Erstmals fand im Juli das „Fill in International Jazz Festival Saar“ statt. Dafür wurde eine neue Location im Deutsch-Französischen Garten Saarbrücken erschlossen. Welches Resümee zieht der Initiator Oliver Strauch?
Herr Strauch, wie blicken Sie mit einigen Wochen Abstand auf das Festival zurück?
Mit einem sehr glücklichen Gefühl. Es war unser erster Aufschlag. Der erste Schuss muss ja sitzen, wie man so schön sagt. Ich finde, er hat gesessen. Wir sind sehr stolz und glücklich, dass wir das gewuppt haben. Vor allem bin ich sehr froh, dass die Leute die Location mit ihrem besonderen Ambiente angenommen haben und auch das Programm. Ich hatte in den Gesprächen den Eindruck, dass es ein Programm war, wo jeder sich in irgendeiner Weise wiederfinden konnte.
Am ersten Tag kamen etwa 700 Zuschauer, am zweiten etwa 400 und am dritten wieder etwa 700. Hand aufs Herz – sind Sie zufrieden mit den Zuschauerzahlen?
Es kann immer mehr sein. Aber es hätten auch wesentlich weniger sein können. Nach dem, was ich von anderen Festivals weiß, hat die erste Ausgabe zumindest gezeigt, dass Leute in Saarbrücken Geld in die Hand nehmen, um Jazz zu hören. Das war für mich wirklich das Entscheidende. Wir hatten ja auch das populäre Format „Bars and Clubs“, da haben wir zum Festival-Auftakt acht Bars bedient am Markt. Da konnten wir in der Innenstadt jede Menge Leute motivieren, für diese Musik in die Stadt zu kommen.
Was ist Ihnen hängengeblieben, was man besser machen könnte im nächsten Jahr?
Wir befinden uns noch in der Auswertung der ersten Ausgabe im Deutsch-Französischen Garten, aber blicken natürlich auch nach vorne. Wir sind abhängig von vielen Voraussetzungen und befinden uns gerade auf der Zielgeraden für die Terminfindung. Wir wollen es auf jeden Fall wieder im Sommer im DFG machen. Wenn wir es dort wieder machen können, würde ich das Thema Preispolitik angehen. Unsere Überlegung ist zum Beispiel, auch Tickets für nur ein Konzert anzubieten statt eines ganzen Abends. Das wäre eine Möglichkeit. Auch würde ich schauen, dass alle Bands am Vortag anreisen, damit uns die Problematik mit verspäteten Zügen nicht aushebelt, denn manches war mit heißer Nadel gestrickt. Aber bei großen Namen wie John Scofield und Kenny Garrett mussten wir auch Zugeständnisse machen, damit sie überhaupt kommen. Vielleicht machen wir noch eine kleine Crémant-Theke. Aber grundsätzlich würde ich sagen, zwei Konzerte am Abend halte ich für gut. Drei oder vier Bands sind mir zu viel. Gern würde ich auch ändern, dass die Leute nicht gleich nach Hause gehen. Dass man da noch eine Stunde zum Verweilen hat und noch ein Glas Wein trinken kann. Das hängt davon ab, ob die Stadt Saarbrücken da mitgeht.
Ist es nicht ein großes Risiko, so sehr vom Wetter, von Hitze und Regen abhängig zu sein?
Tja, Sonnensegel können wir uns nicht leisten. Bei einer größeren Windböe fliegen die weg.
Wird es auch nächstes Jahr den Prolog in der Innenstadt geben?
Das möchte ich gern auf jeden Fall wiederholen. An den Rückmeldungen habe ich auch gemerkt, dass die Gypsy-Bands aus der Region sehr gut ankamen, da würde ich noch stärker drauf eingehen. Das ist Teil unserer Musikgeschichte, das finde ich sehr schön und auch wichtig.
Was hat die erste Fill-in-Ausgabe gekostet?
Insgesamt hatten wir ein Budget von knapp 300.000 Euro. Davon waren fünf Prozent öffentliche Förderungen, alles andere kam von Sponsoren, privaten Stiftungen, Spenderinnen und Spendern sowie aus dem Kartenverkauf. Die Mittel von Sponsoren, privaten Förderern und die Spenden habe ich selbst eingeworben. Dafür bin ich anderthalb Jahre übers Land gereist. Eine Garantie einer weiteren Zusammenarbeit fürs nächste Jahr gibt es allerdings noch nicht.
Wie sieht das fürs nächste Jahr aus?
