Im abgelaufenen Jahr erlebten die Bundesbürger eine nie gekannte Preisexplosion in Sachen Energie. Der Gas- und Strompreis vervielfachte sich, und auch an der Tankstelle kosteten ausnahmslos alle Spritsorten mehr als zwei Euro.
Entgegen der russischen Propaganda erfriert Europa ohne russisches Gas derzeit nicht. Dafür haben die EU-Mitgliedsstaaten, in Deutschland Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und die Bundesnetzagentur, gesorgt. Nicht nur, dass die Gasspeicher in Deutschland voll und der Verbrauch so niedrig wie lange nicht ist, die EU-Staaten haben auch viel zu viel Gas eingekauft, vor den Küsten stauen sich die Flüssiggastanker.
Zu Beginn des Jahres sah dies noch anders aus. Während des russischen Angriffes auf die Ukraine lieferte Russland weiter Gas und verdiente dabei Anfang März 660 Millionen Euro – pro Tag. Denn die Debatte um Gas-Sanktionen gegen Russland trieb die Preise in ungeahnte Höhen. Krieg führen mithilfe des Marktes – auch dies spielt in der Konfrontation Russlands mit den westlichen Staaten eine wichtige Rolle. Schon fünf Monate vor der Invasion warnte die Internationale Energieagentur (IEA) vor auffällig niedrigen Gasspeicherständen in Europa und versiegenden Gasflüssen, schon im Oktober 2021 stieg daher der Gaspreis in Deutschland merklich an. Und bereits im ersten Halbjahr 2022 lieferte Russland weniger Gas nach Europa als im Vorjahreszeitraum.
Krieg mithilfe des Energiemarktes

Besonders Deutschland war wegen seiner starken Abhängigkeit Ziel Nummer eins des Energiekrieges. Über die Hälfte des Gases stammte aus russischen Pipelines. Ab April versiegte der Gasstrom aus der über Polen verlaufenden Jamal-Pipeline, im Juli stellte Russland den Transport über Nord Stream 1 zeitweise ein – wegen Reparaturen, wie es seitens Gazprom hieß. Nach Daten der Bundesnetzagentur floss allerdings seither auch durch die dritte Pipeline Transgas, die Russland über die Ukraine und Tschechien mit Deutschland verbindet, seit 7. Oktober kein Gas mehr. Mit der Explosion der beiden Nordstream-Pipelines Ende September ist klar: Es wird auch keines mehr aus dieser Richtung kommen. Notwendig ist dies ohnehin nicht mehr, da nun Gas über drei weitere Röhren, Europipe 1 und 2 aus Norwegen und Eynatten aus Belgien, sowie per Flüssiggasimport geliefert werden kann.
An der Gasrechnung für 2022 ändert das freilich nichts. Obwohl der Preis am Spotmarkt, also an dem Markt, an dem kurzfristig Gas gehandelt wird, gefallen ist, bleibt er für Verbraucher hoch. Denn diese verbrauchen gerade noch das teurere Gas aus den vergangenen Monaten. Vor allem Neuverträge haben es in diesem Jahr in sich. Im März, kurz nach dem Angriff Russlands, schnellte der Preis auf über 20 Cent pro Kilowattstunde im Deutschlandmittel. Spätestens seit der Sabotage der Nordstream-Pipelines katapultierte sich der Preis auf über 40 Cent pro Kilowattstunde, so das Vergleichsportal Verivox. Mittlerweile sinkt er wieder auf knapp unter 20 Cent. Im Januar werden die bestehenden Verträge teils drastisch teurer. Mehr als 120 Versorger haben bereits Preiserhöhungen angekündigt. Vorkriegspreise dürften allerdings nicht mehr erreicht werden, da die Beschaffung von LNG-Gas durch die langen Transportwege insgesamt teurer ist. Gleiches gilt für den Strompreis, der ebenfalls teurer werden dürfte.
Pipelines liefern Gas über Belgien und Norwegen

