern seiner Frau. Bei der Rückkehr nach Deutschland hat László Bénes dann in Union Berlin eine neue Sport-Familie.