Handball-Talent Marko Grgic aus Saarlouis startet durch: Vor zwei Jahren war er noch Drittliga-Spieler, nun wurde er erstmals in die Nationalmannschaft berufen.

Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da erfüllte sich für Marko Grgic ein Traum: Das damals 18-jährige Handball-Talent wechselte von Drittligist HG Saarlouis zum Zweitliga-Spitzenteam ThSV Eisenach. Ausgerechnet in seiner Geburtsstadt, in der schon sein Vater Danijel als Handballer wirkte, unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag. Nur ein Jahr später erfüllte sich der nächste Traum: Mit dem thüringischen Traditionsverein gelang Grgic der Aufstieg in die 1. Bundesliga, der mit Abstand stärksten Handball-Liga der Welt. In der laufenden Saison deutet alles darauf hin, dass die Eisenacher den Klassenverbleib vorzeitig sichern können. Noch bevor dies der Fall ist, reibt sich der inzwischen 20-Jährige, der sich zum Leistungsträger entwickelt hat, schon wieder die Augen. Denn: Noch bevor er es gewagt hat, ihn zu formulieren, erfüllt sich schon der nächste große Traum eines jeden Sportlers: Grgic wurde von Bundestrainer Alfred Gislason in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Derzeit nimmt er an einem Lehrgang der Auswahl des Deutschen Handball Bunds (DHB) in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen teil, wo er sich für einen Einsatz im Testspiel gegen Schweden am 12. Mai empfehlen möchte.
Der Anruf kam zur Mittagspause
„Ich war gerade auf Arbeit“, erinnert sich Azubi Marko Grgic an den entscheidenden Handyanruf des Bundestrainers: „Während der Mittagspause wurde ich von einer nicht eingespeicherten Nummer angerufen. Ich wollte erst nicht rangehen, aber dachte dann: ‚Okay, vielleicht ist es ja doch was Wichtiges.‘“ Dass in seiner Ohrmuschel plötzlich die markante Stimme des Bundestrainers erklang, sorgte bei Grgic für einen „Überraschungs-Schock-Moment. Ich habe dann erst mal ein paar Sekündchen gebraucht, bis ich mich gesammelt hatte“, verrät er. Das wird ihm so nicht mehr passieren. Die Nummer ist nun eingespeichert. Nach dem Telefonat und weiteren „Sekündchen“, in denen er die Nachricht sacken ließ, unterrichtete Grgic umgehend seine Familie und die engsten Freunde. „Danach habe ich noch einmal zwei, drei Tage gebraucht, bis ich es so richtig realisiert hatte“, gibt er zu: „Das war einfach ein ganz besonderer Moment. Total aufregend und, wenn ich ehrlich bin, vielleicht auch etwas überfordernd.“
Ganz und gar nicht überfordert ist Marko Grgic derzeit in der Bundesliga. „Die Saison lief für uns bisher sehr gut. Zwar hatten wir nach der Winterpause eine kleine Schwächephase mit vier knappen Niederlagen, bei denen wir uns quasi selbst um die Punkte gebracht haben“, resümiert Marko Grgic kurz vor dem Saisonende und ergänzt: „Aber wir haben uns auch wieder selbst aus diesem Tief herausgekämpft und uns insgesamt sehr gut entwickelt und uns im Kampf um den Klassenverbleib schon früh eine gute Ausgangslage erkämpft.“ In 23 der ersten 31 Ligaspiele wirkte er mit ansteigender Form mit und erzielte 77 Tore. In der Woche nach Gislasons Anruf legte der linke Rückraumspieler, offenbar beflügelt von seiner Nominierung, gegen den TVB Stuttgart eine neun-Tore-Gala auf die Platte. Und zwar dort, wo er schon als kleine Steppke mit einem Ball in der Hand über den Hallenboden stolperte. Damals spielte Vater Danijel noch für den ThSV (2003 bis 2005). Nach einem einjährigen Gastspiel in Kroatien folgte 2006 sein Wechsel zur HG Saarlouis (bis 2014) und der Umzug der Familie Grgic ins Saarland, wo Marko aufwuchs. Mit der Rückkehr nach Eisenach, wo er 2022 einen Dreijahres-Vertrag unterschrieb, schloss sich für ihn ein Kreis. Sein neun Jahre älterer Stiefbruder und zwischenzeitlicher Mitspieler Tom Paetow trägt noch immer das Dress der HG Saarlouis.
„Lohn für seine Leistungen“
„Marko soll reinschnuppern“, sagt Axel Kromer, Vorstand Sport des DHB, laut einer Pressemitteilung des Vereins und ergänzt: „Die Nominierung ist Lohn für seine tolle erste Saison in der Bundesliga und auch ein Kompliment für die Arbeit des ThSV Eisenach.“ Das hört man dort gern: „Wir sind über diese Nachricht froh und stolz, dass nach so ganz vielen Jahren wieder ein Spieler aus unseren Reihen eine Einladung zur Nationalmannschaft erhält“, sagt ThSV-Geschäftsführer Rene Witte und hofft, „dass es Marko beim Lehrgang gefällt und er einen guten Eindruck hinterlässt. Diese Einladung sehen wir als Lohn für seine Leistungen im Laufe der Saison, aber zugleich als Lohn und Wertschätzung der harten Arbeit aller in unserem Verein.“

Und genau die, beziehungsweise der Alltag, reißt Marko Grgic immer wieder aus den so schönen Träumen über die immer neuen Meilensteine seiner noch jungen Karriere. Zusätzlich absolviert er nämlich noch eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Dass er sich trotz der Doppelbelastung so schnell weiterentwickeln konnte, macht er an mehreren Faktoren fest: „Das war tagtägliche harte Arbeit und lag nicht nur an mir. Der Trainer, die Jungs, der ganze Verein hat Anteile daran“, findet Grgic. Natürlich spielen Talent, Ehrgeiz sowie Lern- und Einsatzbereitschaft ebenfalls eine große Rolle, was der bescheidene Rechtshänder allerdings verschweigt. „Ich wollte konstanter werden. Das ist mir in den letzten Spielen ein bisschen gelungen, und das gilt es beizubehalten. Sonst hat sich das mit der Nationalmannschaft auch schnell wieder erledigt“, weiß er und schiebt nach: „Das Niveau ist Weltklasse. Dort bin ich noch nicht einmal annähernd.“
In Kopenhagen trainiert er zusammen mit internationalen Stars wie Torhüter Andreas Wolff und Spielmacher Juri Knorr (Rhein-Neckar Löwen). So viel wie möglich von ihnen zu lernen, hat sich Marko Grgic fest vorgenommen. „Ich werde bestimmt jeden von denen nach einem Training mal ausfragen und Tipps abholen. Sicher werde ich Johannes Golla mal fragen, welche Aktionen für ihn als Abwehrspieler leichter und welche schwerer zu verteidigen sind“, kündigt er an und stellt mit Blick auf sein persönliches Ziel klar: „Ich mache mir keinen Druck und nehme mir nicht vor, mich für die Olympischen Spiele anbieten zu wollen. Ich werde stolz sein, den Adler auf der Brust zu tragen und werde alles geben, um vielleicht ein, zwei Minuten gegen Schweden zu bekommen.“
Das Testspiel gegen die Skandinavier am 12. Mai bildet den Abschluss des Lehrgangs und wird Marko Grgic im Vorfeld vielleicht noch die ein oder andere schlaflose Nacht bescheren. Trotzdem: Die Träume, die sich noch erfüllen sollen, werden ihm so schnell nicht ausgehen.