Um die Verbraucher in der Krise zu entlasten, soll nun die Gas- und Strompreisbremse die Kosten etwas abfedern. Im Dezember übernahm der Bund die Abschlagszahlung, von März 2023 bis April 2024 soll, für Haushalte und kleine Unternehmen rückwirkend ab Januar, die Gaspreisbremse gelten. Sie garantiert einen Gaspreis von zwölf Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des Verbrauchs, Grundlage ist die Abrechnung vom September 2022. Jede Kilowattstunde darüber hinaus wird mit dem dann geltenden Marktpreis berechnet. Für den Strompreis gilt dann eine Deckelung bei 40 Cent pro Kilowattstunde bis 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs, alles darüber hinaus kostet dem Marktpreis entsprechend. „Die Auszahlung der Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 erfolgt mit Rücksicht auf die Versorgungsunternehmen aber erst im März 2023", so die Bundesregierung.
Um die Versorgungssicherheit in Deutschland mit Strom zu gewährleisten, entspannte sich Ende des Jahres zudem eine politische Debatte um die Laufzeitverlängerung der noch verbleibenden Atomkraftwerke. Die Blocks Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bleiben nach einer leidenschaftlich geführten Debatte im Bundestag am Netz. Vorerst bis 15. April 2023. Zu wenig, findet die CDU. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bekräftigte jedoch das endgültige Aus im April. Eine längere Laufzeit für Atomkraft könnte die Ausbauziele für die Erneuerbaren gefährden.

Weil auch ein Teil der deutschen Benzinproduktion von Russlands Rohöl abhängig war, stiegen im vergangenen Jahr die Benzinpreise. Ein Liter Super kostete Anfang März 2,20 Euro, ein Liter Diesel gar 2,30 Euro. Die Rufe nach Entlastung auch für die Autofahrer wurden immer lauter. Schließlich kündigte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Tankrabatt an – der Bund senkte die Energiesteuer ab 1. Juni. Dadurch wurde Benzin fast 30 Cent billiger, Diesel 14 Cent. Mit Einführung des sogenannten Tankrabatts sanken die Preise allerdings nicht in dem Maß, wie es angesichts der Steuersenkung um 35 Cent pro Liter für Benzin und 17 Cent für Diesel erwartet wurde. Gaben die Mineralölkonzerne die Steuersenkung vollständig an die Kunden weiter?
Das Bundeskartellamt startete deshalb Mitte April eine sogenannte Sektoruntersuchung, erste Ergebnisse hat das Amt Ende November veröffentlicht. Laut Kartellamtschef Andreas Mundt sind dabei die Strukturen der Branche problematisch. „Unsere Untersuchung zeigt, dass sich diese Entwicklung (der Preise; Anm. d. Red.) nicht allein auf Kostensteigerungen zurückführen lässt. Dem widerspricht vor allem die Tatsache, dass die meisten Mineralölkonzerne in dieser Zeit mit ihren Raffinerien sehr große Gewinne erwirtschaftet haben. Wir sehen nach wie vor strukturelle Probleme im Markt, wie zum Beispiel die Tatsache, dass viele Gesellschaften vom Bohrloch bis zum Zapfhahn auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette aktiv sind und dass eine hohe Markttransparenz auch auf der Raffinerie- und Großhandelsebene existiert." Nach geltender Rechtslage könne die Wettbewerbsaufsicht aber nur einschreiten, wenn ein Anfangsverdacht auf ein kartellrechtswidriges Verhalten vorliege. „Dafür sind hohe Preise und hohe Unternehmensgewinne für sich genommen aber noch kein ausreichendes Indiz", sagte Mundt.
Spritpreise weiter auf hohem Niveau, aber unter zwei Euro
Für direkte Preisabsprachen gäbe es keinerlei Anzeichen. Und der Tankrabatt der Bundesregierung sei „überwiegend" weitergegeben worden, erklärte das Bundeskartellamt. Wohl aber nicht direkt, denn selbst der deutsche Mineralölverband schränkte ein: „Dies konnte an manchen Tankstellen gegebenenfalls erst später geschehen, wenn noch hoch versteuerte Ware vorhanden war."
Mittlerweile haben sich die Preise wieder auf hohem Niveau deutlich unter zwei Euro im Deutschlandmittel eingependelt. Anfang Dezember setzte ein nahezu EU-weites Embargo dem russischen Ölexport nach Europa ein Ende – allerdings erst ab Februar 2023 – und die G7-Staaten beschlossen einen Preisdeckel bei 60 Euro pro Barrel russischen Öls. Kurz zuvor drosselte die Organisation der erdölfördernden Staaten (Opec) die Produktion, um den deutlich fallenden Ölpreis zu stabilisieren. Dies bedeutet, dass im kommenden Jahr der Benzinpreis letztlich wieder steigen könnte.