Wir haben eine Zusage des Wirtschaftsministeriums im Rahmen der Auszeichnung als „kultureller Leuchtturm“, aber wir brauchen weitere Förderer und Sponsoren, um das Festival auf stabile Beine zu stellen. Das heißt, wir müssen weiterhin Geld akquirieren. Dafür gehen wir jetzt in die Gespräche. Wenn es die Leute mögen und vielleicht noch mehr kommen als dieses Jahr, dann haben wir ein Argument, um zu sagen, es findet auch 2025 wieder statt. Alles orientiert sich an der Nachfrage. Deswegen hoffe ich, dass die Leute sagen, es ist eine schöne Geschichte und wir setzen uns dafür ein. Am Ende entscheidet nur das Publikum.
Wann fiel die Entscheidung, dass das „Fill in“ auch im nächsten Jahr stattfindet?
Wir hatten sowieso gesagt, dass wir es nochmal machen möchten. Aber wir wollten es uns erst auch anschauen, wie es gelaufen ist. In dem Moment, wo die kulturellen Leuchttürme für 2024 verkündet wurden und wir dabei waren, gab es den Auftrag. Wir hatten uns ja darum beworben. Wichtig war für uns, dass das Festival nicht nur in der Landeshauptstadt stattfindet. Da wir schon „Saar“ im Namen haben, wollen wir die Brücke bauen zum Beispiel nach St. Ingbert, wo das Jazzfestival weggefallen ist. Oder nach Saarlouis, da gibt es ein kleines Jazzfestival auf der Vauban-Insel. Zu St. Wendel habe ich auch Kontakt – es geht um Kooperation und Synergieeffekte, wir wollen ja niemandem etwas wegnehmen. Da, wo man merkt, dass Zusammenarbeit sinnvoll ist, engagieren wir uns. Ich bin deshalb mit allen Festival-Machern hier im Gespräch.
Ist es nicht überhaupt schwer, einen Termin zu finden, der anderen nicht in die Quere kommt?
Ja, es ist immer irgendwo etwas. Die Stadtfeste, das Saar-Spektakel. Wir haben aber so gut es geht versucht, niemandem auf die Füße zu treten.
Sie werten gerade mit Ihrem Team das Festival aus – welche Erkenntnisse haben Sie noch gewonnen außer den bereits genannten?
Das Erste, was mich interessiert hat: Waren die Bands gut ausgewählt? Konnten wir die Leute auch begeistern? Haben Ort und Technik gestimmt? Das waren die ersten wichtigen Dinge. Das hat für mich funktioniert. Ich bin nicht angetreten mit einem kuratorischen Überbau: Ich wollte keinen konzeptionellen roten Faden haben. Es sollte vielmehr eine Mischung sein aus Musikerinnen und Musikern, die ziehen, und unbekannteren Bands. Und der Blick nach Frankreich, das war so die erste Idee. Das wurde insofern honoriert, als darüber die „FAZ“ berichtete – die wäre sonst nicht gekommen. Die sagten: Scofield, das haben wir überall. Aber Anne Pacéo und Michel Meis – deswegen kommen wir nach Saarbrücken. Das sind die Dinge, die einem Mut geben, dass wir eine Duftmarke gesetzt haben.
Welcher Auftritt hat Ihnen am meisten imponiert?
Es war sehr, sehr viel Schönes dabei. Die entspannte und ruhige Atmosphäre, die Dorantes aufgebaut hat, hat mir gut gefallen. Ich habe bei diesem Auftritt sehr viele Leute mit einem friedlichen Gesichtsausdruck gesehen. Die haben einfach diesen Garten genossen, diese Farben und diese Musik. Das hat eine schöne Synthese ergeben. Das Solokonzert von Scofield hat mich natürlich auch sehr bewegt – hätte mir vor ein paar Jahren jemand gesagt, der Scofield spielt mal im DFG, hätte ich mir das nicht vorstellen können. Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen.
Wie waren die Stars des Festivals so hinter den Kulissen?
Ich finde immer, je bekannter jemand ist, desto leichter ist er im Umgang. Das sind Profis, die schon alles erlebt haben, die müssen niemandem etwas beweisen, die sind pünktlich beim Essen und pünktlich da, wo sie sein sollen. Andere wiederum, da denkt man, du hättest auch einen Zug früher nehmen können, da wäre es entspannter. Aber im Großen und Ganzen sind wir mit den Leuten sehr gut klargekommen.
Und dann gab es noch die tolle Anekdote mit Scofield und dem Busfahrer …
Genau, Püttlingen, die Gebrüder Lay. Die haben Sco wohl über Jahrzehnte durch Deutschland getourt. Das scheint ein Unternehmen zu sein, das damals in der Musikszene sehr verwurzelt war. Er hat mir auch immer gesagt: „Puttlingen“. Und dann waren die Gebrüder Lay auch wirklich im Backstage-Bereich, das war super lustig. Da kamen die ganzen Anekdoten von früher und Scofield war total happy.