Bauen soll durch weniger Bürokratie erleichtert werden. Doch das ist nicht so leicht. Helfen sollen eine Gesetzesnovelle und ein neuer Gebäudetyp, der gerade in Bayern getestet wird.
Bauen kann wegen unzähliger Vorschriften zur Geduldsprobe werden. Nach Schätzungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes hat sich die Anzahl der Vorschriften fürs Bauen im Land in den vergangenen Jahren vervierfacht – auf 20.000: Schallschutz, Wärmeschutz, Brandschutz und vieles mehr. Häufig zieht eine Vorschrift eine ganze Armada an baulichen Konsequenzen nach sich. Bald jedoch soll vieles schneller gehen. Kürzere Fristen, weniger Berichte und einfachere Genehmigungen: Durch den Abbau von Bürokratie will Bundesbauministerin Klara Geywitz nun für mehr Bautätigkeit sorgen, und zwar durch eine Reform des Baugesetzbuchs. Künftig soll damit nicht nur modern und schneller gebaut werden, auch der Klimawandel soll besser berücksichtigt werden – zum Beispiel durch mehr Grün auf den Dächern.
Schneller planen, genehmigen und bauen
Weniger Bürokratie beim Planen, Genehmigen und Bauen spare Zeit und Kosten, so Geywitz. „Davon profitieren kommunale Planungs- und Genehmigungsbehörden, bauwillige Private und Investoren sowie Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in verdichteten Siedlungsgebieten. Planen, Genehmigen und Bauen werden bürokratieärmer und moderner. Die Novelle ist damit auch ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche.“ Der Gesetzentwurf soll im September im Bundeskabinett beschlossen werden. Dann könnte er bis Jahresende auch durch den Bundestag gehen.
Die Gemeinden sollen laut der Novelle besser auf lokale Veränderungen reagieren und schneller Baurechte schaffen können. Das könnte laut Bauministerium zum Beispiel die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien betreffen– oder die Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien in den Innenstädten. In Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt soll es künftig möglich sein, Gebäude aufzustocken und zu erweitern, ohne dass der Bebauungsplan geändert wird. Bisher war das nur in Einzelfällen und mit besonderer Begründung möglich. Auch verdichtetes Bauen soll einfacher werden – zum Beispiel, wenn auf dem Grundstück der Eltern noch Platz für ein weiteres Haus ist, in das dann die Kinder mit ihrer Familie einziehen. Hier sollen die Städte und Gemeinden einfacher von Bebauungsplänen abweichen können.
Eine Sonderregelung soll bis Ende 2027 verlängert werden: Sie besagt, dass Länder besondere Genehmigungen für die Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung verlangen können – allerdings nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Auch kommunale Bebauungspläne sollen schneller vorliegen: Bisher dauert es oft mehrere Jahre, bis ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Künftig sollen die Pläne im Regelfall zwölf Monate nach Ende der Beteiligungsverfahren veröffentlicht werden.

Die Gemeinden sollen sich außerdem besser auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Dazu kann zum Beispiel gehören, dass sie begrünte Dächer oder Versickerungssysteme auf einem Grundstück anordnen. Bauherren müssen innerhalb einer bestimmten Frist nachweisen, dass sie Ausgleichsmaßnahmen angestoßen, also zum Beispiel Bäume gepflanzt haben.
Neue Regelungen kommen also hinzu, angesichts des Klimawandels ist es mit der einfachen Formel „weg mit der unnützen Bürokratie“ also nicht getan. Doch neben den zahllosen Vorgaben, DIN-Vorschriften und Regulatorien gibt es auch jene, für die die Branche selbst verantwortlich ist – weil sie für Mängel am Bau nicht haftbar gemacht werden will, solange sie sich daran hält. Die Qualitätsstandards stiegen, während die Bauzinsen niedrig waren. Die Kostenexplosion der vergangenen Jahre durch Material, Löhne und die steigenden Zinsen machten jedoch das Geschäft schwieriger.
„Die Baugenehmigungen in Deutschland kennen weiter nur eine Richtung: abwärts“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Im Mai genehmigten die Behörden knapp 17.800 Wohnungen, das sind 24 Prozent weniger Wohnungen als im Vorjahresmonat. Damit stehen in diesem Jahr gerade einmal 89.028 Genehmigungen in den Büchern. Vor zwei Jahren waren es noch mehr als 155.000 genehmigte Wohneinheiten. Wir verzeichnen seit zwei Jahren einen kontinuierlichen Rückgang. Seit April 2022 gab es kein Plus bei den Baugenehmigungen.“
Baugenehmigungen gelten als Seismograph für den Wohnungsneubau. Von da an dauert es etwa zwei Jahre, bis die fertige Wohnung auf den Markt kommt. Der Grund für die schwierige Situation: „hohe Bauzinsen und überambitionierte energetische Anforderungen verschrecken Bauwillige und Investoren. Mittlerweile ist eine Zinsstütze für viele Bauwillige, insbesondere junge Familien, die einzige Möglichkeit, überhaupt noch den Traum vom Eigenheim anzugehen“, so Pakleppa.
Gebäudetyp E wie einfach
Ein weiterer Schritt für mehr Wohnungsbau sei, das Bauen einfacher zu machen. „Es ist ein Lichtblick, dass die Politik mit einem Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E die Initiative ergreift“, so der Verbandsgeschäftsführer. Mit dem Gebäudetyp E – E wie „einfach“ –, dessen Leitlinien gerade zwischen Bund, Ländern und Verbänden abgestimmt werden, soll experimentelles Bauen erleichtert werden. Erste Pilotprojekte gibt es mit dem Segen der Architektenkammer bereits in Bayern. Dort heißt es, dass der Gebäudetyp „darauf abzielt, Normen zu reduzieren, um schnelleres, einfacheres, kostengünstigeres und ressourcenschonenderes Planen und Bauen zu ermöglichen“. Die 19 Projekte, die in verschiedenen Landkreisen gerade umgesetzt werden, werden wissenschaftlich und juristisch begleitet. „Es geht einerseits darum, zu lernen, was sofort Standard werden kann. Auf der anderen Seite erwarten wir wesentliche Impulse für die Gesetzgebung, um den Gebäudetyp E auch rechtlich abzusichern“, so die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer Lydia Haack – ein Vorhaben, das in der gesamten Branche mit großem Interesse beobachtet wird.
Und auch die Bauministerin hat ihre volle Unterstützung zugesagt. Denn einfacher heißt auch schneller, kostengünstiger und vor allem mehr. Und mehr Wohnungen kann Deutschland definitiv gebrauchen.