Serlina hat sechs Jahre in Israel gelebt – bis zum Angriff der Hamas. Im Oktober 2023 musste sie schließlich ihr Leben neu ordnen. Mit FORUM hat sie über ihre letzten Tage in Tel Aviv gesprochen.

aus Tel Aviv in ihre Heimatstadt Koblenz ausreisen - Foto: Serlina Hohmann & mf-mgmt
Du hast zum Zeitpunkt des Angriffs der Hamas in Tel Aviv gewohnt. Wie hast Du diese Tage erlebt?
Der siebte Oktober war mit der schlimmste Tag in meinem Leben und wird mir wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben. Ich hatte die Woche davor Besuch aus Deutschland von meiner besten Freundin und ihrem Freund. Wir hatten die beste Zeit zusammen und im Nachhinein sehe ich diese Zeit als meinen persönlichen Abschied an Tel Aviv. In der Nacht vom sechsten auf den siebten Oktober sind wir alle zusammen ein letztes Mal ausgegangen und haben die Stadt nochmal so richtig zelebriert. Morgens um 6:30 Uhr wollten wir uns gerade auf den Heimweg machen und haben nach einem Taxi gesucht, als die erste Sirene losging. Da war uns noch gar nicht klar, was da gerade Furchtbares im Süden Israels passiert ist, und mein erster Gedanke war bei meiner Hündin Nala, die alleine zu Hause war. Wir sind dann trotz laufender Sirenen schnell ins Taxi und nach Hause. Da wurde uns der Ernst der Lage erst so richtig bewusst. Mein Freund hat zu Hause sofort die Nachrichten eingeschaltet und mich nach wenigen Minuten ernst angeguckt und gesagt: „Schließ die Tür ab! Schließ alles ab! Da sind Terroristen im Land. Sie entführen Menschen aus ihrem eigenem Zuhause.’’ Ab da ging der blanke Horror los. Eine Raketensirene nach der anderen. Die Nachrichten wurden immer beunruhigender. Selbst dem Nachrichtensprecher fehlten irgendwann die Worte. Dann kamen die ersten Meldungen vom Nova-Festival. Im Minutentakt sind uns mehr und mehr Freunde und Bekannte eingefallen, die auf dieser Party sein könnten. Alle zwei Minuten klingelten unsere Handys. Man erkundigt sich bei jeder Person, die man kennt. Ob sie lebt. Ob sie in Sicherheit ist. Ob man was tun kann. So ging das dann eigentlich die ganzen darauffolgenden Tage weiter. Bis wir entschieden haben, unseren sowieso schon geplanten Umzug vorzuziehen und das Land zu verlassen.
Wie schnell konntest Du das Land verlassen?
Wenn man nicht selbst in der Situation war, kann man es wahrscheinlich schwer nachvollziehen, aber für mich war es eine unfassbar schwere Entscheidung, das Land zu verlassen. Ich war ja nicht zum Urlaub machen dort. Ich habe dort die letzten sechs Jahre gelebt. Meine zweite Familie lebt dort. All meine neu gewonnenen Freunde leben dort. In einer Krisenzeit entsteht ein unfassbarer Zusammenhalt. Das einzig Heilsame ist, nicht alleine in dieser Situation zu stecken. Deswegen konnte ich mir nicht vorstellen, nach Deutschland zu fliegen und dort einfach so zu leben, als wäre nichts passiert. Am Ende habe ich die Entscheidung dann vor allem für meine Familie in Deutschland getroffen, die natürlich unfassbar besorgt war. Etwa zwei Wochen nach Kriegsbeginn bin ich in meine Heimatstadt Koblenz zurückgekehrt. Mein Freund ist vorerst mit unserem Hund in Tel Aviv geblieben.

Wie geht es Dir heute?
Ich bin aktuell in Koblenz bei meiner Familie, ziehe aber bald nach Köln. Inzwischen fühle ich mich mental wieder gefestigter, als es noch vor einem Monat der Fall war. Die erste Woche in Deutschland hatte ich viele schlaflose Nächte, Albträume und war in konstanter Anspannung. Heute sind meine Gedanken natürlich weiterhin täglich bei meiner zweiten Familie und Freunden in Tel Aviv, aber ich freue mich auch gleichzeitig auf meinen neuen Lebensabschnitt in Köln und New York, wo mein Verlobter und Nala mittlerweile leben.
Konntest Du ein wenig in die Normalität zurückfinden?
Mittlerweile ja. Am Anfang wollte ich ehrlich gesagt gar nicht in die Normalität zurückfinden, weil es sich einfach falsch angefühlt hat. Inzwischen habe ich aber das Gefühl, hier wieder angekommen zu sein und genieße die Zeit mit meiner Familie und Freunden.
Wie geht es in der nächsten Zeit für Dich weiter?
2024 ändert sich so ziemlich alles für mich. Ich lebe zum ersten Mal nach acht Jahren in Deutschland. Ich habe fast meine gesamten 20er im Ausland verbracht. Für mich ist das also eine riesige Umstellung. Ich werde aber weiterhin pendeln und viel Zeit in New York verbringen. Beruflich freue ich mich, wieder präsenter in Deutschland zu sein und wieder mehr hier und generell in Europa zu arbeiten. Ansonsten bin ich offen für alles, was kommt –
meine Jahre laufen meist eh anders als geplant.